Verband UnternehmensGrün: “Wir brauchen schnelle und unbürokratische Hilfen”
Dr. Katharina Reuter setzt sich als Geschäftsführerin des Wirtschaftsverbands UnternehmensGrün für eine enkeltaugliche Wirtschaft ein. Die Expertin für nachhaltiges Wirtschaften ist Mitbegründerin von Ecopreneur.eu (European Sustainable Business Federation) und Co-Initiatorin von Entrepreneurs For Future. Im Interview mit markt intern nimmt Reuter kritisch Stellung zu den ökonomischen Stützungsmaßnahmen in Bund und Ländern.
markt intern: Frau Reuter, wie realistisch ist die Feststellung von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, die Bundesregierung werde verhindern, dass ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen nur wegen der Coronakrise in die Insolvenz falle?
Dr. Katharina Reuter: Ich wäre gern in dieser Frage optimistisch, aber bei uns häufen sich dramatische Meldungen aus den Unternehmen. Daher gehe ich davon aus, dass wir eine ganze Reihe von Insolvenzen und Geschäftsaufgaben sehen werden.
mi: Was muss politisch und seitens der Verwaltung getan werden, damit möglichst viele Unternehmen die Coronakrise tatsächlich wirtschaftlich überleben?
Reuter: Wir freuen uns über die Ankündigung der Bundesregierung, nun auch Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmer bis zehn Beschäftigte mit insgesamt 40 Milliarden Euro zu unterstützen, vor allem in Darlehensform, aber auch in Form direkter Zuschüsse. Ob diese Summe ausreicht, wird später zu entscheiden sein. Die sofortigen Liquiditätshilfen sind das eine. Das andere ist das notwendige Ende der Scheibchen-Informationspolitik. Gerade für die Planungssicherheit in Unternehmen kommt es darauf an, dass die Bundesregierung einen klaren Fahrplan für die nächsten zwei Monate ausgibt. Es führt zu einer großen Verunsicherung, wenn jeden Tag neue Maßnahmen angekündigt werden.
mi: Reichen die bisher beschlossenen Maßnahmen aus?
Reuter: Nein, es gibt noch zu hohe bürokratische Hürden für die kleinen Unternehmen. Und die Unsicherheit über die zeitliche Dimension ist zu groß. Hier müssten konkrete Termine genannt werden, ab wann Hilfsgelder auch tatsächlich zur Verfügung stehen.
mi: Gibt es spezielle Forderungen von UnternehmensGrün, die die Bundes- oder Landesregierungen noch umsetzen sollten?
Reuter: Kurzfristig brauchen wir schnelle und unbürokratische Hilfen, um die schlimmsten ökonomischen Auswirkungen der Krise abzufedern. Mittelfristig fordern wir, um die Wirtschaft nach der Krise nachhaltig anzukurbeln, Milliardeninvestitionen in grüne Märkte. Denn wir brauchen dringend Investitionen in einen dezentralen Nahrungsmittelmarkt, in den öffentlichen Nah-, Regional- und Fernverkehr, in die Ausweitung des grünen Energiemarkts und in den grünen Umbau der Industrie. Mit Blick auf die Verwaltung fordern wir, dass die Kapazitäten der Beratung von Unternehmen in Schwierigkeiten mit sofortiger Wirkung aufgestockt werden. Ein konkretes Beispiel: Kurzarbeitergeld. Die Kolleg_innen aus den Unternehmen versuchen zum Teil seit mehr als einer Woche, einen Ansprechpartner dazu in der jeweiligen Verwaltung zu finden.
mi: Was halten Sie davon, statt der zugesagten Kredite unmittelbar Hilfsgelder an kleine Mittelständler auszuzahlen?
Reuter: Das ist dringend geboten und ich begrüße diesen Schritt. Für viele Selbständige und kleine Unternehmen reichen in der jetzigen Lage Kredite oder Instrumente wie Kurzarbeitergeld nicht aus, dort helfen nur direkte Finanzhilfen.
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