Neue Covid-19-Risikoregeln bei gewerblichen Mietverträgen
Die Covid-19-Pandemie beherrscht weiter die deutsche Wirtschaftspolitik. Seit Mitte Dezember 2020 gilt – ausgenommen Geschäfte zur Grundversorgung der Bevölkerung – für den Einzelhandel pandemiebedingt eine staatlich verhängte Schließungsanordnung. Aktuell wurde dieser Shutdown bis zum 14.2.2021 verlängert und für die Bevölkerung weiter verschärft. Schon beim ersten Lockdown im Frühjahr 2020 gab es Konfliktpotenzial zwischen Vermietern und Mietern, in wessen Risikospähre eine Geschäftsschließung und damit ein Ausfall der Mietzahlung fallen. Seitens des HDE wurde eine Minderung der Miete insbesondere mit dem Rechtsinstitut der „rechtlichen Unmöglichkeit“ oder „Störung der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 BGB) begründet, während die Wohnungswirtschaft, wie z. B. der ZIA (Zentraler Immoblien Ausschuss), eine Risikoverteilung zu Lasten der Vermieter als gesetzlich nicht verankert ansieht. Auch die Rechtsprechung konnte dieses Dilemma bisher nicht überzeugend lösen.
Um hier mehr Rechtssicherheit zu schaffen, hat der Gesetzgeber das Ausfallrisiko bei Gewerbemieten neu geregelt und das „Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Patentrecht“ am 31.12.2020 in Kraft gesetzt (BGBl. 2020, Teil 1, S. 3328 ff.).
In Art 240 des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB) wird darin die „Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen“ geregelt. Gemäß Art 240 § 7 EGBGB wird nach Maßgabe des § 313 BGB eine gesetzliche Vermutung aufgestellt, dass Covid-19-bedingte Schließungsanordnungen zu einer „schwerwiegenden Veränderung der vertraglichen Grundlage“ zwischen den Mietparteien führen und damit den Anwendungsbereich für eine Vertragsanpassung ermöglichen.
Darüber hinaus soll nach § 44 des Gesetzes zur Einführung der Zivilprozessordnung für gerichtliche Verfahren über Covid-19-bedingte Mietanpassungen ein Vorrangs- und Beschleunigungsgebot gelten.
Was heißt das konkret? Zum einen muss das Ladenlokal aufgrund der staatlichen Maßnahme für den Betrieb des Mieters nicht mehr oder nur noch mit erheblichen Einschränkungen verwendbar sein. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung (Bundestags-Drs. 19/25322, Seite 13 ff): „Eine erhebliche Einschränkung liegt zum Beispiel regelmäßig in einer staatlichen Vorgabe, nur einen bestimmten Teil der Ladenflächen für Publikumsverkehr zu nutzen oder die Anzahl der Personen zu beschränken, die sich auf einer bestimmten Fläche aufhalten dürfen“. An einer solchen erheblichen Einschränkung fehlt es, „wenn bei einem Betrieb mit Publikumsverkehr die Kundschaft allein wegen sinkender Konsumbereitschaft ausbleibt“.
Zum anderen enthält Art 240 § 7 EGBGB keinen zwingenden Automatismus für eine Vertragsanpassung. Laut Gesetzesbegründung kann der Vermieter die gesetzliche Vermutung entkräften, falls der Mietvertrag z. B. zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, in dem eine coronabedingte Einschränkung des Geschäftsbetriebs für „breite Kreise der Öffentlichkeit bereits absehbar“ war. Darüber hinaus besteht ein Anspruch des Mieters auf Vertragsanpassung auch weiterhin nur im Rahmen des § 313 BGB. Der Mieter muss also darlegen und beweisen, dass für ihn aufgrund der staatlichen Maßnahme ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist. Ob das der Fall ist, hängt insbesondere davon ab, wie intensiv sich die staatlichen Beschränkungen auf ein Ladengeschäft auswirken. Hat der Ladenbesitzer staatliche Coronahilfen erhalten oder konnte er durch Anmeldung von Kurzarbeit oder Wegfall des Wareneinkaufs Kosten einsparen, kann dies laut Gesetzesbegründung gegen eine Unzumutbarkeit sprechen.
Ob die neue Rechtsituation mehr Klarheit schaffen wird, darf bezweifelt werden. Das liegt auch daran, dass sich der Gesetzgeber gescheut hat, eine klare Rechtsposition zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht zu treffen. Wären pandemiebedingte Schließungen eindeutig ein Mietmangel nach § 536 BGB, wäre eine Mietminderung vorrangig nach dieser Vorschrift zu bemessen und es käme auf eine Störung der Geschäftsgrundlage gar nicht an. Der Gesetzgeber scheut sich jedoch vor einer Einordnung und sagt lediglich: „Allgemeine und mietrechtliche Gewährleistungs- und Gestaltungsrechte sind vorrangig gegenüber § 313 BGB – ein Umstand, der nicht geändert werden soll“. Mithin muss in jedem Fall geprüft werden, ob aufgrund einer staatlich angeordneten Ladenschließung ein Mangel der Mietsache oder rechtliche Unmöglichkeit vorliegt. Das wird die Arbeit der Gerichte nicht erleichtern, geschweige denn beschleunigen.
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