Mit Fehlern und Emotionen Stärke ausstrahlen
Eine Kolumne von RA Oliver Blumberg, Chefredakteur markt intern-Verlag
„Jens, jetzt keine Emotionen!“ – mit diesen Worten versuchte wohl Bundeskanzlerin Angela Merkel Anfang des Jahres, ihren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zu bremsen. Der Kanzlerin war aufgefallen: Sichtlich genervt von der Kritik an den Fehlern seiner Impfstrategie, lief der junge Minister Gefahr, emotional zu werden. In kritischen Situationen sind Führungskräfte gut beraten, die Ruhe zu bewahren – heißt es immer wieder. Aber „authentisch rüberkommen“ soll die Person trotzdem! Lassen sich diese Anforderungen in Einklang bringen?
Vorgesetzte, die das Anliegen eines Mitarbeiters mit einer einzigen Handbewegung wegwischen – ganz so als ginge es darum, eine lästige Fliege zu verscheuchen. Geschäftspartner, die ein nicht akzeptables Angebot zu einem ehrverletzenden Frontalangriff aufbauschen, um dann den vermeintlichen Agressor mit einem Gegenangriff kampfunfähig zu machen. Funktionsträger, die im Rahmen einer Bürgeranhörung auf unbequeme Fragen lächeln und mit wohlklingenden, aber nichtssagenden Floskeln reagieren. Diese Situationen haben etwas gemeinsam: Sie fühlen sich nicht gut an! Betroffene empfinden es als herabsetzend, von ‘denen da oben‘ nicht gehört zu werden! Sobald Menschen in Bedrängnis geraten, erscheinen ihnen aber die hier aufgezeigten Fluchtwege oft als einziger Ausweg. Zu Recht?
Vermutlich nicht! Man kann nicht alles ausplaudern, aber: Dies sollte niemanden davon abhalten, offen, ehrlich und respektvoll mit seinem Gegenüber zu kommunizieren. Wer fachlich qualifiziert ist und die Bereitschaft mitbringt, Fehler einzuräumen und Ungewissheiten auszusprechen, strahlt Stärke aus. Unter anderem deshalb, weil sich die wahre Gefühlslage ohnehin fast immer an der Stimme oder an dem verwendeten Vokabular ablesen lässt. Wie jeder andere auch, werde ich gelegentlich mit dem Unmut meines Gegenübers konfrontiert – in der Familie, im Kollegenkreis, im privaten Umfeld. Manchmal gelingt es, die Situation in ein gutes Ergebnis zu überführen, ein anderes Mal klappt es nicht.
- Bin ich in solchen Fällen mal wieder in die Falle getappt, auf Erklärungen zu verzichten?
- War ich freundlich genug?
- Habe ich überwiegend Kommandos erteilt, deren Sinn mein Gegenüber vielleicht gar nicht nachvollziehen konnte?
- Konnte der oder die Andere erfahren, wo ich selbst einen Fehler gemacht habe?
- Hatte mein Gesprächspartner die Möglichkeit, eigene Lösungsvorschläge zu entwickeln und einzubringen?
- Falls ja, konnten die Vorschläge einen konstruktiven Beitrag leisten?
- Falls nein, warum nicht?
- Habe ich nicht dann die größte Überzeugungskraft, wenn ich auf dem Fundament einer nüchternen Grundhaltung konstruktive Emotionen zulasse?
Sich möglichst oft von diesen Fragen leiten zu lassen, daran arbeitet
Chefredakteur