H.-J. Kamp spricht aus, was viele denken: „Clarion, gfu und Messe Berlin müssen sich umgehend zusammensetzen, um den sofortigen Einstieg der Herren Heithecker und Koslowski zu ermöglichen!“

Hans-Joachim Kamp war nicht nur für 'sein' Unternehmen Philips ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Der Hamburger war und ist im Hintergrund auch immer noch eine der engagiertesten, empathischsten und strategisch am weitreichendsten denkenden Persönlichkeiten, die unsere Branche insgesamt nach vorne gebracht hat! Unter anderem als Aufsichtsratsvorsitzender der gfu, zusammen mit dem damaligen Geschäftsführer Dr. Alexander Pett und im permanenten konstruktiven und erfolgreichen Austausch mit den seinerzeit für die IFA verantwortlichen Jens Heithecker und Dirk Koslowski, hat Kamp es brillant verstanden, alle Interessen – angefangen bei der Industrie, über den Handel bis hin zur (Fach-)Presse – bestens miteinander zu verknüpfen und alle für den gemeinsamen Erfolg ins Boot zu holen. Diese Zeiten sind leider vorbei. Es haben mittlerweile Entwicklungen auf IFA- wie auch auf gfu-Seite stattgefunden, die einem 'Überzeugungstäter' wie Kamp nicht gefallen können. Ihre 'markt intern'-Redaktion hat sich gleich zu Beginn des Jahres mit ihm ausgetauscht:

'markt intern' (mi): 'Herr Kamp, während Ihrer Zeit als gfu-Aufsichtsratsvorsitzender hat sich die IFA dank strategisch wichtiger und richtiger Entscheidungen und dank einer stets offenen und vertrauensvollen Kommunikation mit allen beteiligten Personen, Unternehmen und Institutionen hervorragend entwickelt. Wie bewerten Sie als jemand, der in der Branche immer noch bestens vernetzt und über viele Details informiert ist, die Geschehnisse rund um die gfu und die IFA insbesondere in den vergangenen Monaten und Wochen?'

Hans-Joachim Kamp (AK): „Auch wenn es viel zu lange gedauert hat und die handelnden Personen sich als schwierige Einzelcharaktere erwiesen haben, freue ich mich sehr, dass es inzwischen einen unterschriebenen Vertrag zwischen Clarion/gfu und der Messe Berlin gibt und somit die IFA langfristig in Berlin verbleibt. Die von Clarion und der gfu neu gegründete IFA Management GmbH ist nun der Veranstalter der IFA 2023.“

mi: 'Inwieweit können Sie das ungläubige und teilweise entsetzte Kopfschütteln auf Industrie-, Fachhandels-, und (Fach-)Presseseite nachvollziehen?'

H.-J. Kamp

AK: „Die mehr als einjährigen unprofessionellen Verhandlungen, die leider durch unschöne gegenseitige Vorwürfe in der Öffentlichkeit begleitet wurden, haben dazu geführt, dass die Entscheidungsträger der Industrie – und hier insbesondere bei den internationalen Konzernen – nicht wussten, wie es mit der IFA weitergeht. Hiermit meine ich nicht nur die Diskussion um den Austragungsort, sondern auch die Entscheidung, ob die Messe Berlin oder Clarion/gfu die IFA 2023 managen werden. Gleiches gilt für die Informationslage des Fachhandels und der Presse. Dies ist vorsichtig ausgedrückt nicht optimal, um Budget-Planungen und Entscheidungen zu treffen oder positive Berichterstattung für die IFA zu generieren.“

mi: 'Wie groß bemessen Sie den möglicherweise daraus entstandenen Schaden für die Branche?'

AK: „Aktuell sehe ich keinen zu bemessenden Schaden. Der sicher entstandene Vertrauensschaden lässt sich nur durch schnelles, zielgerichtetes Handeln beheben.“

mi: 'Was müsste denn aus Ihrer Sicht konkret passieren, um sowohl die gfu wie auch die IFA schnellstmöglich wieder in ruhiges und erfolgreiches Fahrwasser zurückzuführen?'

AK: „Alle beteiligten Entscheidungsträger müssen sich dem Erfolg der IFA 2023 zu 100 % verpflichtet fühlen und auch verpflichtet werden: Persönliche Eitelkeiten sind zwingend zurückzustellen und es müssen einvernehmlich die richtigen Prioritäten gesetzt werden, denn es sind keine neun Monate mehr bis zur IFA 2023. Jetzt am IFA-Logo 'Finetuning' zu betreiben oder aufgrund der neuen Gesellschafterstruktur andere Farben und den Berliner Bären einzusetzen, ruft bei jedem Marktteilnehmer und Markenstrategen nur Kopfschütteln hervor. Auch höre ich, dass viele Dinge infrage gestellt werden, die in der Vergangenheit gut funktioniert haben. Um nicht missverstanden zu werden:

Ich habe immer die Ansicht vertreten: Nichts ist so gut, dass es nicht verbessert werden kann. Nur wenn erst Anfang Dezember ein Workshop zur Manöverkritik der IFA 2022 und der Neuausrichtung der IFA 2023 stattfindet, dann ist jetzt wirklich Eile geboten – und Eile verlangt Priorisierung. Mich beunruhigt, dass die Verantwortlichen in der IFA Management GmbH – und hiermit meine ich insbesondere Clarion – anscheinend noch nicht erkannt haben, dass eine Großmesse wie die IFA etwas anderes ist als ihre eigenen 'special interest events'. Die Komplexität der IFA ist schlichtweg eine andere Dimension und braucht jetzt kompetentes und branchenerfahrenes Management.“

mi: 'Inwieweit sehen Sie möglicherweise selbst bei sich falsche (personelle) Weichenstellungen während Ihrer Zeit als Aufsichtsratsvorsitzender?'

AK: „Ich bin davon überzeugt, dass die einstimmig im Aufsichtsrat der gfu getroffenen Entscheidungen der Vergangenheit richtig waren. Dies betrifft nicht nur den Übergang zur jährlichen IFA, die Integration von Home Alliance, die strategischen Partnerschaften mit den Fachhandelskooperationen, die Integration von Forschungsinstituten und Start-ups in IFA Next, sondern auch die Personalentscheidungen. Nach dem nahezu zeitgleichen Ausscheiden von Dr. Pett als Geschäftsführer und mir als Aufsichtsratsvorsitzenden, und das nach mehr als zwei Jahrzehnten gemeinsamer und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit der Messe Berlin, gab es leider sehr viele Wechsel, Nachbesetzungen und Vakanzen im Aufsichtsrat der gfu. In den letzten Monaten bestand der Aufsichtsrat der gfu nur aus einer Person und aktuell geht es um die komplette Neubesetzung des Aufsichtsrates. Dies waren natürlich keine optimalen Voraussetzungen, um einen 100 %ig funktionierenden Übergang zu gewährleisten. Auch muss berücksichtigt werden, dass im Gegensatz zu mir alle anderen AR-Mitglieder in operativer Verantwortlichkeit standen und es daher nicht leicht ist, die erforderliche Zeit zu finden, um die neue Geschäftsführung in dieser verantwortungsvollen Aufgabe optimal zu unterstützen.

Ich habe deshalb bei meinem Ausscheiden als AR-Vorsitzender und auch später meine Unterstützung angeboten, um den aus meiner Sicht erforderlichen Know-how-Transfer und das erforderliche Coaching zu begleiten. Leider wurde hiervon trotz erster positiver Rückmeldung nie Gebrauch gemacht.“

mi: 'Eines Ihrer persönlichen Erfolgsprinzipien lautet: Business is people! Gibt es aus Ihrer Sicht ganz bestimmte Personen, die unbedingt eine führende Rolle für den Erfolg einer gfu und einer IFA übernehmen könnten/sollten?'

AK: „Die Erfolgsgeschichte der IFA ist ganz eng verbunden mit den Herren Heithecker und Koslowski! Mit beiden haben Industrie, Handel und Medien in der Vergangenheit immer sehr gut und konstruktiv zusammenarbeiten können. Beide Herren haben in über 20 bzw. 15 Jahren exzellente Kundenbeziehungen zu allen Entscheidungsträgern bei den internationalen Konzernen aufgebaut und intensiv gepflegt und im Ablauf der Jahre ein eingespieltes und kompetentes IFA-Team bei der Messe Berlin geführt. Beide Herren haben sich so eine sehr hohe Wertschätzung erarbeitet, die aktuell nicht durch die von der gfu und Clarion gegründete IFA Management GmbH abgedeckt werden kann. Ich sehe auch keine Persönlichkeit, die in der IFA Management GmbH in der Lage ist, das neu aufzubauende IFA-Team zusammenzustellen, zu führen und die internationalen Kontakte umgehend zu reaktivieren.

Clarion, gfu und Messe Berlin müssen sich daher umgehend zusammensetzen, um den sofortigen Einstieg der Herren Heithecker und Koslowski zu ermöglichen! Nur so kann gewährleistet werden, dass die IFA 2023 ein Erfolg wird. Auch die Gesellschafter der gfu sollten dies unterstützen und einen entsprechenden Beschluss auf der in Kürze stattfindenden Gesellschafterversammlung der gfu treffen, wenn sie verhindern wollen, dass ihre Gesellschafteranteile viel an Wert verlieren.“

mi: 'Wie lautet abschließend Ihre Prognose zur Zukunft der IFA? Und wie sehen Sie die gfu gleichermaßen aufgestellt?'

AK: „Ich bin grundsätzlich positiv eingestellt und glaube, dass kurzfristig die richtigen Entscheidungen getroffen werden, um die IFA 2023 zu einem Erfolg für die Veranstalter und die Messe Berlin zu machen. Bei der Messe Berlin gibt es einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden und – durch die Auflösung des Vertrages mit dem bisherigen CEO der Messe Berlin – einen Interims-Vorsitzenden der Geschäftsführung. Beiden Herren sollte bewusst sein, welche Wirtschaftskraft die IFA für Berlin hat und wie wichtig eine erfolgreiche IFA auch für die Messe Berlin ist. Der im Januar neu zu wählende Aufsichtsrat der gfu wird sich aus renommierten Branchenpersönlichkeiten zusammensetzen, die jetzt gefordert sind [Anm. d. Red.: Die Wahl ist bereits erfolgt, neuer Aufsichtsratsvorsitzender ist Philipp Maurer/Panasonic Deutschland. Weitere Aufsichtsräte sind Harald Friedrich/BSH Hausgeräte GmbH und Frank Jüttner/Miele & Cie. KG.]. Und hiermit meine ich nicht nur die Wahrnehmung der vorgeschriebenen Kontrollfunktion gegenüber der Geschäftsführung, sondern auch die Beratung der Geschäftsführung und der IFA Management GmbH bezüglich der strategischen Ausrichtung und der kurzfristig zu setzenden – auch personellen – Prioritäten.“

Fazit: Deutliche Worte eines Branchen-Experten, die von den angesprochenen Personen und Institutionen unbedingt ernst genommen werden sollten! Die gfu-Gesellschafterversammlung und der von ihr neu gewählte gfu-Aufsichtsrat haben es selbst in der Hand, die von Kamp prognostizierte positive Prognose zur IFA wahr werden zu lassen! Hoffen wir also, dass alle Beteiligten ihrer Verantwortung gerecht werden. Auch der Fachhandel, bisher ja VIP der IFA, wird mit Argusaugen verfolgen, wohin die Entwicklung geht. Mit Jens Heithecker und Dirk Koslowski kennen wir alle zwei Persönlichkeiten, die – wie Achim Kamp zu Recht sagt – für den Erfolg der IFA stehen! Und falls jemand an der gfu-Spitze die Kontaktdaten von Hans-Joachim Kamp verloren haben sollte, wir reichen sie gerne weiter. Ein Austausch mit dieser Branchen-Persönlichkeit ist immer ein Gewinn!!!