Grenzen der politischen Betätigung gemeinnütziger Vereine

Bei vielen gemeinnützigen Vereinen herrscht Unsicherheit darüber, ob und in welchem Umfang sie sich politisch betätigen dürfen und ob eine Einflussnahme auf die politische Willensbildung den Entzug der Gemeinnützigkeit nach sich ziehen kann. Hintergrund sind mehrere Entscheidungen des BFH, unter anderem das sog. 'Attac-Urteil' vom 10.1.2019 (Az. V R 60/17) sowie der nachgehende Beschluss vom 10.12.2020 (Az. V R 14/20). Darin hat der BFH klargestellt, dass die Verfolgung politischer Ziele nicht unter den Katalog der gemeinnützigen Zwecke im Sinne der Abgabenordnung fällt. Er wies darauf hin, dass die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung für die Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft nur dann unschädlich ist, sofern dies der Verfolgung der originären gemeinnützigen Zwecke dient. Dagegen hat der BFH eine faktische Ergänzung des § 52 Abs. 2 AO in der Weise abgelehnt, dass die Einflussnahme auf die politische Willensbildung in frei gewählten Politikfeldern als eigener gemeinnütziger Zweck gilt. Damit ist klargestellt: Die allgemeine politische Betätigung ist nicht gemeinnützig. Mit Beschluss vom 18.8.2021 (Az. V B 25/21 [AdV]) hat der BFH den vorläufigen Rechtsschutz eines Vereins abgelehnt, dem die Gemeinnützigkeit entzogen wurde, da er sich öffentlich mit der Coronapolitik der Regierung auseinandersetzte und das Widerstandsrecht nach Art. 20 Abs. 4 GG thematisierte. Damit wurden nach Ansicht der Richter die Grenzen dessen überschritten, was mit dem eigentlichen Vereinszweck verbunden ist, nämlich im konkreten Fall die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens.

Am 12.1.2022 hat das BMF den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) an die Rechtsprechung des BFH angepasst (Az. IV A 3 – S 0062/21/10007 :001 stbi 052201) und nochmals verdeutlicht, aus dem Begriff der politischen Bildung und der allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens (§ 52 Abs. 2 Nr. 7 und Nr. 24 AO) ergebe sich kein eigenständiger steuerbegünstiger Zweck. Die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die Gestaltung der öffentlichen Meinung in beliebigen Politikbereichen ist steuerlich nicht gemeinnützig. Dies betrifft jedoch die ausschließliche politische oder parteipolitische Betätigung, denn das BMF schwächt etwas ab: Es ist einem gemeinnützigen Verein dann gestattet, auf die politische und öffentliche Meinungsbildung Einfluss zu nehmen, soweit dies der Verfolgung seiner steuerbegünstigten Zwecke dient und parteipolitisch neutral bleibt. Das öffentliche Eintreten für die eigenen satzungsgemäßen gemeinnützigen Zwecke und deren Verwirklichung ist somit nach wie vor zulässig. Doch nicht jede politische Betätigung außerhalb dieses Bereichs gefährdet die Gemeinnützigkeit des Vereins. Das BMF stellt fest, es sei aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden, wenn ein gemeinnütziger Verein außerhalb des eigentlichen Satzungszwecks vereinzelt zu tagespolitischen Themen Stellung nimmt und hält es für zulässig, dass zum Beispiel ein Sportverein einen Aufruf für Klimaschutz oder gegen Rassismus tätigt.

Mit dem oben genannten BMF-Schreiben kann für die meisten gemeinnützigen Vereine Entwarnung gegeben werden. Sie dürfen sich nach wie vor öffentlichkeitswirksam für ihre Vereinszwecke einsetzen und hierfür werben. Auch eine Beteiligung an der politischen Meinungsbildung ist nicht tabu. In jedem Fall muss ein Verein sowohl nach der Satzung als auch nach der tatsächlichen Geschäftsführung gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung verfolgen. Jede gemeinnützige Körperschaft hat gegenüber dem Finanzamt nachzuweisen, dass und gegebenenfalls wie sie an der Verwirklichung ihrer satzungsgemäßen und gemeinnützigen Vereinsziele gearbeitet hat. Ist dieser Nachweis nicht möglich, ist die Gemeinnützigkeit gefährdet. Soweit dies der Verfolgung seiner eigenen steuerbegünstigten Zwecke dient, darf ein Verein auch auf die politische und öffentliche Meinungsbildung einwirken. So können Naturschutzverbände zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel aufrufen oder Vereine zur Förderung des demokratischen Staatswesens zur Teilnahme an Wahlen. Körperschaften, die sich um die Belange benachteiligter Personengruppen kümmern, können öffentlichkeitswirksam auf deren Situation und die Notwendigkeit ihrer Unterstützung hinweisen. Keinesfalls dürfen jedoch durch das Gemeinnützigkeitsprivileg rechtswidrige Handlungen gefördert werden.

Zum Widerruf der Gemeinnützigkeit wird es daher kommen, falls ein Verein gegen die Rechtsordnung verstößt oder hierzu auffordert. Gleiches gilt bei Nichtbefolgung polizeilicher Anordnungen, der Organisation und Durchführung unangemeldeter Versammlungen oder der rechtswidrigen Besetzung von Grundstücken und Gebäuden sowie der Anwendung oder Androhung von Gewalt.

Auf einen wichtigen Gesichtspunkt sollten gemeinnützige Vereine aufmerksam gemacht werden: Selbst wenn ihnen das BMF zugesteht, sich gelegentlich außerhalb der satzungsgemäßen Zwecke politisch zu betätigen, bedeutet dies nicht, dass ebenfalls Gelder des Vereins für solche Kampagnen eingesetzt werden dürfen. Auch in diesem Zusammenhang gilt das Gebot, Mittel ausschließlich für satzungsgemäße Zwecke zu verwenden.

Sponsoring auch ohne Zuschauer

Die Abgrenzung zwischen echtem Sponsoring und Spenden ist in der Praxis nicht immer einfach. Dies zeigt ein Fall, mit dem sich das Niedersächsische Finanzgericht befassen musste. Eine Fahrschule hatte Trikots mit einem entsprechenden Werbeaufdruck angeschafft und verschiedenen Sportvereinen für deren Jugendmannschaften sowie einer Altherrenmannschaft unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Nach einer Betriebsprüfung wurden sowohl der Vorsteuerabzug als auch die Berücksichtigung als Betriebsausgabe versagt, weil die Spiele der Jugendmannschaften kaum Publikum anziehen würden und bedruckte Shirts deshalb keine Werbewirkung hätten. Das Überlassen der Sportbekleidung sei daher dem ideellen Bereich zuzuordnen, also allenfalls als Spende zu berücksichtigen. Dem widersprach der 11. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts mit Urteil vom 3.1.2022 (Az. 11 K 200/20 stbi 052202). Er teilte zwar die Auffassung der Verwaltung, dass Jugendmannschaften meist nicht vor Publikum spielen. Die Trikots mit ihren Aufdrucken würden jedoch Werbewirkung erzielen, da die jugendlichen Sportler im Alter von 15 bis 20 Jahren gerade zur Zielgruppe gehören, die der Kläger mit seiner Fahrschule ansprechen möchte. Unerheblich war es für die Finanzrichter, ob die mit der Sportbekleidung bedachten Vereine eine Versteuerung dieser Leistung vorgenommen haben. Es wurde auch nicht beanstandet, dass die Vereinbarungen zwischen Fahrschule und Sportvereinen nur mündlich getroffen wurden.