Vorsteuerabzug aus Erschließungskosten

Vorsteuerabzug aus Erschließungskosten Das EuGH-­Urteil vom 16.9.2020 (Az. C-528/19) 'Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG' hat 2020 für Furore gesorgt. Im Kern geht es darum, dass Unternehmer Vor­steuern auf Eingangsleistungen abziehen können, sofern sie die Kosten für den Ausbau einer öffentlichen Straße übernehmen und ihr Betrieb durch den Bau dieser Straße erst ­erreichbar wird oder sich die Anbindung erheblich verbessert. Der Urteilsfall betraf die Errichtung einer Straße zum Abtransport von Kalkstein aus einem Steinbruch. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise spricht nichts gegen die unternehmerische Veranlassung der Kosten und den Vorsteuer­abzug. Und ­genauso haben es der EuGH und in der Folge der BFH entschieden (Urteil vom 16.12.2020, Az. XI R 26/20 (XI R 28/17). Doch dieser Logik vermag sich die Finanzverwaltung nicht anzuschließen. Sie sieht in den Leistungen eine unentgeltliche Wertabgabe, bei der der Vorsteuerabzug ausscheidet, zumal die Straße nicht nur von den Lkw des Unter­nehmens, sondern letztlich von allen Bürgern genutzt werden kann (Abschnitt 15.2b UStAE). Obwohl EuGH und BFH die Ansicht der Finanz­verwaltung verwerfen, grübelt diese seit rund zwei Jahren, ob es nicht einen Grund gibt, die beiden eindeutigen Entscheidungen nicht anwenden zu müssen. Bislang hat sie einen solchen zwar nicht gefunden. Das hindert sie aber nicht daran, die bis­herige Verwaltungsauffassung weiter anzuwenden und den Vorsteuer­abzug zu versagen. In einer ­Anweisung der OFD Nord­rhein-Westfalen vom 16.8.2022 (stbi202202) heißt es dazu: Wird seitens des Steuer­pflichtigen auf eine Entscheidung hingewirkt, ist die gegenwärtige Verwaltungs­auffassung zu vertreten. Immerhin ist die OFD so gnädig und erlaubt ein Ruhen des Verfahrens, bis sich die Vertreter von Bund und Ländern zur Anwendung der Ur­teile geäußert haben. Auch eine Aussetzung der Vollziehung wird gewährt. Nun steht natürlich die Frage im Raum, wie lange sich die Finanzverwaltung bis zu einer Stellungnahme Zeit lassen wird. In Umsatzsteuer­fragen kann das schon einmal 15 Jahre dauern – so etwa beim Reemtsma-­Anspruch gegen den Fiskus (siehe BMF vom 12.4.2022, III C 2 – S 7358/20/10001: 004). Von daher kann es zumindest im Einzelfall geboten sein, möglichst rasch auf eine Entscheidung des ­Finanzamts und ein anschließendes Finanz­gerichtsverfahren hinzuwirken und in diesem Zuge auch eine Erstattung der Kosten des Vorverfahrens gemäß § 139 Abs. 3 FO zu beantragen.