Handwerk in NRW boomt, hat aber dennoch Wünsche an die Politik

Seitdem Andreas Ehlert Präsident von HANDWERK.NRW ist (2014), kann er eigentlich immer nur Erfolgsmeldungen verkünden, was die wirtschaftliche Situation der Handwerksbetriebe in Nordrhein-Westfalen betrifft. Das war diesmal nicht anders. Zwar sei 2019 „gesamtwirtschaftlich betrachtet“, so Ehlert, „ein Jahr der Ernüchterung“ gewesen (das BIP ist nach vorläufigen Berechnungen 2019 gerade noch um 0,6 Prozent gestiegen). Das Handwerk hat aber unverändert weiter an Umsatz, und wahrscheinlich auch Ertrag, zugelegt. Die Stimmung sei „weiterhin gut“, bemerkte Ehlert, lediglich die Zukunftserwartungen seien aufgrund des politischen wie gesamtwirtschaftlichen Umfeldes etwas gedämpft. Aber das, so darf man als Beobachter sagen, ist dann schon Klagen auf hohem Niveau. Denn 2016 stiegen die Umsätze um 3,7 Prozent, 2017 um 4,9 Prozent, 2018 sogar um 5,9 Prozent und für 2019 schätzt der Verband das Wachstum auf 4 Prozent. Für 2020 geht er von 3 Prozent Wachstum aus. Und niemand würde sich beschweren oder wundern, wenn es hinter dem Komma vielleicht noch einige Zehntelprozent mehr werden.

Sorgen bereitet dem Handwerk dabei, dass der Personalbestand wegen des Fachkräftemangels nicht in gleichem Umfang wächst, was zum einen die Wachstumschancen bremst, zum anderen aber auch zu erheblichen Wartezeiten bei den Kunden der Betriebe führt. Da das Handwerk „nie ganz zufrieden“ ist, wie Ehlert überzeugend feststellte, hat es Wünsche, man könnte auch Forderungen sagen, aber das klingt sehr hart, an die Politik im Bund wie im Land. Dabei fällt die Bewertung der politischen Leistungen sehr unterschiedlich aus. Während HANDWERK.NRW der Landesregierung ein gutes Zeugnis ausstellt, ringt die Bundesregierung aus Sicht des Handwerks, so Ehlert, „mehr um den eigenen Fortbestand als um das Land“. Entsprechend gering sind die Erwartungen, was die Bundesregierung noch Positives für das Handwerk tun könnte. Erfreulich sei die Wiedereinführung der Meisterqualifikation als Zulassungsvoraussetzung für zwölf Gewerke, ebenso die Novelle des Berufsbildungsgesetzes mit den neuen Qualifikationsbezeichnungen Bachelor Professional und Master Professional für Handwerksausbildungen. Beides stärke die Position des Handwerks bei der Berufswahl Jugendlicher. Aber weitere positive Erwartungen hegt Ehlert nicht. Im Gegenteil, er sieht nur Fehlentwicklungen, wie beispielsweise eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung oder die halbherzige Abschaffung des Solidaritätszuschlags.

Die Landesregierung NRW sei dagegen in der ersten Hälfte der Legislatur „ziemlich viele Probleme pragmatisch angegangen“. Gerade beim Abbau der Bürokratie sei viel erreicht worden. Auch die Bündelung des Themas Digitalisierung im Wirtschaftsministerium habe sich positiv niedergeschlagen. Wichtig sei jedoch, in der zweiten Hälfte auf diesem Weg voranzuschreiten und nicht nachzulassen. Erwartungen hat das Handwerk insbesondere an die zugesagte Stärkung der Clearingstelle Mittelstand (die noch die Vorgängerregierung unter Wirtschaftsminister Garrelt Duin geschaffen hat), den weiteren Bürokratieabbau und die Senkung der Grunderwerbsteuer (ein Wahlkampfversprechen). Ebenso erwartet das Handwerk, dass die Landesregierung von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Grundsteuer landesspezifisch zu regeln. Wichtig sei, sich politisch auf dezentrale Lösungen zu verständigen. NRW sei überall dort stark, wo es mittelständisch organisiert sei. Zentrale industrielle Lösungen seien dagegen weniger erfolgreich. Obwohl der Boom beim Handwerk in großen Teilen auf der aktuellen Stärke des Bau- und des Bauausbaugewerbes beruht, gibt es auch an dieser Stelle eine klare Forderung: Bauen müsse billiger werden und zwar dadurch, dass Überregulierungen abgeschafft und Planungsverfahren verkürzt würden. Staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt, wie Mietpreisbremsen oder gar Mietdeckel, lehnt das Handwerk dagegen ebenso wenig überraschend wie überzeugend ab.