Kostenlose Meisterausbildung — nur ein Wahlversprechen oder ein Zukunftsmodell?

Markus Söder

Eine Ausbildung zum Meister – wer sich dazu entschließt, der muss nicht nur viel Zeit investieren, sondern auch viel Geld; da kommen einige tausend Euro zusammen. In Bayern soll ab 2024 die Meisterfortbildung kostenlos sein. Das hat Markus Söder, CSU-Chef und Minister­präsident Bayerns, vor einigen ­Tagen angekündigt. Der Freistaat wäre das erste Bundesland, in dem angehende Meister in Industrie und Handwerk dann für ihre Weiterbildung kein Geld mehr zahlen müssten.

Franz Xaver Peteranderl

Die Initiative kommt gut an, der Bayerische Handwerkstag (BHT) kommentierte Söders Vorstoß quasi umgehend: „Die staat­liche Übernahme der Kosten für die Meisterfortbildung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Damit unterstreicht die Staatsregierung, dass berufliche und akademische Bildung in Bayern gleichwertig sind. Dies hilft uns, mehr junge Menschen für das Handwerk zu gewinnen“, so Franz Xaver Peteranderl, Präsident des BHT. Er spricht sich zudem für eine weitere Optimierung der bewährten personenbezogenen Förderung aus – auch um die Qualität der Meistervorbereitungskurse und der vier Prüfungsteile nachhaltig zu sichern. Peteranderl: „Der Meistertitel steht nicht nur für erfolgreiche Unternehmensführung. Er garantiert handwerkliche Qualität und sorgt für eine hochwertige Berufsausbildung in unserem Wirtschaftsbereich.“ Auch der Bayerische Industrie- und Handelskammertag (BIHK) soll sich lobend geäußert ­haben, ist zu lesen.

Es ist ein konstruktives und sinnstiftendes Vorhaben. Wäre da nicht … in Bayern in diesem Jahr Landtagswahl, hätte Söder nicht im gleichen Atemzug, als er sein Ansinnen publik machte, den Wahlkampf eröffnet und wäre er nicht dafür berüchtigt, sich in Wahlzeiten mal eben geschmeidig neu zu erfinden. Und wie es bei Wahlen oft so ist: Wenn alle Stimmen ausgezählt sind, bleibt von großen Ankündigungen nur wenig übrig. Also alles nur Populismus? Hat die vollmundige Verlautbarung bereits jetzt schon eine Halbwertzeit? Wie sehen das Interessensverbände des Handwerks und des Elektrohandwerks? Wir haben bei ZVEH und ZDH nachgefragt: Wäre das eine wirksame Maßnahme gegen den Fachkräftemangel? Hat das Ansinnen das Potenzial, sich bundesweit durchzusetzen? Wenn ja, warum? Welche Rahmenbedingungen müssen dafür geschaffen werden? Wenn nein, warum nicht?

Der ZVEH teilt uns mit: „Sollte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, wie kürzlich auf der Winterklausur der CSU-Landtagsfraktion angekündigt, dafür sorgen, dass die Meisterfortbildung noch 2023 kostenlos wird, findet das grundsätzlich die Zustimmung des Zentralverbandes der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH). Schließlich würde Markus Söder damit – eine immer wieder geäußerte Forderung der e-handwerklichen Organisation erfüllend – einen wichtigen Schritt in Richtung einer Gleichstellung von beruflicher und akademischer Bildung vollziehen. Allerdings gibt es nach Auskunft des Landes­innungsverbandes für das Bayerische Elektrohandwerk erfreu­licherweise aktuell ohnehin eine steigende Nachfrage nach Meisterausbildungen – auch ohne Kostenübernahme.

Werden Meisterausbildungen in Bayern künftig kostenlos, bleibt abzuwarten, wie genau die Förderung aussehen wird und wer gefördert wird. So besteht nach Ansicht des Bundesverbandes die Gefahr, dass bei einer Förderung der Meisterschulen die Innovationskraft an die Höhe der Fördergelder gekoppelt sein könnte. Um das zu vermeiden, wäre es nach Ansicht des ZVEH zielführender, wenn die Gesamtkosten, die einem/einer Meisterschüler/-in im Rahmen der Meisterfort­bildung entstehen (inklusive Prüfungsgebühren, Material­kosten usw.) übernommen würden. Darüber hinaus könnte der bayerische Alleingang negative Konsequenzen für andere Bundes­länder haben: Sind Meisterfortbildungen künftig nur im Freistaat kostenlos, besteht die Gefahr, dass Meister­schüler/-innen und ggf. auch Lehrpersonal vermehrt nach Bayern abwandern, um in den Genuss der Förderung zu kommen. Das wiederum würde zu einer Schwächung der Meisterschulen in den angrenzenden Ländern führen.

So vorbildlich die Vorreiterrolle Bayerns auch ist: Wünschenswert wäre nach Ansicht des ZVEH ein abgestimmtes Vorgehen der Bundesländer beziehungsweise eine bundesweite Entscheidung pro kostenlose Meisterfortbildung. Dieses wäre ein wichtiges Signal für die Gleichstellung der beruflichen und akademischen Bildung und könnte in Zeiten wachsenden Fachkräftebedarfs ein entscheidender Faktor sein, um mehr junge Menschen für eine handwerkliche Ausbildung zu begeistern.“ Auch die Einschätzung des ZDH wollen wir Ihnen nicht vorenthalten. „Das Handwerk steht ebenso wie die gesamte Wirtschaft vor großen Herausforderungen. Zur Umsetzung der vielen Zukunftsaufgaben – etwa beim Klimaschutz oder der Energiewende – werden qualifizierte Handwerkerinnen und Handwerker dringend benötigt. Damit die notwendige Fachkräftesicherung gelingen kann, müssen mehr junge Menschen als bislang davon überzeugt werden, den Weg der beruflichen Aus- und Fortbildung einzuschlagen. Ein zentrales Element dabei ist, dem System der beruflichen Bildung mehr Wertschätzung und Anerkennung zukommen zu lassen. Dazu gehört insbesondere auch, die Fortbildungsförderung zu verbessern und dadurch gezielt Anreize für die Meisterqualifizierung zu setzen. Gerade auch für die rund 125.000 Betriebsnach­folgen, die allein in den kommenden fünf Jahren anstehen, brauchen wir junge Meisterinnen und Meister, sonst werden diese Betriebe den Generationenwechsel nicht schaffen.

Dass junge Handwerkerinnen und Handwerker – im Unterschied zum akademischen Studium – ihre Fortbildungskosten zu einem großen Teil selbst tragen müssen, muss angesichts dieser Fakten dringend korrigiert werden. Zukünftige Meisterinnen und Meister und Fortbildungsteilnehmer müssen, weitergehend als es bislang der Fall war, von ihren Fortbildungskosten entlastet werden. Die bereits bestehenden Förderprogramme sollten entsprechend erweitert werden, um die noch bestehende Förderlücke für Fortbildungsabsolventen zu schließen. Dass die Bundesregierung im Rahmen der 'Exzellenzinitiative Berufliche Bildung' und in der 'Nationalen Weiterbildungsstrategie' bereits angekündigt hat, das Aufstiegs-Bafög weiter auszubauen, ist ein weiteres wichtiges Signal, um junge Menschen zu Fort- und Weiterbildungen zu motivieren. Den Worten müssen jetzt aber auch Taten folgen: Die Bundesregierung muss nun zeitnah eine Gesetzesnovelle in den Bundestag einbringen, die die rechtlichen Voraussetzungen dafür schafft, angehende Meisterinnen und Meister sowie andere Fortbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmer weitergehend zu entlasten. Schließlich sollten junge Menschen, die motiviert sind, als Selbstständige im Handwerk Verantwortung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu übernehmen, darin bestärkt und auf keinen Fall ausgebremst werden.“

miEI meint: Während der ZVEH konkret Für und Wider ­einer kostenfreien Meisterfortbildung in Bayern einsortiert, scheint man beim ZDH das – aus welchen Gründen auch immer – weder zu können noch zu wollen, hat man sich doch konsequent an unseren Fragen vorbeigehangelt.

Fazit für heute: „Wir brauchen nicht nur Master, wir brauchen auch Meister“, sagte kürzlich Arbeitsminister Hubertus Heil. Dem stimmen wir uneingeschränkt zu. Die Kostenfreiheit der Meisterausbildung wäre da nur konsequent – und sie würde die berufliche Bildung stärken. Aber wird die vollmundige und medienwirksame Ankündigung von Söder ­Realität? Vor anstehenden Wahlen wurde schon viel versprochen; man weiß um die Haltbarkeit solcher Versprechen. Zu hoffen ist es! Notwendig ist dann jedoch eine bundesweit einheitliche Lösung. Schließlich belastet der Fachkräfte­mangel nicht nur Bayern.

Roland Klöffel, Leiter der Geschäftsstelle des Fachverbands Energie- und Gebäudetechnik Deutschland (FEG)/Schweinfurt:

„Erst einmal ist das Vorhaben des bayrischen Ministerpräsidenten, die Meisterausbildung in Bayern kostenlos anzubieten, lobenswert. Dieses Thema wird in Innungen und Verbänden schon seit Jahren diskutiert. Wichtig ist jedoch die sinnvolle Ausgestaltung der Details und der Rahmenbedingungen. Beispielsweise besteht die Gefahr, dass es eine Schwemme an künftigen Meisterschülern und –schülerinnen geben könnte und jeder, der eine Gesellenprüfung bestanden hat, sich dafür einschreibt. Was wiederum Engpässe verursachen würde, denn die Kapazitäten sind allein dadurch, dass die Prüfungen durch die jeweils zuständigen Kammern abgenommen werden, beschränkt. Wenn die Rahmenbedingungen durchdacht sind, könnte von Bayern eine positive Signalwirkung ausgehen, denn dann werden weitere Bundesländer nachziehen.

Roland Klöffel

Zudem: Sich allein auf die Meisterprüfung zu fokussieren, ist meiner Meinung nach zu kurz gedacht. Nur derjenige, der eine Gesellenprüfung erfolgreich abgelegt hat, hat sich formal für einen Meisterkurs qualifiziert. Bekanntermaßen findet jedoch jeder zweite Handwerksbetrieb keine passenden Bewerber für offene Ausbildungsplätze. Es sollten im ersten Schritt mehr junge Menschen für eine berufliche Ausbildung interessiert werden und sie diese erfolgreich abschließen. Initiativen, die erfolgreich gegen den Fachkräftemangel im Handwerk angehen wollen, müssen also eher greifen. 

Man darf bei allem Lob über den Vorstoß nicht vergessen: In Bayern stehen die Landtagswahlen an. Markus Söder hat die kostenfreie Meisterausbildung zum Wahlkampfthema gemacht. Dabei darf es nicht bleiben. Hier müssen wir ihn in die Pflicht nehmen.“