Ergebnisse der Blitzumfrage zum D2C-Vertrieb von Festool

„Direktvertrieb: Festool lässt die Bombe platzen“, titelte 'markt intern' vor drei Wochen (EWG 36/22) und fragte nicht nur bei Marktbegleitern und Einkaufsverbänden an, sondern startete parallel eine Blitzumfrage unter Fachhändlern. Die Reso­nanz aus der Branche war prompt, das sich abzeichnende Stimmungsbild erstaunlich vielfältig. Unmittelbare sowohl schriftliche wie auch telefonische Reaktionen erreichten die 'mi'-Redaktion zu dieser Aussage von René Kruk, Festool-Geschäftsführer D-A-CH-I:

„Wir haben uns gerade erst – anders als manch andere Hersteller – erneut gegen eine direkte Belieferung von Amazon in Kontinentaleuropa ausgesprochen. Unser selektiver Vertrieb sowie unser europaweit einheitliches Preis- und Konditionssystem, u. a. zum Schutz unserer Fachhändler vor Grauimporten, sind uns wichtiger.“ Das führte bei einigen Fachhändlern zu Unverständnis, wie etwa dieser ausführliche Kommentar eines Festool-Partners aus Bayern verdeutlicht: „Amazon wird nachweislich bereits direkt beliefert. Zwar in England, aber das spielt bei Amazon keine Rolle, denn Amazon bietet die Produkte direkt in allen Ländern an. Die Ware wird kurzerhand nach Bedarf zwischen den Amazon-Lägern verschoben. Das wirkt sich bereits jetzt deutlich auf die deutschen Händler aus. Amazon nimmt keine Rücksicht auf Preise, Hersteller, Händler oder das Kartellrecht. Das hat man bei großen anderen Herstellern bereits gesehen. Amazon muss nichts verdienen und wird das Amazon-Angebot natürlich in die Buy-Box bringen und die anderen Anbieter verdrängen.“

Bei einer Überprüfung des deutschen Amazon-Angebots fällt auf: Unter anderem Systainer, Sortainer und Zubehöre werden aktuell mit 'Verkauf und Versand durch Amazon' angeboten. Wir haken in Wendlingen nach, ob eine Geschäfts­beziehung mit Amazon besteht und inwiefern die beschriebenen Praktiken bekannt sind. René Kruk erläutert: „In der Tat gibt es eine Geschäftsbeziehung zwischen Festool und Amazon, die sich auf Großbritannien bezieht. Vertragswidrige Auswirkungen auf Kontinentaleuropa sind uns nicht bekannt.“ Sein Angebot an Sie: Weitere Details erläutert er Ihnen im persönlichen Gespräch, 'mi' vermittelt auf Anfrage den Kontakt.

Zu den weiteren Ergebnissen der Blitzumfrage: Während die Multiple-Choice-Antworten auf die Impulsfragen „Wie bewer­ten Sie diesen Schritt für Ihr Geschäft?“ und „Erwarten Sie Folgewirkungen für die Branche?“ ein sehr deutliches Mehrheitsverhältnis aufzeigen, ergeben die ergänzenden Wortmeldungen der Teilnehmer eine breiter gestaffelte Gemenge­lage; es kommt zudem konstruktive Kritik, auch Selbstkritik auf:  „Lasst uns als Fachhandel ­unsere Hausaufgaben machen und unsere Stärken ausspielen: Vor-Ort-Betreuung, Verfügbarkeit und Service!“ (PLZ 02)  „Es gäbe durchaus Möglichkeiten, den Fachhandel mit partizipieren zu lassen, z. B. durch Auswählen eines Händlers vor dem Bezahlvorgang und damit eine anteilige Summe am Verkauf. Da wurde sich kein Kopf gemacht und die zu erwartenden Umsätze gehen an den Hersteller. Außerdem zweifele ich die versprochene Preisstabilität an. Im Netz wird nach dem billigsten Preis und nicht nach dem besten Anbieter gesucht.“ (PLZ 64)  „Festool hat in den letzten Jahren ohnehin schon viel dafür getan, es dem Fachhandel schwer zu machen. Umsatz­erwartungen und Pflichtschulungen für den stationären Handel und mickrige Margen. Wir raten unseren Kunden zu anderen Produkten und punkten mit unserem Service.“ (PLZ 79)  „Dieser Prozess wurde bereits von langer Hand vorbereitet. Der Handel musste darauf vorbereitet sein.“ (PLZ 47)  „Es ist eine Frechheit von Festool. Jahrelang ist uns versprochen worden, dass dies nicht passiert. Wir überlegen, ob wir weiterhin mit Festool zusammenarbeiten möchten.“ (PLZ 63)  „1. Rabattgutscheine sind preisliche Konkurrenz. 2. Nur weil mehrere Hersteller Direktvertrieb anfangen, ist es noch lange nicht richtig. 3. Es gibt Händler, die an nexmart angebunden sind, für die Retail­Connect eine wichtige Anbindung war (auch hinsichtlich Umsatz), die einige Stunden für die Schnittstelle investiert ­haben und die nahezu alle Artikel darüber angeboten haben. Der Handel wird abgekoppelt. Alleine der Hersteller kann die Vertriebsstrategie festlegen, hier offenbar leider nicht zugunsten des Handels.“ (PLZ 72)  „Ein Herstellershop mit UVP bzw. offiziellen Aktionspreisen hat eher preisstabilisierende Wirkung. Der dort erzielte Umsatz dürfte überschaubar bleiben. Problematisch ist und bleibt der Wettbewerb mit großen Onlinehändlern – das gilt für alle Marken.“ (PLZ 31)  „Mutig von Festool, sie scheinen sich stark genug zu fühlen.“ (PLZ 73)  „Bei Festool hat sich, meiner Meinung nach, das Ganze schon abgezeichnet! Die Bedingungen für den Fachhandel verschärfen sich schon längere Zeit, verdienen kann man schon lange nicht mehr, schon gar nicht, wenn Beratungsgespräche mit Kunden durchgeführt werden. Nicht selten lassen sich Inte­ressenten informieren, kaufen bei Onlinehändlern zu Preisen, welche unter Händlerpreisen liegen. Da überkommt einen schon der Gedanke, dass nicht mehr der Fachhandel, sondern nur mehr Internethandel im Fokus der Betrachtung liegt!“ (PLZ A-52)  „Diesen Schritt zu machen als Firma Festool kann ich verstehen/nachvollziehen, aber wir als Händler werden sie aus dem Sortiment nehmen.“ (PLZ 39)  „Wir werden sehen, ob wir weiterhin Händler bleiben.“ (PLZ 82).

'mi'-Fazit:  „Es steht jedem unserer Systempartner frei, dies anders zu sehen und entsprechend seine Schlussfolgerungen zu ziehen“, entgegnete René Kruk auf die 'mi'-'Vertrauensfrage'. Offensichtlich haben einige dieser Partner nun eine Entscheidung zuungunsten von Festool gefällt  Die Gewinn-­Verlust-Rechnung in Wendlingen kann aber wohl frühestens in einem Jahr aufgemacht werden, wenn der Shop eine Weile gelaufen ist  Die Wendlinger müssen in dieser Zeit unter Beweis stellen, dass die Handelspartner einen Direktshop „angesichts ihres umfangreichen Leistungsspektrums, gerade für die professionellen Kunden, doch überhaupt nicht fürchten“ brauchen  Wir beobachten die Entwicklung weiterhin genau und halten Sie auf dem Laufenden.

'mi'-Bericht zu Festool-Direktvertrieb sorgt für Diskussionsstoff auf der EISENWARENMESSE

Verzettelt: Henning Heesen auf dem EISENforum

Die 'markt intern'-Berichterstattung zum Festool-Direktvertrieb schlägt hohe Wellen — auch auf dem Kongressprogramm der EISEN­WARENMESSE. Henning Heesen, CEO Market­supply, möchte mit seinem Vortrag 'Wie man D2C international skalierbar über Marktplätze aufbaut' am Messemontag „­Impulse setzen vor allem für Hersteller, um international zu wachsen, zu skalieren über Marktplätze“. Dabei geht er auch auf das 'mi'-Streitgespräch mit Festool ein, „speziell weil Hersteller das Riesenproblem haben, direkt zu verkaufen.“ Die 'mi'-Fragen, so Heesen, kommen „uns im eCommerce, bzw. mir, wie Mittelalter vor — und so ist es auch“. Hört, hört: Die deutsche eCommerce-­Landschaft ist also geschlossen seiner Ansicht — und die ist in jedem Fall richtig. Heesen jedenfalls findet das Thema und die Aufbereitung sichtlich amüsant — zumindest bis zur Antwort René Kruks auf die 'mi'-Frage nach Marktplatzaktivitäten, deren Belieferung Festool mit gutem Grund in Kontinentaleuropa ausschließt. Die Argumentation schmeckt Heesen dann offensichtlich nicht, ist ja auch nicht förderlich für sein Geschäftsmodell: „Dann kriecht Festool, finde ich, wieder so ein bisschen zurück in die Steinzeit.“ Er ist der Meinung: Jeder sollte auf Marktplätzen verkaufen, „weil jeder von uns dort kauft“. Schon dabei verzettelt er sich gleich im Folgesatz: „Jeder kauft auf Onlineshops und die ­Mehrheit kauft nur auf Onlineshops.“ 'mi' meint:  Die gegensätzlichen Aussagen Heesens sprechen nicht für Glaubwürdigkeit, die von Kruk angeführten Argumente gegen einen Marktplatzvertrieb (selektiver Vertrieb, euro­pa­weit einheitliches Preis- und Kondi­tionssystem, Schutz vor Grauim­porten) lässt er dezent links liegen  Antworten auf die weite­ren von 'mi' aufgeworfenen Problem­punkte — z. B. Hoheit über Kunden­daten, Umsatzverschiebung — finden ebensowenig Berücksichtigung  Ob eine Handelsmesse tatsächlich die richtige Bühne ist für jemanden, der die Industrie zum uneingeschränkten Direktverkauf über Marketplaces und Ablösung der Handelsstufe drängt?  Da sollte die Koeln­messe in der Nachbereitung noch einmal die Priori­täten und Zielgruppen der Veranstaltung klären. Für 'mi' ist nur schwer vorstellbar, dass Händler — egal, über welche Kanäle sie verkaufen — den Weg nach Köln antreten, um Lobeshymnen auf den Direktvertrieb auf Marktplätzen zu ­hören, anstatt zukunftsfähige Lösungsansätze für den drei­stufigen Vertrieb.