Festool-Direktvertrieb: Der Bruch mit dem Fachhandel? — Ein Streitgespräch —

Festool galt lange als Bastion des Fachhandels. Nun gehen die Wendlinger als erste Profi-Werkzeugmarke den Schritt in den Onlinedirektvertrieb – eine Einbindung der Fachhandelspartner ist nicht geplant. 'mi'-Chefredakteur Robin Meven führte ein intensives Streitgespräch mit René Kruk, Festool-Geschäftsführer Deutschland, Österreich, Schweiz und Italien, zur folgenreichen Causa Festool.

'mi': Mit der Einführung des Onlinedirektvertriebs tritt Festool in direkten Wettbewerb zum Fachhandel. Wie lässt sich dieser Schritt mit der propagierten fachhandelsorientierten Vertriebsausrichtung vereinbaren?

René Kruk:„In der Tat eröffnen wir mit dem Festool-Onlineshop einen zusätzlichen Vertriebskanal, was aus einem deutlich veränderten Kundenverhalten resultiert. Uns erreichen immer mehr Anfragen von Kunden, die aus unserem vollständigen Sortiment auch originale Maschinen, Zubehörteile und Verbrauchsmaterialien schnell und einfach bei uns bestellen möchten. Bei Ersatzteilen ist dies bereits seit weit über zehn Jahren der Fall, bislang via Telefon, Fax oder Mail. Das ändert nichts daran, dass unsere Systempartnerhändler auch in der Zukunft unsere mit weitem Abstand wichtigsten Absatzmittler bleiben werden. Dies allerdings vor dem Hintergrund neuer Rahmenbedingungen. Was in anderen Branchen seit 10 bis 15 Jahren gelebte Praxis ist, kommt jetzt auch auf die Elektrowerkzeuge zu. Betrachten wir nur Laptops, Smartphones, Unterhaltungselektronik oder Elektrohaushaltsgeräte. Dort sind die Marken die Ausnahme, bei denen der Kunde nicht direkt bestellen kann. Ob uns das gefällt oder nicht, diesen Trend werden wir nicht aufhalten! Was wir hingegen im Zuge unserer mehr denn je gültigen Fachhandelsorientierung auf absehbare Zeit ausdrücklich nicht machen werden, ist, anders als viele andere namhafte Elektrowerkzeughersteller, bei Direktvertreibern, in Baumärkten oder bei Discountern präsent zu sein.“

'mi': Ein beim Hersteller erworbenes Produkt wird nicht mehr im Fachhandel gekauft. Während Festool so Kundendaten abgreift und dem Handel aktiv Geschäft entzieht, werden zeitgleich regelmäßige Umsatzsteigerungen eingefordert. Entspricht das Ihrer Definition einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit?

René Kruk:„Mit Einführung des Internets und zuletzt der mobilen Endgeräte sind die Zeiten des exklusiven Kundenzugangs für den Handel vorüber. Kunden und besonders Angehörige der gerade in das Berufsleben eintretenden Generation Z entscheiden selbst, mit wem sie wann wie in Kontakt treten wollen. Jeder von uns kann dies an seinem eigenen privaten Verhalten nachvollziehen. Wir entziehen dem Fachhandel kein Geschäft, sondern wir bieten Kunden, die danach suchen, eine zusätzliche Bezugsmöglichkeit an. Als Premium-Markenhersteller ist es natürlich unser Bestreben, die heutzutage notwendigen Werbeeinwilligungen zu erhalten, um unsere Botschaften direkt beim Kunden zu platzieren. Das ist für uns einer der wichtigsten Gründe für den eigenen Onlineshop! Was wir hingegen unter partnerschaftlicher Zusammenarbeit verstehen, beweisen wir unseren Festool-Händlern sehr anschaulich für das Jahr 2023. Wir machen genau das Gegenteil von dem, was Sie beschreiben. Wir fordern keine Umsatzsteigerung mehr! Wir haben verstanden, dass das nächste Jahr für alle Beteiligten sehr herausfordernd wird. Die Lieferkettenprobleme werden anhalten, die Inflation wird sich fortsetzen und insgesamt müssen wir mit nachlassender Kaufneigung rechnen. Daher verzichten wir auf die bisherigen Wachstumsziele und honorieren stattdessen das Engagement unserer Händler mit einer Abverkaufsprämie je verkaufter Maschine. Zudem werden unsere Fachhandelspartner durch unsere hochmotivierten und professionellen Außendienstmitarbeiter intensiv im Alltag unterstützt. Im nächsten Jahr warten dazu viele innovative Neuheiten, gerade im 18-Volt-Segment, die für zusätzliches Geschäft im Handel sorgen werden. Professionelle Anwender schätzen unsere überzeugende Produktqualität, unsere einzigartige Kompetenz in den Gewerken Holz und Maler sowie unseren herausragenden Service. Kurz, bei Festool kommen die Kunden zum Händler zurück, nicht das Produkt!“

'mi': Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche Festool-Vertriebspartner das als Vertrauensbruch und Affront sehen werden. Zu Recht, wie 'markt intern' meint. Mit dem Verlust wie vieler Vertriebsmittler, mit Umsatzeinbußen in welcher Höhe rechnen Sie in den kommenden zwei Jahren?

René Kruk:„Man könnte von Vertrauensbruch oder Affront sprechen, wenn wir in einen preislichen Wettbewerb mit unseren Fachhändlern gingen. Dies ist aber ausdrücklich nicht der Fall! Wir orientieren uns an den unverbindlichen Preisempfehlungen, da diese aus unserer Sicht den Wert des jeweiligen Produktes widerspiegeln. Was wären diese wert, wenn wir selbst mit aggressiven Preisen in den Markt gingen? Zukünftig können wir uns jedoch vorstellen, dem Kunden im Rahmen von Marketingaktionen bei gewissen Produkten Rabattgutscheine anzubieten. Oder es mag Nachlässe auf Rückläufer, Restposten oder Überbestände, die wir selbstverständlich zuvor unseren Händlern angeboten haben, geben. Aber nochmal, wir treten mit diesen nicht in preisliche Konkurrenz! Es steht jedem unserer Systempartner frei, dies anders zu sehen und entsprechend seine Schlussfolgerungen zu ziehen. Aber viele, viele Händler müssen einen Herstellershop, der sich am UVP orientiert, angesichts ihres umfangreichen Leistungsspektrums, gerade für die professionellen Kunden, doch überhaupt nicht fürchten. Zudem, wenn ich mir heute den konsumnahen Hartwarenhandel ansehe, dann gehe ich auch in unserer Branche von einer zukünftigen Koexistenz von Hersteller-Onlineshops und Fachhandel aus. Außerdem glaube ich, dass es weitere Elektrowerkzeughersteller im Direktvertrieb geben wird. Im Ausland existieren bereits Hersteller-Onlineshops, da ist eine deutsche Variante schnell angelegt. Auch die aktuell wachsenden Service-Center mit Showroom-Funktion lassen sich vermutlich recht schnell mit Kassensystemen ausstatten.“

'mi': Die Lieferfähigkeit ist seit bald zwei Jahren global massiv eingeschränkt, eine Normalisierung derzeit nicht zu erwarten. Welchen Anteil der verfügbaren Waren werden Sie zum Vorteil des Direktgeschäfts vorhalten?

René Kruk:„Da sprechen Sie zu Recht ein ganz wichtiges Thema an. Wir starten bewusst in mehreren Schritten, zuerst Ersatzteile, im November Festool Fanshop-Artikel und erst Ende Q1 des nächsten Jahres das komplette Sortiment. Bis dahin rechnen wir wieder mit einer deutlich besseren Lieferfähigkeit. Für den Onlineshop greifen wir auf unser normales Lager zurück, d. h. der Kunde kann ein Produkt nur dann bei uns kaufen, wenn wir auch ausreichend Ware für unsere Händler haben. Anfänglich werden wir durch den Onlineshop neue Prozesse erlernen und andere optimieren. Dabei denke ich besonders an die Logistik. Auf der Zeitachse werden dadurch sicherlich auch unsere Handelspartner profitieren.“

'mi': Parallel zum D2C-Shop erfolgt die Abschaltung der Retail Connect-Anbindung. Damit fehlt die Weiterleitung der potenziellen Käufer zum Fachhandel. Die Loslösung vom qualifizierten Fachhandelskanal schadet doch nicht nur den Vertriebspartnern, sondern auch der Marke Festool!?

René Kruk: „Zunächst möchte ich festhalten, dass heute nur einige wenige Händlershops über die nexMart-Schnittstelle angebunden sind. Die breite Masse unserer Systempartner ist davon überhaupt nicht betroffen. Zudem ist unser Ansatz ein anderer. Wir haben rund 2.500 Verkaufsprodukte, darunter knapp 350 Einzelartikel bei Maschinen. Kein Händler in Deutschland hat unser gesamtes Sortiment mit den kompletten Systemlösungen gelistet. Im Gegenteil, häufig werden nur die Schnelldreher gezeigt, was gerade bei Zubehör und Verbrauchsmaterialien dazu führt, dass es in der Praxis kein Kaufangebot für den Kunden durch die nexMart-Anbindung gibt. Nur wir als Hersteller können das gesamte Sortiment anbieten. Auch wissen wir nicht, was heute nach der Weiterleitung in den Händlershop geschieht. Wird der Kunde wirklich zum Kaufabschluss geführt oder werden ihm vielleicht Angebote anderer Hersteller gezeigt?“

'mi': Zu welchem Zeitpunkt ist der Direktverkauf über Marktplätze wie Amazon, eBay, ManoMano, Check24 o. ä. geplant?

René Kruk:„Wir haben uns gerade erst – anders als manch andere Hersteller – erneut gegen eine direkte Belieferung von Amazon in Kontinentaleuropa ausgesprochen. Unser selektiver Vertrieb sowie unser europaweit einheitliches Preis- und Konditionssystem, u. a. zum Schutz unserer Fachhändler vor Grauimporten, sind uns wichtiger. Das verstehen wir unter Fachhandelsorientierung! Bezüglich der anderen genannten Plattformen sehe ich keinen Direktverkauf von Festool.“