Heftige Kritik an 'Corona-Notbremse': Aktionen und Zusammenschlüsse machen auf die Not des Handels aufmerksam

Die Stimmen gegen die Politik der Bundesregierung werden immer lauter. Es geht bei vielen schlichtweg um die Existenz. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth meint dazu: „Es ist nicht zu verstehen, warum sich das Bundeskabinett entgegen wissenschaftlicher Erkenntnisse für Verschärfungen zulasten des Einzelhandels im Infektionsschutzgesetz entschieden hat. Beim Einkauf besteht nachgewiesenermaßen nur ein geringes Infektionsrisiko. Es gibt also überhaupt keinen Grund, die Nicht-Lebensmittel-Geschäfte in Gebieten mit einer Inzidenz über 100 wieder völlig zu schließen, Click & Collect zu verbieten und strengere Begrenzungen für die Kundenzahl im Lebensmittelhandel zu erlassen.“

Immer mehr Aktionen, die auf die teils inzwischen dramatische Lage im Facheinzelhandel etc. aufmerksam machen, formieren sich. Unter dem Stichwort 'Jetzt reicht's' bündelt beispielsweise die Aktion wir-stehen-zusammen.com Kritik von inzwischen über 3.300 Unternehmen mit fast 40.000 Arbeitsplätzen in folgenden Worten: „In der Corona-Krise wurden durch zwanghafte Eingriffe, einseitige Darstellungen und inzwischen offensichtliche Hinhalte-Strategien, unter Ausblendung von gesellschaftlichen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgeschäden, Vertrauen und Glaubwürdigkeit vollständig verspielt. […] Wir fordern, dass die Politik […] eine positiv gestimmte Grundhaltung annimmt. Freiheit und Selbstbestimmung muss vor Regulierung und Zwang stehen. Unsere Freiheit und unser Wohlstand stehen auf dem Spiel. Wirtschaft und Gesellschaft florieren nur dann, wenn die Gesellschaft frei in ihren Gedanken und Handlungen ist, sie gehen zugrunde, wenn Vorschriften und Bürokratie die Überhand gewinnen. Nur die Politiker, die sich als Diener einer freien Gesellschaft verstehen, verdienen unsere Unterstützung, da die Politik kein Selbstzweck sein kann. Wir werden nicht aufhören, für unsere Selbstbestimmung und Eigenverantwortung zu kämpfen und werden unsere Mitarbeiter und Mitbürger auffordern und motivieren, es uns gleich zu tun.“

Die regionale Initiative 'Ostbayern sieht schwarz' fordert: „Wir brauchen jetzt Perspektiven! Jetzt Kitas, Schulen und Einzelhandel öffnen!“ Sie hat sich eigenen Angaben nach aufgrund der neuerlichen Regelungen formiert, „welche die gesamte ostbayerische Region stigmatisiert und ausgrenzt“. Die Unternehmensgruppe Frey (Modehaus), Joska Bodenmais (Glaskunst) und das Modehaus Garhammer haben Anfang März in einem Brandbrief an die Bayerische Staatsregierung ihrem Ärger Luft gemacht (https://t1p.de/Brandbrief). So heißt es: „Gemeinsam wollen wir ein Zeichen setzen und verstärkt auf die bedrohliche Lage unserer Region hinweisen. Mit 'Ostbayern sieht Schwarz' bieten wir eine Plattform an, die zum Mitmachen einlädt.“ So wurde in diesem Zusammenhang der sogenannte 'Schwarze Freitag' am 19. März 2021 kreiert. Eine Aktion, der sich auch Ihr Kollege Andre Dünnbier von Foto Dünnbier in Hauzenberg angeschlossen hat.

Er erzählt uns: „Wir in Ostbayern haben hier ein ganz besonderes Problem, wir liegen nämlich in unmittelbarer Grenze zu Tschechien. Alles, was jetzt entschieden wurde, gilt bei uns schon seit Oktober 2020. Eine der größten Firmen hier, das Modehaus Garhammer, ist da sehr engagiert. Sie hat sich mit den Firmen Frey und Joska zusammengetan. Ich hab das als gut befunden und mich daher auch bewusst an der Aktion 'Schwarzer Freitag' beteiligt. Das heißt, wir haben die Schaufenster abgehängt und so unter anderem auf die Situation für uns aufmerksam gemacht. Bei der und auch an weiteren Initiativen dieser Art handelt es sich nicht um Demos, es geht nicht um politisches Agieren, sondern um das reine Aufmerksammachen auf unsere Situation. Wir leben aktuell im Nirwana von Verschiebung zu Verschiebung.“

Wenn Foto-Unternehmer ihre Geschäfte wieder frei öffnen dürfen, geht es nicht einfach wieder weiter, merkt Dünnbier an. Die Branche lebt von Aufträgen, von Veranstaltungen, auch diese müssen erst wieder anlaufen, bevor etwas im Fotografie-Bereich weitergehe. Auch gibt es unterschiedliche Auskünfte zur Frage, ob nun im Einzelfall ein negativer Corona-Test vonnöten ist oder nicht. Schriftlich will aber kein Amt etwas herausgeben. Eine unbefriedigende Situation für alle Beteiligten. „Grundsätzlich bin ich einverstanden mit der Politik“, erklärt uns Dünnbier. „Ich möchte kein Politiker und kein Virologe sein. Auch kenne ich inzwischen Menschen, die an Corona gestorben sind, und es sind nicht nur die Alten. Andererseits befindet sich mein Geschäft Wand an Wand mit dem Drogerie-Markt Müller. Dort können die Kunden ohne Beschränkungen ein- und ausgehen. Wir kleinen Geschäfte können das genauso hinbekommen! Hinzu kommen die ganzen Non-Food-Geschichten in den Supermärkten etc. – das ist für uns alle tödlich. An dieser Stelle müsste es von der Politik so etwas wie ein Fairness-Paket geben oder Security bzw. eine Ampel bei Aldi & Co., die anzeigt, dass genug Kunden im Geschäft sind. Da ist von der Politik mehr Weitsicht gefragt und vor allem Verhältnismäßigkeit. Wir Kleinen kämpfen schon ums Überleben.“

Die Stimmung unter den Händlern ist vornehmlich gedrückt. Kein Wunder, wir sind im 3. Lockdown, und die Situation scheint sich absehbar nicht zu bessern. „In Anbetracht der Umstände geht es uns dennoch gut“, erklärt uns Fotografenmeister Thomas Matschewsky von Hollywood Photostudios in Chemnitz. „Von der Stadt Chemnitz gibt es ja aktuell eine Ausnahmegenehmigung, dass alle Läden geöffnet haben dürfen – an die Bedingung eines tagesaktuellen Tests für die Kunden geknüpft. Das wird auch gut angenommen. Das ist wirklich interessant, die Leute machen da voll mit. Vor unserem Geschäft steht so ein Würfel. Da stehen die Leute Schlange [siehe Foto oben, Anm. d. Red.]. Ich habe selber gestaunt, da ich davon ausgegangen bin, dass es die Menschen eher abhält. In anderen Regionen hingegen, nehmen das die Leute nicht an, wie ich von Kollegen höre.“ Matschewsky hat Bedenken, wie das dann alles wird, „wenn Frau Merkel sich mit ihren Plänen durchsetzt.“ Dann werde die Stadt wieder tot sein, meint er. „Wir haben uns inzwischen an die Situation gewöhnt. Oder vielmehr muss man sagen, man resigniert. Wir haben bei weitem nicht den Umsatz, den wir sonst haben, aber wenigstens die Hälfte davon. Da bin ich schon einer der wenigen, dem das gelingt. In diesem Jahr scheinen viele Krankenkassenkarten abzulaufen, wir haben daher viel Zulauf an Passbild-Kunden.“ 99 % der Kunden verstehen die Maßnahmen rund um das Einkaufen nicht, erzählt er weiter. „Im Einzelhandel wird so ein Aufwand betrieben und im Konsum gegenüber drängeln sich die Leute. Diese Unterschiede, die da gemacht werden, verstehen die Leute nicht.“ Wenn er eine Botschaft an die Politik senden könnte, wäre es folgende: „Alle Geschäfte sollten öffnen – unter Einhaltung der Hygienevorschriften. Ganz einfach.“

„Vom Geschäft her läuft es hier gut“, sagt ein langjähriger Branchenteilnehmer mit Ausrichtung auf Passbilderstellung aus einer großen Metropole im Osten der Republik. „Sicherlich ist es weniger als zuvor, aber es ist dennoch gut. Der Bedarf an Passbildern ist nach wie vor da. Das Problem ist, dass die Bürgerämter zu wenig Personal haben und die Leute zu lange auf ihre Termine warten müssen. Wir haben auf. Zum Glück sind wir ein handwerklicher Betrieb. Wir vergeben keine Termine, die Kunden können spontan kommen. Natürlich halten wir uns an die gegebenen Hygienevorschriften und achten auf das Tragen von Masken etc. Dass die Stimmen gegen die Politik immer lauter werden, hat mit der Wirtschaft zu tun. Ich möchte kein Politiker sein zur Zeit. Aber was soll ich sagen, wir können es eh nicht ändern und müssen die Regeln aktuell so hinnehmen. Meiner Meinung nach könnte man mehr im Handel wagen. Die Infektionsraten kommen nicht aus dem Handel, sondern aus anderen Bereichen. Aber was da richtig ist und was falsch, ist schwierig zu beantworten.“

Uwe Reinert, Inhaber vom Fotostudio Picturemakers in Düsseldorf, hatte die ganze Corona-Zeit über sein Geschäft geöffnet. „Das war ein großer Vorteil“, verrät er uns. „Das hat uns geholfen, nicht einzubrechen.“ Die Hygieneregeln trägt er selbstverständlich mit, sie sind selbst auf seiner Website unter https://www.picturemakers.de/ verankert. So heißt es dort: „Auch während der 3. Corona-Welle haben wir für unsere Kunden geöffnet! Wir sind Dienstleister und kein Einzelhandel. Punkte, die bei uns immer schon Standard waren und jetzt verstärkt werden: 1. Wir arbeiten überwiegend mit festen Terminen. 2. Unser Studio ist weiträumig genug; so dass wir ausreichend Abstand halten können. Es gibt bei uns keine Warteschlangen, da Shootings nur nach Termin durchgeführt werden. 3. Eventuell zeitgleich wartende Kunden für Passbilder können mit mehr als 2 Metern Abstand in unserem Eingangsbereich Platz nehmen. 4. Auf eine Begrüßung mit Handschlag wird verzichtet. 5. Oberflächen wie Schreibtische, Sessel, Stühle, das EC-Gerät usw. werden mehrfach täglich desinfiziert. Die Kontaktnachverfolgung ist in unserem Studio auch über die Luca-App möglich. Bleiben Sie gesund!“

Pass- und Bewerbungsbilder werden nach wie vor gebraucht, so Reinert. Auch die Iris-Fotografie und die Position als Annahmestelle für Mediafix hat das Unternehmen durch das letzte Jahr gebracht. „Es gab keine Veranstaltungen, keine Junggesellenabschiede – alles war plötzlich weg“, sagt er. „Unsere Fotobox steht ungenutzt im Geschäft. Wir stehen Gewehr bei Fuß – es muss nur erst wieder gefeiert werden.“ Die Corona-Maßnahmen trägt der Kollege mit und sagt. „Ich halte die für sinnvoll.“ Richtung Politik erklärt er: „Die sollen vernünftig einkaufen – die Impfstrategie passt einfach nicht. Jemanden von der Bundesrepublik mit dem Einkauf zu beauftragen, ist zum Scheitern verurteilt. Die Hygienekonzepte greifen, ich frage mich, warum sollte man die Geschäfte geschlossen halten? Wir arbeiten mit der Luca-App, das ist ganz easy – warum können das nicht alle machen?“ Reinert bleibt positiv, denn „schlimmer kann es ja nicht werden“, und lacht. „Anders würde ich wohl antworten, wenn ich Gastronom wäre, aber wir sind Dienstleister, da sehe ich nicht schwarz.“

Die 'Bundesnotbremse' – richtiger, das 4. Infektionsschutzgesetz (IfSG) – ist beschlossene Sache. Noch während der Bundestag über die Gesetzesnovelle beriet, standen allerdings schon die ersten Verfassungsklagen fest. Abseits von den vielfach geäußerten Kritikpunkten zum Eingriff in die freiheitliche Gestaltung des Privatlebens und zu den als überzogen empfundenen Maßnahmen im Bildungssektor, sind bundesweit einheitliche Regelungen mit Augenmaß und vor allem eine realistische Öffnungsperspektive grundsätzlich ja sinnvoll und dringend angebracht. Die Diskussionen werden immer lauter. Das Für und Wider wird abgewogen. Zum Teil fühlt es sich bei den Debatten gar an wie in einem schlechten Film. Alle diejenigen, die auf den sozialen Medien die Kampagne #allesdichtmachen, bei der über 50 Schauspieler auf ironische Weise ein Statement zu den Corona-Maßnahmen in Deutschland setzen, verfolgt haben, können sich ein Bild davon machen, wie die Situation Menschen spalten kann. Doch Spaltung bringt uns an dieser Stelle nicht weiter, denn wir sind alle in der aktuellen Situation gefangen. Die Maßnahmen gelten einem höherem Zweck und zwar dem Schutz von Menschenleben. Über Einzelheiten kann und muss diskutiert werden, keine Frage. Was würden Sie der Politik zur Zeit gerne mal sagen?

Herausgeberkommentar von Olaf Weber

Merkels 'Notbremse' ist ein Dauerlockdown ins Nirgendwo 'markt intern' unterstützt Verfassungsbeschwerde(n)

„Trotz vieler mahnender Stimmen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am 21. April 2021 die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Bundestag »durchgepeitscht« (BILD). Gegen die erheblichen Verschiebungen in der Gewaltenteilungskonstruktion des Grundgesetzes zugunsten der Bundesregierung und zulasten der Bundesländer, Landkreise und Kommunen stimmten in der nicht namentlichen Abstimmung mindestens große Teile der AfD, der FDP- sowie der Linken-Abgeordneten, natürlich jeweils aus etwas anderen Gründen. Die FDP kündigte sogar unmittelbar zuvor Verfassungsbeschwerde an. Während den Grünen das Gesetz teils nicht weit genug ging und sie sich deshalb enthielten, votierten umgekehrt fast alle Parlamentarier aus Union und SPD für den Gesetzentwurf. Sie stellten sodann auch die notwendige Mehrheit. Sämtliche vorherigen Änderungsanträge der Opposition wurden im Übrigen abgelehnt.

Die Regierungskoalition stellt damit ihr Fähnlein in den Wind der öffentlich-besorgten Stimmung, trotz vereinzelter und sogar zunehmender Kritik von vielen Seiten, darunter eine Vielzahl von namhaften Verfassungsrechtlern, Wissenschaftlern und Ärztegruppen. Das Super-Wahljahr lässt grüßen. Pardon nein, selbstverständlich stand vorrangig die Verhinderung von weiteren Kranken und Corona-Toten im Fokus der Gesetzesbefürworter. Die Bundeskanzlerin kann aufgrund des grundsätzlich legitimen Anliegens davon ausgehen, dass ein bedeutender Teil der Bevölkerung hinter der Ausweitung ihres Handlungsspielraums steht, der sie und ihr Kabinett zum 'Durchgreifen' gegenüber den vermeintlich zaudernden Landesfürsten, bockigen Landräten oder experimentierenden Bürgermeistern ermächtigt. Der Blick auf frühere eigene Versäumnisse, wie das Auslagern des Impfstoffbeschaffungsmanagements auf die EU-Ebene, das Unterlassen jeglicher Anstrengungen zur Erforschung tatsächlicher Übertragungswege, die sträfliche Ignoranz im Festhalten an der landauf wie -ab kritisierten Inzidenz ohne Bezug auf die Zahl der explodierten Testungen, die Fixierung auf eine kleine, dafür aber höchst einseitige Beratergruppe (NoCovid bzw. ZeroCovid) unter Auslassung einer Vielzahl weiterer wichtiger Sichtweisen auf die Pandemiefolgen, fielen somit unter den Tisch, stattdessen wurde nun der Bock zum Gärtner gemacht. […]

Den kompletten Kommentar können Sie hier nachlesen.