Foto Wöhrstein: Umzug und Konzeptänderung mitten in der Coronakrise

Sie kennen wahrscheinlich Ihren Kollegen Reiner Wöhrstein, Inhaber von Foto Wöhrstein in Singen, unter anderem als Preisträger auf der 'markt intern'-Bühne. 2019 wurde er für seine Idee mit der Kampagne „Kennen Sie Paul?“ prämiert. Wöhrstein ist ein Mann, der seit Jahrzehnten in und für die Foto-Branche lebt, sich einbringt und offen seine Meinung kundtut. Wir sprechen mit dem Unternehmer über die aktuelle Corona-Situation, den Umzug seines Geschäfts mitten in der Coronakrise ins Singener Einkaufszentrum, sein neues Konzept und die Herausforderungen in der Foto-Branche.

'markt intern': Wie geht es Ihnen aktuell? Wie wirkt sich die momentane Corona-Situation auf Sie persönlich und auf Ihr Geschäft aus? Wöhrstein:„Ich habe praktisch alle Krisen in der Branche und die große Finanzkrise mitgemacht. Aber diese Krise sprengt alles und in jeder Hinsicht, im Negativen! Synchron dazu einen neuen Laden zu bauen, samt komplettem Umzug mit Neustart und dann von der Coronakrise erwischt zu werden, das ist mehr als heavy: Physisch, psychisch und finanziell. Aber: ich bin fit, Sportler und kann ganz gut managen. Auch schlafe ich noch gut!“

'markt intern': Sie haben Ende letzten Jahres Ihren Umzug ins Einkaufszentrum CANO geplant. Wie hat sich dieser in der Krise gestaltet? Wöhrstein:„Im Oktober 2020 hatten wir per Räumungsverkauf so gut wie alles rausverkauft. Der neue Laden im CANO wurde zeitlich in Punktlandung fertiggestellt, doch dann platzte die Eröffnung des Shoppingcenters: Baustopp, da viele Bauarbeiter Covid-positiv waren. Im Dezember dann Eröffnung, dann nach vier Tagen staatlich verordneter Schließung durch Lockdown, praktisch bis heute. Wir gehen nun in den 6. Monat ohne stationären Handelsumsatz! Studio und 'Click & Connect/Meet' sind auf Sendung.“

'markt intern': Warum haben Sie sich trotz anfänglicher Skepsis entschlossen, mit Ihrem Geschäft in ein Einkaufszentrum zu ziehen und warum denken Sie, Sie sind mit Ihrem Geschäft dort richtig? Wöhrstein:„Mit 45.000 Einwohnern in Singen an der Schweizer Grenze waren wir bis dato in 1a-Lage in der City mit einem tollen Ladenlokal. Trotzdem hatten wir enormen Frequenzverlust: durch die bekannte Entwicklung der Foto-Branche, aber auch durch die 'Ausfransung' der Innenstadt, wie das in fast allen Städten geschieht. Nach meiner Meinung funktioniert der Handel nur noch in Triple-A-Lage. Durch die Ansiedlung des CANO mit 17.000 qm Shoppingfläche wird das in Singen nochmals konzentriert. Daher habe ich mich nach professioneller Unternehmensberatung zu einer Konzeptionsänderung und zum Umzug ins Center entschieden.“

'markt intern': Was haben Sie konzeptionell geändert? Wöhrstein:„Die Situation in der Foto-Branche: deutliche Schrumpfung der Kameraartikel sowie Mietkonditionen in einem Shoppingcenter lassen keinen 'üppigen' Umgang mit Flächen zu. Wir haben daher ein Konzept 'zurück in eine kompakte Zukunft' erarbeitet: Die bisherige Fläche mit 250 qm wurde halbiert, ohne dass dadurch inhaltliche Positionen aufgegeben wurden. Im 'Retro-Lagerstil' auf kompaktester Fläche haben wir alle noch wichtigen Kamerahersteller mit komplettem Kernsortiment präsent. Digitaler Bilderdienst komprimiert in der Eingangssituation, ein Passbild- und Bewerbungsstudio mit allen digitalen Features, sowie als Sahnestückchen ein digitales Fotostudio mit Digitallounge. Das Ganze haben wir gegenüber dem bisherigen Auftritt auf exakt der halben Fläche untergebracht. Selbst großen Plotter und Bearbeitungslounge haben wir konzentriert untergebracht. Mit der Koppelung des Digitalstudios und offenen Traversen, dem in die Mall hinausleuchtenden Theatervorhang, der anmutenden Lounge, den digitalen Leistungen und einem komplett offenen Ladenzugang ohne Türen und Glas locken wir den Kunden zum Reinschauen.“

Die Idee und das Konzept dieses kleinen Retro-Fotoladens hatte Wöhrstein schon länger im Kopf, wie er uns erzählt. „Bei einem meiner Marathons in New York entdeckte ich in der Bronx einen schnuckelig-kleinen Fotoladen eines alteingesessenen Fotohändlers. Da war auf 60 qm alles vorhanden. Und irre angenehm hautnah! Stöbern, gucken, quatschen, einfach ein nettes Häppchen. Das war meine emotionale Idee für 'kompakt in die Fotozukunft, by wöhrstein ... '.“

'markt intern': Man findet Sie im Basement. War das eine bewusste Entscheidung, oder eine aufgrund der Kosten? Wöhrstein:„Wegen beidem! Wie schon gesagt: ich habe mich professionell beraten lassen. Ich wollte in EG oder OG. Das ist deutlich teurer! Aber meine Berater sagten: Du hast im Basement den größten deutschen Drogeriemarkt mit 3.000 qm fast direkt neben dir und direkt neben dir noch einen edlen 2.000 qm Edeka-Markt und noch einen weiter 1.000 qm Lebensmittel-Discounter. Das ist Frequenz ohne Ende. Da musst Du hin! Und das ist komplett richtig! Die Profis von CANO rechnen mit 18 – 20 Tsd. Kunden je Tag, und wenn die Schweiz wieder offen ist, dürfte das passen. Die ersten geöffneten Tage (vor Lockdown) haben die Prognosen mehr als bestätigt.“

'markt intern': Was ist momentan die größte Herausforderung für die Foto-Fachhändler und -Studios? Wie stellt man sich heute Ihrer Meinung nach in der Foto-Branche zukunftsfähig auf? Wöhrstein:„Die Branche ist in ihrem größten Umbruch. Es ist nun schon ein quälend leidiger Satz: Smartphone & Co. hat alles verändert. Und das geht weiter: Foto wird eine Nische. Wer es richtig versteht, nutzt es als edle Nische. Andere schlagen sich mit Amazon und eigenem Webshop, aber der Markt ist für alle 'noch' Agierenden zu klein. Im Kameramarkt werden sich die Hersteller vermutlich noch bei künftig max. 70 – 100 Händlern engagieren. Unser Weg wird sein: 'Klein & fein, kompakt das volle Sortiment', und starke Konzentration auf digitales Studio und Dienstleistung.“

'markt intern': Gibt es eventuell etwas, das Sie Ihren Kollegen im Foto-Fachhandel bzw. in den -Studios mit auf den Weg geben möchten? Wöhrstein:„Exakte Standort- und Marktanalyse. Die Nische nutzen mit einem individuellen Konzept. Es gibt kein 'Allrounder'-Konzept.“

Auch wenn man es fast meinen könnte, die Corona-Situation geht ebenso an dem erfahrenen Unternehmer nicht vorbei. Aufgeben ist keine Option, vielmehr müssen bestehende Konzepte neu überdacht und gegebenenfalls angepasst werden. Gerade in herausfordernden Zeiten wie diesen, aber auch im Laufe der Zeit, die selbst ohne Corona im stetigen Wandel ist, ist man mit Anpassungsfähigkeit gut beraten. Professionelle Unterstützung von außen kann durchaus durch einen objektiven Blick hilfreich sein. Reiner Wöhrstein macht es vor und verkleinert sein Geschäft nach ausgiebiger Planung sogar. Wir wünschen ihm an dieser Stelle für den neuen exklusiven Shop alles erdenklich Gute und viel Erfolg! Auf dass bald wieder Normalität herrschen wird!