Gutschein-Erfolg in Bocholt: Wie aus einer Million Euro fünf Millionen Euro Umsatz für den Handel wurden
Kennen Sie Bocholt? Die 74.000-Einwohner-Stadt im westlichen Münsterland nahe der niederländischen Grenze? Nein? Sollten Sie aber. Denn Bocholt hat in diesem Sommer gezeigt, wie der lokale Handel, die Gastronomie, Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe erfolgreich unterstützt und wie durch eine Gutschein-Aktion aus einer Million Euro fünf Millionen werden können. Doch der Reihe nach.
„Die Idee ist während des ersten Lockdowns im Frühjahr entstanden, als wir überlegt haben, wie wir den lokalen Unternehmen helfen können. Und zwar nicht über weitere Zuschüsse, sondern wir wollten ein Instrument, wie wir den Umsatz ankurbeln können“, erinnert sich Ludger Dieckhues, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungs- und Stadtmarketing Gesellschaft Bocholt, im Gespräch mit der Fotoredaktion. Stadtgutscheine gab es bereits, allerdings für unterschiedliche Bereiche der Stadt. „Wir wollten einen digitalen Gutschein, der von der Stadt bezuschusst wird und hinter dem möglichst viele Unternehmen stehen“, so Dieckhues. Zunächst stand ein Zuschuss von 250.000 Euro von der Werbegemeinschaft im Raum, aus dem letztendlich nach einem intensiven politischen Diskussionsprozess und dem entsprechenden Ratsbeschluss die stolze Summe von einer Million Euro wurde, mit der die Stadt Bocholt das Vorhaben unterstützte.
„Innerhalb von vier Wochen haben wir ein digitales Gutscheinsystem aus dem Boden gestampft und gemeinsam mit der Firma Tobit aus Ahaus entwickelt, so dass wir am 30. Juli mit dem Projekt starten konnten“ , so Dieckhues weiter. Der Bocholt-Gutschein war so aufgebaut, dass die Bürger 25 % Rabatt auf den Gutschein bekommen haben, wovon 20 % die Stadt übernommen und 5 % der teilnehmende Unternehmer selbst getragen hat, bei dem der Gutschein später eingelöst wurde. Für einen 200-Euro-Gutschein musste der Kunde demnach 150 Euro bezahlen. Die Gutscheine gab es auch im Wert von 100 Euro, 40 Euro und 10 Euro, auf die es ebenfalls 25 % Rabatt für den Endverbraucher gab. Für die ersten Wochen des Verkaufs hat das Stadtmarketing Bocholt einen eigenen Pop-up-Store konzipiert, weil mit einem großen Andrang gerechnet wurde. „Es war Wahnsinn, die Leute standen Schlange und innerhalb von acht Wochen waren die Gutscheine im Wert von 5 Millionen Euro ausverkauft“, erinnert sich Dieckhues.
Die Zahlen muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen: Insgesamt sind in den zwei Monaten 41.150 Gutscheine verkauft worden, davon 29.129 im Pop-up-Store und später in der Tourist-Info in der Bocholter Fußgängerzone sowie 12.021 Stück online über eine eigene Website. Insgesamt haben sich 219 Unternehmer als Akzeptanzstelle für den Gutschein registrieren lassen. Darunter vor allem inhabergeführte Fachgeschäfte, aber auch Gastronomen, Dienstleister, Handwerksbetriebe und Solo-Selbstständige – keine Filialen von großen Ketten. Der Gutscheinkauf selbst war pro Person auf 200 Euro begrenzt.
„Bis jetzt sind schon fast vier Millionen Euro eingelöst worden, die restliche Million wird vermutlich im Weihnachtsgeschäft eingelöst. Von diesem Wert sind 86 % im Handel umgesetzt worden. Der Gutschein ist auch nur bis Ende Januar 2021 einlösbar, das wollten wir ganz bewusst so. Unser Ziel war es, aufgrund der Coronakrise schnell Liquidität in den Handel zu bringen – und das hat funktioniert“, so der Stadtmarketing-Chef. Die Bocholter hätten es honoriert, dass es sich um einen ehrlichen Rabatt gehandelt hätte, mit dem man wirklich Geld sparen kann und der zudem die lokale Wirtschaft unterstützt. Der Gutschein selbst besteht aus einem QR-Code, der entweder ausgedruckt oder in einer App im Geschäft vorgezeigt werden kann. Die Kunden können den Betrag in beliebig viele Teilbeträge aufteilen und beispielsweise nach dem Shoppingtag auch für den Kauf eines Getränks einlösen. „Insbesondere die Händler, die den Gutschein selbst aktiv beworben haben, haben davon sehr profitiert“, so Dieckhues.
Einer davon ist Fotounternehmer Bernard Kornek, Inhaber Ringfoto Kornek. „Wir waren mit der Aktion sehr glücklich und sind es immer noch“, sagt er. „Der Bocholt-Gutschein ist einfach toll und ist auch für uns Händler in der Abwicklung sehr komfortabel und transparent. Wir haben eine neue Zahlungsart in der Kasse eingerichtet, abgerechnet werden die Gutscheine alle 14 Tage. Natürlich muss ich 5 % dazugeben, aber das sind alles Umsätze, die ich sonst nicht gehabt hätte. Ich hatte auch Kunden, die sich mit den Gutscheinen hochwertige Kameras gekauft haben“, so Kornek im Gespräch mit 'mi'. Zum Erfolg des lokalen Einkaufsgutscheins hat er selbst aktiv beigetragen, indem er die Aktion vor allem online über Facebook, Instagram und die eigene Website beworben hat.
Doch nun sind die Gutscheine verkauft und der zweite 'kleine' Lockdown bereits im Gange. Wie kann man an so einen immensen Erfolg anknüpfen? „Dass die Stadt nochmal eine solche Summe zur Verfügung stellen wird, ist eher unwahrscheinlich“, sagt Ludger Dieckhues mit einem Augenzwinkern. „Wir überlegen gerade, wie wir unsere verschiedenen Gutscheinsysteme, die bisher nebeneinander existieren, digital unter einen Hut bringen können.“
'mi'-Fazit: Wir können der Stadt Bocholt und allen an dem Projekt Beteiligten nur ein riesiges Kompliment aussprechen. Chapeau! Eine solche Summe zur Verfügung und in kurzer Zeit eine moderne, erfolgreiche Aktion für lokale Unternehmer auf die Beine zu stellen, verdient eigentlich bundesweite Aufmerksamkeit! Der Bocholt-Gutschein ist das beste Beispiel dafür, dass man sich nicht auf externe Hilfen verlassen sollte, sondern auch im Kleinen Riesengroßes bewirken kann. Ein Vorbild für alle Kommunen, die aktuell nach einer guten Idee für den 'Lockdown light' im November suchen!
Redaktionsleiterin