Wer stoppt Markus Söder beim Kampf gegen Corona und bei der Selbstinszenierung?

Erich Honecker hat im August 1989 noch behauptet, „Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf“. Wer derart starke Sprüche verbreitet, hat meist Angst davor, bei der Bevölkerung könne sich herausstellen, wie brüchig es in Wahrheit um manches Dogma bestellt ist. Dass auf Dauer Sprüche und martialisches Auftreten Fakten nicht besiegen können, hat auch Honecker wenig später erfahren. In gewisser Weise erinnert Dr. Markus Söder mit seinem Handeln bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie an dieses Verhaltensmuster. Keine Maßnahme zur Corona-Eindämmung war und ist ihm streng genug, keine Lockerung findet seine Duldung, die auch nur ansatzweise dazu führen könnte, dass Infektionszahlen wieder steigen. Kein Tag vergeht, an dem der Bayerische Ministerpräsident nicht sich und anderen Noten vergeben würde, wer in Deutschland am wirksamsten gegen Corona kämpft. Dabei gerät dann schnell in Vergessenheit, dass Bayern die meisten Infizierten pro 100.000 Einwohner in Deutschland hat. Söder erklärt dies mit den vielen infizierten Skifahrern, die sich in Österreich angesteckt hätten. Ob dies als Erklärung ausreicht, ist bisher allerdings wohl nicht belegt.

Sein neuster Coup: Bayern bietet als erstes Bundesland an, sich auch ohne Symptome auf Kosten des Staates testen zu lassen. Im Söder eigenen Sprachduktus heißt das dann: „Ich glaube schon, dass das eine Wirkung hat weit über Bayern hinaus.“ Warum dies eine sinnvolle Maßnahme gegen Corona sein soll, erklärt Söder damit, wer mehr Normalität wolle, müsse mehr testen. „Testen ist die einzige Möglichkeit neben Abstandhalten und Hygienemaßnahmen, um eine echte Vorsorge zu treffen.“ Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat Söder vorgehalten, „Einfach nur viel testen klingt gut, ist aber ohne systematisches Vorgehen nicht zielführend". Was Spahn damit meint: Jeder negative Test ist schlicht eine Momentaufnahme. Ob die betreffende Person sich anschließend irgendwo ansteckt, darüber sagt der Test nichts aus. Ein negatives Ergebnis könnte aber Getestete dazu verleiten, sich sicher zu wähnen und Infektionsrisiken auszublenden. Wer allein aufgrund negativer Tests Lockerungen erlauben, Normalität herstellen will, der müsste jeden zweiten oder dritten Tag die gesamte Bevölkerung testen.

Wir wollen Markus Söder nicht absprechen, sich persönlich größte Sorgen wegen der Corona-Pandemie zu machen und die Auswirkungen der unterschiedlichen Vorgehensweise deutlich anders als weite Teile des Rests der Republik zu bewerten. Er muss aber akzeptieren, in seinem Vorgehen auch einen nicht unerheblichen Teil einer Inszenierung zu erkennen. Allen Dementis zum Trotz ist mehr als auffällig, wem gegenüber Söder insbesondere den harten Krisenmanager abgibt: Armin Laschet. Augenfällig wird dies auch bei seinem Hinweis, die Bundesländer, die Tests ohne Symptome ablehnten, wollten in Wahrheit die Kosten dafür sparen. Das grenzt schon an Perfidie. Und natürlich war Söder auch an vorderster Front, als es darum ging, Bewohnern aus den Kreisen Gütersloh und Warendorf die Einreise nach Bayern zu verweigern. Was würden wohl Bayern sagen, wenn angesichts der Zahl von 370 infizierten Bayern pro 100.000 Einwohner Schleswig-Holstein (109), Niedersachsen (171) oder Mecklenburg-Vorpommern (50) Bayern ohne negativen Corona-Test die Einreise untersagen würden? Übrigens NRW hat 240 Infizierte je 100.000 Einwohner. Trotz des vermeintlich gefährlichen Lockerers Armin Laschet.

Söder kann nur hoffen, dass bis zur Bestimmung eines Kanzlerkandidaten der Union nicht überall die Infektionszahlen trotz massiver Lockerungen weiter sinken. Denn sonst würde ihm wohl auf die Füße fallen, mit welchem Furor er gegen jede Lockerung zu Felde zieht. Dass er allen Beteuerungen zum Trotz auf die Kanzlerschaft zielt, ist für viele in der CDU klar. So hat inzwischen Dr. Carsten Linnemann, Stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion der CDU/CSU und Vorsitzender der Mittelstandsunion (MIT), der noch vor nicht allzu ferner Zeit zu den Freunden Söders gezählt werden durfte, ihn jetzt aufgefordert, offen zu erklären, ob er die Kanzlerkandidatur der Union beanspruche. „Ansonsten“, so Linnemann, „drohen Spannungen, die der Union insgesamt schaden könnten.“