"Wir brauchen einen Straftatbestand gegen Steuerverschwendung."
Angesichts überbordender Steuereinnahmen und der gleichzeitigen Verweigerung des Abbaus der Kalten Progression durch Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble haben wir in der 1. Juni-Ausgabe unsere Aktion ‘Steuerprasser des Monats’ gestartet. Wir haben Sie gebeten, uns Beispiele für Steuergeldverschwendung vor Ort aufzuzeigen (vgl. Fh 12/14). Mit den gesammelten Fällen wollen wir nachweisen, dass wir kein Einnahme-, sondern ein massives Ausgabeproblem haben. Zugleich bitten wir renommierte Experten, sich zur Thematik zu äußern. Den Auftakt macht Dr. Michael Balke, Richter im 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts. Balke gehört zu Deutschlands profundesten Steuerrichtern und hat sich seit jeher der Idee eines gerechten Steuerrechts verschrieben. Aufgrund seiner zahlreichen Aktivitäten, beispielsweise seiner Klage gegen die steuerfreie Kostenpauschale der Bundestagsabgeordneten, hat ihn ‘markt intern’ 2012 zum ‘Kustos des mittelständischen Unternehmertums’ ernannt. In der Urkunde heißt es dazu: „Sein mit hohem ethischen Anspruch gepaarter Sachverstand, sein unbeirrter Appell an die Einhaltung des Grundgesetzes und rechtsstaatlicher Prinzipien, sein konsequenter Einsatz für den effektiven Rechtsschutz des Bürgers und gegen staatliche Willkür kommt den mittelständischen Unternehmern zugute. … Mit seiner Überzeugung, dass in einem Rechtsstaat das Recht immer über dem Staatshaushalt zu stehen hat und nicht umgekehrt, wacht ‘der Richter aus Hannover’ (Klaus Tipke) auch in Zeiten europäischer Rettungsschirme darüber, dass das Steueraufkommen, an dem der Mittelstand einen Löwenanteil trägt, leistungsgerecht erzeugt und verteilt wird.“
markt intern: Herr Balke, unser Verlag hat seine Leser aufgerufen, uns Beispiele für Steuerverschwendung vor Ort zuzusenden. Haben Sie ein Beispiel aus Ihrer Umgebung für uns?
Balke: „Ich wohne in dem schönen Dorf Brechten (Teil von Dortmund), durch das die A2 führt. Dort befindet sich in unmittelbarer Nähe einer gut ausgebauten Straße über die A2 eine weitere (neue) Autobahnbrücke, für die es keinen erkennbaren zusätzlichen Bedarf gibt; der Bund der Steuerzahler meint, dass die hauptsächlich von Landwirten benutzte Brücke überflüssig ist.“
mi: Sie werfen dem Staat vor, er sei mitverantwortlich für den Verfall der Steuerzahlungssitten. Können Sie das kurz erläutern?
Balke: „Ein Gesetzgeber, der Steuerhinterziehung zu Recht bestraft, dagegen Steuerverschwendung zu Unrecht strafrechtlich nicht verfolgt und dazu auch noch Steuervollzahler immer mehr belastet, ohne die vielen nationalen Steueroasen (etwa ‘Steueroase Bundestag‘ mit den exorbitant hohen Steuerprivilegien für die Abgeordneten) endlich abzuschaffen, ein solcher Gesetzgeber ist mitverantwortlich für den Verfall der Steuerzahlungssitten. Ich stimme dem Steuerrechtswissenschaftler Professor Dr. Klaus Tipke zu, wenn er (sinngemäß) betont, ein Gesetzgeber ohne Besteuerungsmoral erzeuge bei den Steuerbürgern keine Steuermoral; Originalton Klaus Tipke: ‚Appelle an die Steuermoral der Bürger wirken heuchlerisch, wenn es an besteuerungsmoralischen Vorbildern fehlt‘ (Beilage zum steuertip 14/13, S. 3,4).“
mi: Sie haben vor einiger Zeit in einem Aufsatz formuliert, Steuerverschwendung sei unmoralischer als Steuerhinterziehung. Das ist für einen Finanzrichter durchaus etwas überraschend. Was hat Sie zu dieser Einschätzung gebracht?
Balke: „In den Fällen gleich hoher Steuerverschwendung und Steuerhinterziehung ist die steuerliche Gemeinschaftskasse zwar gleichermaßen betroffen. Die Steuerverschwendung ist aber deshalb unmoralischer als die Steuerhinterziehung, weil es bei der Steuerverschwendung in der Regel ums Verprassen fremden Vermögens, nämlich um das Vermögen der Steuerzahler, geht. Bei der Steuerhinterziehung geht es dagegen ‘nur‘ um das ungerechtfertigte Vorenthalten des eigenen Vermögens des Steuerpflichtigen.“
mi: Wir wollen durch öffentlichen Druck den alltäglichen Steuerverschwendungswahn stoppen. Sie gehen noch einen Schritt weiter und fordern einen Straftatbestand der Steuerverschwendung. Warum?
Balke: „Es ist gut und im Interesse der Gemeinschaft aller Steuervollzahler, dass der ‘markt intern‘-Verlag öffentlichen Druck aufbaut, um die Steuerverschwendungstyrannei (Stichworte: nicht funktionierender Flughafen in Berlin, Tieferlegen eines Bahnhofs in Stuttgart, Elbphilharmonie in Hamburg) einzudämmen. Daneben sollte die asoziale Steuerverschwendung auch strafrechtlich bekämpft werden. Zu Recht wird Steuerhinterziehung bestraft, weil ehrliche Steuerzahler die hinterzogenen Steuern quasi mittragen müssen. Wenn nun – wie bereits ausgeführt – die Steuerverschwendung eine mindestens genauso schlimme Attacke auf die Gemeinschaftskasse der Steuerzahler ist wie die Steuerhinterziehung, dann ist es folgerichtig, die Steuerverschwendung mindestens genauso zu bestrafen wie Steuerhinterziehung. Hinterzieher von Steuermillionen sitzen hinter Gittern ihre Strafe ab, während Verschwender von Steuermilliarden weiterhin zu Partys gehen. Dies hat mit Steuer- und Strafgerechtigkeit wenig zu tun.“