Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann über Steuerdumping, Geysire und die Zukunft des Fachhandels

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markt intern: Herr Zimmermann, Sie sind 2009 als Bürgermeister in Monheim am Rhein angetreten, als die Stadt hoch verschuldet war. Heute sitzen Sie hier als mit 95 Prozent wiedergewählter Bürgermeister einer Kommune, die Haushaltsüberschüsse erwirtschaftet und den niedrigsten Gewerbesteuersatz Nordrhein-Westfalens aufzuweisen hat. Die Stadt hat aktuell auch die Grundsteuer auf den niedrigsten Wert gesenkt. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass die von Ihnen gegründete Partei PETO, eine, wie es damals immer so schön hieß, Schüler- und Studentenpartei, schon im Wahlprogramm 2009 verkündet hat, sich für die Ansiedlung neuer Unternehmen einsetzen und den Einzelhandel stärken zu wollen. Das sind für eine Jugendpartei überraschende Aussagen. Wie ist es dazu gekommen?

Daniel Zimmermann: Allen, die da mitgemacht haben, einem großen Teil meines Freundeskreises, Leuten, die mit mir zur Schule gegangen sind, uns allen ging es darum, ein Bild zu entwerfen von einem Ort, der in sich eine gesunde Struktur aufweist. Der gute Leistungen für Bürgerinnen und Bürger anbieten kann, der aber auch zukunftsfähig ist. Da gehören gute Busverbindungen genauso dazu wie eine ordentliche Bildungsinfrastruktur mit Kindergärten und Schulen. Dazu gehören aber auch Arbeitsplätze, Unternehmen, die gute Grundlagen für ihre Geschäfte vor Ort haben, und natürlich auch eine Einzelhandelsinfrastruktur. Eben das Ideal eines Ortes, wie er sein sollte. Wo man in der Innenstadt alles findet, was man braucht. Wo gute Einrichtungen in kultureller Hinsicht vorhanden sind. Das ist immer unser Ideal gewesen. Es war die Antriebskraft, überhaupt Kommunalpolitik zu machen.

mi: Sie haben Sprachen studiert und wollten Lehrer werden. Bei einem Geisteswissenschaftler erwartet man nicht unbedingt, dass er als Bürgermeister ein Konzept vorlegt, in dessen Mittelpunkt die Senkung der Gewerbesteuer steht. Wie kamen Sie darauf? Hatten Sie das irgendwo gelesen, hatten Sie Berater, die Ihnen das empfohlen haben?

Zimmermann: Ich habe es mir, als ich Bürgermeister wurde, ehrlich gesagt, relativ einfach vorgestellt. Monheim am Rhein hat eine sehr gute Verkehrsanbindung sowohl nach Düsseldorf als auch Köln, zu den beiden Flughäfen und den umliegenden Autobahnen. Mit einer halben Stunde Fahrzeit S-Bahn erreichen Sie beide Metropolen. Wir hatten Gewerbegebiete, die voll erschlossen waren. Aber ich habe dann zusammen mit der Städtischen Wirtschaftsförderung festgestellt, dass dies nicht ausreicht. Viele Unternehmen haben kritisiert, die Standortkosten bei uns seien vergleichsweise hoch. Wir haben deshalb auch immer wieder Unternehmen verloren, die sich z. B. für das benachbarte Langenfeld als Standort entschieden haben. Langenfeld ist schon etwa 5/6 Jahre vor uns in eine vergleichsweise günstige Gewerbesteuersphäre vorgedrungen. Aus diesen Gesprächen mit den Unternehmen ist die Idee entstanden, ob man nicht in dieser Hinsicht etwas machen könnte. Wichtig ist, wir haben die Gewerbesteuer nicht einfach ins Blaue hinein gesenkt. Das würde auch keine andere Stadt tun können. Die Mechanismen im kommunalen Finanzausgleich sind so organisiert, dass je niedriger der Gewerbesteuersatz ist, desto mehr muss die Kommune prozentual von diesen Steuereinnahmen in den kommunalen Finanzausgleich abführen. Wir haben insofern eine genaue Rechnung aufgestellt, welches Maß an Mehreinnahmen wir von zusätzlichen Unternehmen brauchten, um die geplante Senkung finanzieren zu können. Früher hatten wir pro Jahr um die 20 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen. Wir haben uns 2012 vorgenommen, mit den etwa sieben Unternehmen, mit denen wir gesprochen hatten, das Gewerbesteueraufkommen auf 85 Millionen Euro zu steigern. Dadurch ist diese Senkung von 435 auf 300 Punkte ab Januar 2012 finanzierbar gewesen. Tatsächlich lagen die Gewerbesteuereinnahmen 2012 schon bei 150 Millionen Euro. Wir sind auch danach weit erfolgreicher gewesen, als wir uns ursprünglich vorgenommen hatten.

mi: Hätten Sie sich jemals erträumen lassen, dass Donald Trump Sie kopiert?

Zimmermann: Es ist sehr interessant, dass die USA jetzt auch wieder in diese Steuerkategorie knapp unter 25 Prozent vordringen. Wir haben in Monheim am Rhein von Anfang an immer auch die internationalen Steuersätze im Blick gehabt. Die Niederlande, Österreich, auch andere Staaten in Europa, die um 25 Prozent Steuern erheben. Wir haben jetzt erreicht, dass unsere Besteuerung im Moment knapp über 24,1 Prozent liegt. Letztendlich ist dies eine Wettbewerbsfähigkeit, die die meisten Kommunen in NRW verloren haben. Deren Besteuerung liegt eher in der Größenordnung von 32, 33 Prozent. International gibt es eine interessante Statistik der OECD, wonach die Unternehmensbesteuerung zwischen 12,5 Prozent in Irland und 33 bis 34 Prozent in Frankreich, in den USA je nach Region auch bis zu 35 Prozent, reicht. Ich glaube schon, dass dieses Mittelfeld um die 25 Prozent, in die sich die USA jetzt auch wieder bewegen, keine Steueroase darstellt. Das ist kein Discountstandort, sondern das wettbewerbsfähige Mittelfeld.

mi: Man muss der Fairness halber dazu sagen, dass erst eine größere Steuernachzahlung 2011 Monheim einen ausgeglichenen Haushalt ermöglicht hat, was wiederum die Gewerbesteuersenkung erlaubt hat. Ohne ausgeglichenen Haushalt hätten Sie dies kommunalverfassungsrechtlich nicht machen dürfen. Die Möglichkeit haben andere nicht. Der andere Punkt ist, dass Ihnen unsolidarisches Handeln vorgeworfen wird. Sinnbildlich dafür steht der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister Walter-Borjans, der Ihnen vorgeworfen hat, Sie betrieben Steuerdumping. Sie kennen die Stimmung in anderen Kommunen im Umfeld, die sagen, Monheim saniere sich auf ihre Kosten. Was sagen Sie solchen Kritikern?

mi-Herausgeber Olaf Weber, Daniel Zimmermann und Mi-Chefredakteur Dr. Frank Schweizer-Nürnberg (v.l.n.r.)

Zimmermann: Was unsere direkten Nachbarn Düsseldorf, Langenfeld, Leverkusen, Dormagen und Köln betrifft, stimmt das nicht. Wir machen schon seit Jahren eine Zeitreihe, bei der wir sehen, dass sie sich exakt wie der Landesdurchschnitt entwickelt haben, auch bei der Gewerbesteuer. Wenn der Vorwurf stimmen würde, dann müssten die direkten Nachbarstädte am meisten unter unserer Steuerpolitik leiden. Das ist aber nicht der Fall und das kann man auch mit der Steuerkraftbetrachtung seit 2011 widerlegen. Das Tragische an dieser ganzen Geschichte, dieses Schwarze-Peter-Spiel, das auch gerne um Monheim am Rhein gespielt wird, ist, dass damit nur davon ablenkt wird, dass NRW insgesamt ein großes Standortproblem hat, was die Steuersätze angeht. Egal welche Landesregierung gerade im Amt war, immer wieder ist aus finanzwissenschaftlicher Sicht, auch von Unternehmensverbänden, darauf hingewiesen worden, dass NRW sich in der Größenordnung 80 bis 90 Hebesatzpunkte vom Durchschnitt in anderen Bundesländern abgekoppelt hat. Der Gewerbesteuerdurchschnitt liegt in NRW bei 460 Punkten. Der bundesweite Durchschnitt liegt aber unter 400. Dies ist ein riesiger Wettbewerbsnachteil. Sprechen Sie mal mit Bürgermeistern aus dem Siegerland, die Ihnen erklären können, wie viele Arbeitsplätze von dort nach Hessen, nach Rheinland-Pfalz abgeflossen sind. Kommunen, die sich im grenznahen Bereich zu den Niederlanden bewegen und dort mit Steuersätzen von 25 Prozent konkurrieren, aber auch im nördlichen Münsterland. Oder nehmen Sie die niedersächsischen Steuersätze, die ein viel niedrigeres Maß aufweisen. Da ist es einfach, in Monheim am Rhein den unsolidarischen Sündenbock zu finden. Das Kernproblem liegt viel tiefer. Die, sagen wir mal beweglichen, Gewerbesteuerzahler, die ein sehr günstiges Verhältnis haben zwischen hoher Steuerzahlung und wenig Mitarbeitern, die diese Steuerzahlung erwirtschaften, die sind schon längst aus NRW weg gewesen, bevor wir überhaupt angefangen haben, unsere Steuern zu senken. Wir können belegen, dass ein guter Teil unserer zusätzlichen Steuereinnahmen von außerhalb NRWs wieder zu uns zurückgeflossen ist. Wenn Sie dann noch bedenken, dass momentan 80 Prozent, mit der Solidaritätsumlage der vorherigen Regierung waren es sogar einige Jahre 90 Prozent, unserer Gewerbesteuereinnahmen in den kommunalen Finanzausgleich zurückfließen, ist die Wahrheit, dass wir Steuerkraft, die sonst gar nicht in NRW veranlagt würde, zugunsten aller Kommunen an NRW binden.


mi: Der ursprüngliche Beschluss, die Gewerbesteuer zu senken, ist von allen Fraktionen in Monheim getragen worden. Der Wind hat sich insoweit ein wenig gedreht. CDU und SPD werfen Ihnen inzwischen vor, es zu übertreiben. Sie gäben zu viel Geld aus und würden die Haushalte der Zukunft belasten. Die Stadt käme absehbar wieder in die gleiche Situation, aus der sie sich mühsam heraus bewegt habe. Sie haben selbst die internationalen Unternehmen angesprochen. Bei denen besteht in der Tat die Gefahr, dass sie abwandern, wenn es anderswo billiger wird. Wie bewerten Sie das?

Zimmermann: Ich sehe eigentlich nur, dass wir mit sehr vielen Sicherheiten, die wir eingebaut haben, mit diesen Mehreinnahmen in den Haushalten umgegangen sind. Die Stadt Monheim am Rhein hat trotz aller Ausgaben, die sie sich leistet, in der Summe seit 2012 Haushaltsüberschüsse in Höhe von 400 Millionen Euro erwirtschaftet. Von diesen 400 Millionen Euro haben wir nicht nur die Kredite von 120 Millionen Euro zurückgeführt, die noch zum Einstieg der Steuerpolitik vorhanden waren. Wir haben auch maßgeblich bilanzielles Vermögen geschaffen, indem wir unsere Stadtwerke rekommunalisiert haben, indem wir Investitionen in städtische Unternehmen getätigt haben oder indem wir für fast 30 Millionen Euro ein flächendeckendes Glasfasernetz aufbauen, das Gewinn erwirtschaften wird. Wir haben eine städtische Wohnungsbaugesellschaft gegründet, die eine Eigenkapitalrendite erwirtschaften wird, und wir haben aus diesen 400 Millionen Euro noch, Stand jetzt, etwa 200 Millionen Euro liquide Barmittel quasi auf der hohen Kante. Diese Kritik führt ins Leere. Die Industrie- und Handelskammer, die jedes Jahr unseren Haushaltsplan begutachtet, hat sich diese Kritik, die wir da teilweise von der CDU und SPD gehört haben, auch nie zu Eigen gemacht.

mi: Wie kommt Ihre Vorgehensweise denn im Kreise der anderen Bürgermeister, die nicht auf 200 Millionen Euro Guthaben sitzen, sondern hoch verschuldet sind, an? Erleben Sie da Lob oder eher Neid und Unverständnis?

Zimmermann: Da trifft mich blankes Unverständnis. Auch Missgunst. Das ist innerhalb des Kreises Mettmann vielleicht noch weniger ausgeprägt, weil die Städte dort noch näher über den kommunalen Finanzausgleich an unsere Steuerkraft gebunden sind. Die anderen neun Kommunen im Kreis Mettmann sparen durch unsere Steuerpolitik jedes Jahr allein 65 Millionen Euro, die sie nicht in die Kreisumlage zahlen müssen. Auch beim Landschaftsverband Rheinland sparen andere Kommunen, weil sie weniger einzahlen müssen. Die Stadt Monheim am Rhein, obwohl sie einwohnermäßig sehr klein ist, zahlt dieses Jahr allein 130 Millionen Euro Umlage an den Landschaftsverband Rheinland. 2011, vor dem Einstieg in unsere Steuerpolitik, haben wir da gerade mal 15 Millionen Euro abgegeben. Daran sieht man, wie auch Umlageverbände von unserer Steuerpolitik profitieren. Aber wenn wir, wie vor zwei Monaten geschehen, für 400.000 Euro iPads kaufen, um alle Schülerinnen und Schüler ab der Klasse 5 mit einem eigenen Gerät auszurüsten, wenn die Stadt ab Ende 2018 flächendeckend WLAN überall installiert haben wird, wenn wir, was jetzt auch viel diskutiert worden ist, für 400.000 Euro jedes Jahr Kunstwerke für den öffentlichen Raum beschaffen, dann sind das Dinge, …

mi: Sie könnten ruhig erwähnen, dass es bei dem Kunstwerk um einen Geysir in einem Kreisverkehr geht.

Zimmermann: Ja genau, dann sind das Dinge, die in anderen Städten auf blankes Unverständnis stoßen.

mi: Der Geysir stößt vielleicht teilweise auch in Monheim auf blankes Unverständnis. Sie haben das Geld und es auch ausgeben. Nur, warum ausgerechnet ein Geysir? Wo ist da der Bezug zur Stadt?

Zimmermann: Wir haben für diesen Kreisverkehr, der direkt am Rhein liegt, einen Wettbewerb ausgeschrieben. Sechs namhafte, auch bundesweit tätige Künstlerinnen und Künstler haben sich dafür beworben. Thomas Strecker, der z. B. hier in Düsseldorf einen U-Bahnhof künstlerisch gestaltet hat, hat sich auch beworben und mit seinem Geysir-Konzept letztendlich die Fachjury überzeugt. Früher gab es mal die Maßgabe im Baugesetzbuch, dass öffentliche Bauherren fünf, später dann drei Prozent ihrer Investitionsleistung in Kunst am Bau investieren mussten. Das ist irgendwann abgeschafft worden. Wir haben dieses Jahr ein Haushaltsvolumen von 400 Millionen Euro. Davon investieren wir ein Promille in Kunst im öffentlichen Raum. Selbst wenn man nur unsere Investitionen in den Hoch- und Tiefbau als Maßstab nähme, sind es nur rund 0,5 Prozent. Solche Kunstwerke werden immer umstritten sein. Sollen sie vielleicht auch. Es gibt in Köln am Hohenzollernring eine sehr berühmte Plastik, der Ruhende Verkehr. Dort ist ein Opel-Kapitän 1969 einbetoniert worden und steht dort als Sinnbild für die Verautosierung der Städte. Insofern habe ich gar kein Problem damit, wenn über den Geysir diskutiert wird.

mi: Wir könnten noch sehr lange mit Ihnen über Steuern diskutieren, wollen es aber auf einen letzten Punkt beschränken. Wir machen uns schon seit längerem dafür stark, die Grundsteuer abzuschaffen, weil der Aufwand zur Erhebung in keinem Verhältnis zum Ertrag steht. Auch die jüngste Neuregelung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird am Ende wieder dort landen. Das lässt sich schon jetzt prognostizieren. Wir haben vor kurzem ein Interview mit Finanzrichter Michael Balke vom Niedersächsischen Finanzgericht geführt. Er fordert ebenfalls die Abschaffung der Grundsteuer. Sie sei als Sondervermögensteuer verfassungswidrig. Zur Kompensation sollten die Gemeinden einen höheren Anteil an der Umsatz- oder Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer erhalten. Wie stehen Sie zu dieser Forderung?

Zimmermann: Solche Debatten müssen auf anderen Ebenen diskutiert werden.

mi: Aber Sie könnten eine Meinung dazu haben.

Zimmermann: Klar. Ich halte es grundsätzlich schon für richtig, in Deutschland auch unter Wettbewerbsgesichtspunkten nicht nur Einkommen aus Arbeit zu besteuern, sondern durchaus auch Besitz, Eigentum. Für Kommunen sind Wohnungen, Häuser gerade das verbindende Element, dass Bürgerinnen und Bürger in der jeweiligen Kommune ansässig sind. Wer sich eine große, teure Immobilie leistet kann, warum sollte diese Person dann nicht auch mehr zum Steueraufkommen einer Kommune beitragen als die Person, die in einer sehr günstigen Mietwohnung lebt? Insofern finde ich das Konzept grundsätzlich nicht verkehrt. Auch im internationalen Vergleich sind wir in Deutschland eigentlich mit sehr günstigen Grundsteuersätzen verwöhnt. In Frankreich wird das Dreifache an Grundsteuer erhoben, und das sogar zweifach sowohl vom Vermieter als auch vom Mieter. Leute, die ihre Immobilien selbst nutzen, zahlen beide Steuern. Also insofern denke ich, wäre bei einer Reform der Grundsteuer auch Luft nach oben.

mi: Die Besonderheit ist, dass nur Vermögen aus Immobilienbesitz besteuert wird, mobiles Vermögen dagegen nicht. Aktienbesitz müssen Sie nicht versteuern. Uns fällt auf, dass in der Diskussion mit Ihren Nachbarstädten oder anderen Kommunen immer wieder die Rede davon ist, Monheim würde anderen Kommunen Geld entziehen. Wer sich mit Unternehmen mal ein bisschen mehr auseinandersetzt, weiß, dass ein Unternehmen, das weniger Steuern zahlt, wesentlich mehr investieren kann, mehr Arbeitsplätze schaffen, sich vergrößern kann. Das führt letztendlich zu einem höheren Gesamtsteueraufkommen und nicht zu einer reinen Verschiebung. Wie bewerten Sie das?

Zimmermann: Ich sehe das genauso. Ich kann das mit einem Beispiel bestätigen. Die Firma Bayer ist schon seit dem Ende der 80er Jahre bei uns mit dem weltweiten Hauptsitz der gesamten Pflanzenschutzsparte Crop Science in Monheim am Rhein ansässig. In dem Bereich arbeiten über 200.000 Beschäftigte für Bayer. Seit der Ansiedlung in den 80er Jahren hat Bayer erstmals im vergangenen Jahr wieder in sehr erheblichem Umfang dort investiert. Ein hoher zweistelliger Millionenbetrag ist dort in den Aufbau einer komplett neuen Forschungsanlage mit Gewächshäusern geflossen. Ich glaube schon, dass diese Investition in diesem Umfang nicht in Monheim am Rhein getätigt worden wäre, wenn wir nicht in dem jetzt erfolgten Umfang wettbewerbsfähig wären. Denn dieses Gewächshaus könnte genauso in den USA, in China oder sonst wo stehen. Viele Kommunen sehen nicht diesen Horizont, dass man in einer globalisierten Welt nicht um den Handwerksmeister konkurriert, der am Ende sowieso der Dumme ist, weil er die hohen Hebesätze zahlen muss, sondern dass man letztendlich auch über Arbeitsplätze, über Investitionen solch großer Unternehmen reden muss, die ihre Standortentscheidungen weltweit treffen.

mi: Kommen wir auf ein Thema zu sprechen, das einen großen Teil unserer Leser, stationäre Facheinzelhändler, betrifft, die Handelsentwicklung und insbesondere die Konkurrenzsituation des stationären Einzelhandels zum Onlinehandel. Die Stadt hat beschlossen, zwei Einkaufszentren selbst zu erwerben. Sie haben das damit begründet, Sie wollten das Einzelhandelsangebot deutlich verbessern, es sollten größere Ladenflächen geschaffen werden. Es ist ein bemerkenswerter Schritt, dass eine Kommune ein Einkaufszentrum übernimmt. Das kommt eher selten vor. Was hat Sie bewogen, diese beiden Einkaufszentren zu übernehmen?

Zimmermann: Da würde ich gerne zwei Aspekte nennen. Der erste ist, dass wir durch den Kauf eines großen Einkaufszentrums, für das wir 35 Millionen Euro ausgegeben haben, dafür sorgen, dass wir tatsächlich vor Ort auch eine Struktur zeitgemäßer Ladenlokale haben. Das Rathauscenter ist in zwei Bauabschnitten 1988 und 1992 fertiggestellt worden und war damals eigentlich schon nicht mehr zeitgemäß. Wir haben dort im Erdgeschoss knapp 12.000 qm Verkaufsfläche. Zusätzlich noch Büro- und Praxisräume in den Obergeschossen. Die Ladenflächen sind sehr kleinteilig geschnitten. Wir haben viele innenliegende Gänge und Flure, ein klassisches Mall-Konzept, von dem wir glauben, dass es in einer Stadt der Größenordnung Monheim am Rheins mit 40.000 Einwohnern nicht mehr funktioniert. Wir wollen den Quartiersgedanken in der Innenstadt stärken. Daher wollen wir die gesamten innenliegenden Flure zu Ladenflächen umwidmen. Die Läden sollen sich nach außen und nicht nach innen öffnen, um dann wirklich auch das Bummeln und den Aufenthalt in der Innenstadt zu verbessern. Bei der Gelegenheit wollen wir auch größere, zusammenhängende Ladenflächen schaffen. Wir haben genügend kleinteilige Ladenflächen, auch in Einzeleigentum befindlichen älteren Immobilien rund um dieses Einkaufszentrum. Wir brauchen in diesem Einkaufszentrum selbst aber auch Flächen ab 400 qm aufwärts bis 800 qm Verkaufsfläche, weil der filialgebundene Einzelhandel einfach einen wichtigen Anker darstellt, um Kundinnen und Kunden in die Innenstadt zu holen. Von dieser Frequenz sollen auch die kleineren inhabergeführten Geschäfte profitieren können. Es gibt ganze Sortimentslücken, für die wir durchaus Interessenten haben, beispielsweise einen Bio-Supermarkt, der gerne in die Innenstadt kommen würde. Wir haben ein Baby- und Kinderartikel-Supermarkt-Konzept, wo Sie sozusagen vom Kinderwagen bis zur Windel alles kaufen können. Das sind aber alles Einzelhändler, die brauchen mindestens 400 bis 500 qm Verkaufsfläche, die wir derzeit in der Innenstadt gar nicht anbieten können. Wir glauben, dass der private Immobilienmarkt zu dieser Umgestaltung nicht im Stande wäre, weil sie sich nicht wirtschaftlich durch zusätzliche Mieteinnahmen darstellen lässt. Dann ist es Aufgabe der Stadt, diese Struktur zu schaffen. Wir werden sogar noch ein weiteres Einkaufszentrum kaufen. Das werden wir am 2. Juli öffentlich bekannt geben. Das sind weitere 6.000 qm Verkaufsfläche in direkter Nachbarschaft zu den 12.000 qm, die wir schon erworben haben. Dann gehört der Stadt quasi der gesamte Einkaufszentren-Bereich in der Innenstadt. Das werden wir in den nächsten fünf bis sechs Jahren komplett neu aufstellen.

Der zweite Aspekt, den ich noch nennen wollte, ist die grundsätzliche Frage, wie unsere Innenstädte in Zukunft überhaupt aussehen sollen. Wollen wir, dass es die großen Logistikzentren auf der Grünen Wiese gibt und die Paketboten unsere Innenstädte verstopfen, während die Ladenlokale, die wir bis dato kannten, dann irgendwie alle leer stehen und veröden und am Ende sich nur noch Tattoo-Studios und Matratzenmärkte in den Innenstädten befinden? Das ist nicht die Vision, die Bürgerinnen und Bürger von einer guten Stadt haben. Wir setzen jetzt in Monheim am Rhein sehr stark auf das Konzept der Firma Atalanda, einen lokalen Onlinemarktplatz für den stationären Einzelhandel zu schaffen, der alle Angebote, alle Waren und Dienstleistungen der örtlichen Geschäftsleute bündelt. Wir wollen quasi das Amazon des Monheimer Einzelhandels aufbauen. Rund 160 Geschäftsleute aus dem Stadtgebiet machen derzeit mit. Wir haben 800 Gewerbetreibende im städtischen Gewerberegister, von denen wir glauben, dass sie auch Endkundenkontakt haben. Die haben wir alle eingeladen mitzumachen. 160 sind schon dabei, 40 weitere werden in den nächsten ein bis zwei Monaten freigeschaltet. Die stellen bereits rund eine Million verschiedene Artikel online zur Verfügung. Die örtliche Händlergemeinschaft organisiert auch den passenden Lieferservice dazu. Der Gedanke ist, dass die Kunden nicht warten müssen, bis sie in ein oder zwei Tagen beliefert werden, sondern wer bis 16.00 Uhr ein Produkt aus einem Monheimer Einzelhandelsgeschäft bestellt, das dort verfügbar ist, wird noch am gleichen Abend beliefert. Dieses Online-Instrument soll quasi den Einzelhändlern bei uns vor Ort Waffengleichheit mit dem Onlinehandel verschaffen. Lieferservice und 24 Stunden Sichtbarkeit der Produkte, so dass die Einzelhändler vor Ort dann ihre Stärken ausspielen können, die der Onlinehandel nicht hat. Persönliche Beratung, die Möglichkeit, bei Reklamation für Fragen vor Ort zur Verfügung zu stehen. Unser Ziel ist, in den nächsten Jahren möglichst die Hälfte dieser 800 Gewerbetreibenden im System zu haben, um dann möglichst mit über zwei bis drei Millionen Artikeln präsent zu sein. Damit kann man den Leuten vor Augen führen, was es im Ort alles gibt. Ein Anbieter, der nicht in der Innenstadt ansässig ist, bietet in diesem System Trampoline an. Ich wusste selbst nicht, dass wir einen solchen Anbieter bei uns im Ort haben. Ich glaube schon, dies ist ein Modell, um Online und Offline in einer Stadt zusammenzuführen und Kunden wieder aus dem Onlinehandel in die Städte zurückzuholen.

mi: Monheim ist nicht die erste Stadt, die das versucht. Was von lokalen Marktplätzen zu halten ist, wird auch in dieser Redaktion durchaus unterschiedlich bewertet. Beginnen wir mal mit der negativen Bewertung. Das Grundproblem dieses Modells ist, dass Sie damit versuchen, Amazon mit den eigenen Mitteln zu schlagen. Das ist ein aussichtsloser Kampf, weil Amazon ganz andere Mittel zur Verfügung hat. Die können eine taggleiche Belieferung, sofern sie wollen, auch in Monheim organisieren, nur um Sie zu ärgern. Es interessiert Jeff Bezos nicht, ob dadurch ein Verlust entsteht. Das Grundproblem aller lokalen Marktplätze ist, dass der Klick zu einem noch größeren Marktplatz nur einen Klick entfernt ist. Um den Marktplatz für Monheim zu nutzen, müssen die Leute vor ihrem Smartphone oder ihrem Tablett sitzen. Dann können sie auch einfach einen Klick weiter zu eBay, Amazon oder Alibaba gehen. Da gibt es nicht nur zwei Millionen Produkte, da gibt es 100 Millionen Produkte. Sie forcieren damit eine Technik, der sie am Ende lokal wenig entgegensetzen können.
Die positive Sichtweise lautet: Wenn der lokale Marktplatz gut gemacht, wenn er durchdacht ist und nicht einfach Amazon kopieren will, dann kann er Erfolg haben. Unglaublich wichtig ist, dass eine kritische Masse an Artikeln überschritten wird, damit der Klick zu Amazon & Co entfällt. Entscheidend ist, die lokale Öffentlichkeit durch bestimmte Anreize dazu zu bringen, diesen Marktplatz zu nutzen. Es gibt auch keine Alternativen dazu, denn die Alternative wäre, es zu lassen. Dann landen die Umsätze trotzdem bei Amazon & Co.

Zimmermann: Die Plattformen, die Sie gerade genannt haben, sind so oder so da. Mit denen muss der Handel sich so oder so auseinandersetzen. Er muss entscheiden, ob er es auch im Internet tut oder nicht. Das Internet bietet zumindest die Chance, präsent zu sein. Ich glaube, das Problem vieler Onlinemarktplätze ist, dass man die Umsetzung entweder den Händlern selbst überlässt oder irgendwelchen Verlagen und Wochenblättern, die damit neue Geschäftsmodelle aufbauen wollen. Wir halten das in Monheim am Rhein für eine kommunale Aufgabe, letztendlich für einen Aspekt der Daseinsvorsorge. Wir finanzieren die Software komplett aus städtischen Mitteln. Wir finanzieren den mitmachenden Händlern sogar ein professionelles Fotoshooting und einen professionellen Texter. Der Fotograf und der Texter stellen die Händler im Internet dar. Viele kleine Läden würden niemals eine eigene professionelle Internetseite erstellen können. Das lassen wir uns pro teilnehmendem Geschäft 600 Euro zzgl. Umsatzsteuer kosten. Wir versprechen jedem, der mitmacht, dass wir jedes erdenkliche Warenwirtschaftssystem, das in den Geschäften vorhanden ist, per Schnittstelle an diesen Online-Marktplatz anbinden. Die Einzelhändler müssen eigentlich überhaupt nichts machen, außer uns die Zustimmung zu geben, dabei sein zu wollen. Dieses komplette Paket lässt die Stadt Monheim am Rhein sich 600.000 Euro allein dieses und nächstes Jahr kosten. Den Betrag werden wir beliebig aufstocken, falls noch mehr Händler mitmachen oder falls wir noch aufwendigere Schnittstellen programmieren lassen müssen, um vielleicht ganz exotische Warenwirtschaftssysteme anzubinden.

mi: Die Schnittstellen werden Ihnen unserer Einschätzung nach noch viel Spaß bereiten. Letztlich steht und fällt der Erfolg, mit der Bereitschaft der Kunden zu sagen, es sei ein Wert an sich, vor Ort einzukaufen. In Monheim werden viele Bürger gesagt haben, dass sie das Modell gut finden. Das tatsächliche Einkaufsverhalten ist aber oft ein anderes. Das Trampolin ist ein schönes Beispiel. Es wird sicher auch noch ganz andere Artikel in Monheim geben, von denen viele Leute sagen, sie hätten gar nicht gewusst, dass es sie in Monheim zu kaufen gibt. Aber der typische Reflex eines Online-Nutzers heute ist, den Preis des Produktes in eine Suchmaschine einzugeben. Findet er dann in den Weiten des Netzes einen günstigeren Preis, dann sind wir an dem Punkt, dass der Kunde dann wirklich sagen muss, die Differenz sei es ihm wert, das Produkt in seiner Gemeinde zu kaufen, weil es um seine Stadt geht.

Zimmermann: Daran glaube ich nicht. Ich habe auch nie den Spruch für gut gehalten ‘Kaufe in deiner Stadt, damit sie eine Zukunft hat’, weil man solche Entscheidungen als Kunde nie aus Mildtätigkeit heraus trifft, sondern immer aus eigenem Konsuminteresse. Deshalb muss diese Plattform den Kunden das bieten, was sie letztendlich haben wollen. Sie darf nicht mit der Solidaritätsglocke durch den Ort laufen und sagen, das sind alles Monheimer Händler, die brauchen eure Unterstützung. Ich möchte aber noch einmal auf dieses Trampolin-Beispiel zurückkommen. Natürlich wird es Sparfüchse geben, die ein ganz bestimmtes Produkt kaufen wollen und weltweit Preise vergleichen. Die werden wahrscheinlich auch weiter beim günstigsten Anbieter kaufen. Aber eine Familie, die für ihre Kinder ein Trampolin kaufen will, sich noch unsicher ist, welches Produkt es sein soll, die vielleicht auch überfordert ist von der Vielfalt und den unzähligen Angeboten, die es im Internet gibt, warum sollte die nicht auf die Idee kommen, mal den örtlichen Fachhändler vor Ort zu besuchen, sich verschiedene Produkte zeigen zu lassen und dann am Ende dort die Kaufentscheidung zu treffen? Es ist eine riesige Chance für die Einzelhändler vor Ort, überhaupt diese Flagge hochzuhalten und in dieser sonntäglichen Kaufentscheidung erstmals wieder vorzukommen.

mi: Aus unserer Sicht ist es trotzdem nicht falsch, auf den Wert an sich hinzuweisen, vor Ort einzukaufen. Das ist ein Wert, keine Wohltätigkeit oder eine gute Gabe. Es geht um den Standort, es geht um Heimat. Es geht um Identität und diese Identität kann man durchaus damit fördern und entsprechend kommunizieren. Es liegt den meisten Menschen ja doch etwas an ihrer Kommune. Sie sind verwachsen mit den Nachbarn, mit anderen Eltern über die Schulen, über die Vereine. Möglicherweise treffen sie genau aus diesen Erwägungen heraus, vielleicht nur mit einem Punkt mehr, die Erwägung, vor Ort einzukaufen. Das kann das Zünglein an der Waage sein.

 Kommen wir noch zu einem anderen für den Einzelhandel nicht so ganz unwichtigen Punkt. Verkehrspolitik. Sie haben Ende letzten Jahres sehr umfangreiche Maßnahmen angekündigt, sowohl was die Beschleunigung des Autoverkehrs als auch des öffentlichen Nahverkehrs betrifft. Sie wollen den Bustakt verstärken, Fahrradverkehr verbessern. Wie sieht es eigentlich mit einem Parkkonzept für den Einzelhandel, den sie ausweiten wollen, aus? Sehen Sie vor, nah der Einkaufsquelle parken zu können oder halten Sie es wie viele Kommunen, die meinen, die Kunden müssten und wollten gar nicht das Auto benutzen? Das Dumme ist nur, die Parkplätze der Einkaufszentren auf der grünen Wiese sind immer gerammelt voll.

Zimmermann: Genau. Ich bin ein großer Freund davon, solche Sachen ohne Dogmatismus zu entscheiden. Wir wollen niemandem ein schlechtes Gewissen machen, wenn er mit dem Auto zu uns in die Innenstadt kommt, weil auch das Kunden sind, die hoffentlich ihr Geld dann auch ausgeben. Wir wollen es aber auch den Leuten einfacher machen, vielleicht mal mit dem Bus oder mit dem Fahrrad zu kommen. Die Stadt investiert sehr viel in diesen Bereichen. Wir werden ab dem Jahreswechsel ein eigenes Fahrradverleih-System aufbauen, in das wir nicht nur klassische Räder oder E-Bikes einspeisen, sondern in dem auch überall im Umkreis von längstens 300 m von jedem Punkt im Stadtgebiet aus Kinderräder und auch Transporträder den Monheimern zur Verfügung stehen sollen. Wir hoffen, dass der ein oder andere dann auch mal ein Transportrad zum Einkaufen nutzt, und sei es nur, um es mal auszuprobieren. Wir investieren sehr stark in den ÖPNV. Wir werden ab Herbst auf einigen Strecken sogar 5 Minuten-Takte anbieten können, was in einer Größenordnung Monheims sehr ungewöhnlich ist. Aber wir lassen die Leute auch mit dem Auto fahren, wenn sie das denn wollen. Am Ende muss das jeder selbst entscheiden. Und wir legen auch sehr viel Wert darauf, dass man in der Innenstadt weiter auf den öffentlichen Straßen eine Stunde, in den Tiefgaragen und Parkdecks der Einkaufszentren dann zwei oder drei Stunden kostenlos parken kann.

mi: Sie haben jetzt ganz oft gesagt, was Sie in Monheim als Stadt alles machen. Haben Sie nicht so ein bisschen Sorge, Sie könnten sich da übernehmen, wenn Sie eine eigene Wohnungsbaugesellschaft betreiben, Einkaufszentrum übernehmen, Fahrräder verleihen? Das sind alles Geschäftsbereiche, in denen auch Spezialisten unterwegs sind.

Zimmermann: Ich will Monheim am Rhein nicht zum real existierenden Sozialismus ausbauen und alles verstaatlichen. Was da unterwegs ist, beruht auf inhaltlichen Zielen. Sofern wir in Einzelfällen sehen, dass der private Markt das, was wir, was Bürgerinnen und Bürger brauchen, nicht leistet oder nicht leisten kann, dann darf und soll auch eine Kommune das in die Hand nehmen. Wir haben bei den Einkaufszentren die Situation, dass dort Investitionen in erheblichem Umfang erforderlich sind, die am Ende nicht rentierlich sein werden. Deshalb haben wir die Entscheidung getroffen, sie zu kaufen. Letztendlich werden wir aber auch mit allen diesen Dingen zumindest das eingesetzte Kapital für die Gesellschaften wieder zurückbekommen, sollten wir sie eines Tages doch verkaufen. Bei den Einkaufszentren haben wir im Übrigen keinen Euro eigenes Geld für den Ankauf ausgegeben. Wir haben unsere Rathausräumlichkeiten als Eigenkapital in die neu gegründete städtische Gesellschaft gegeben, die damit rund 20 Prozent Eigenkapital besitzt. Die übrigen 80 Prozent des Kaufpreises für das Einkaufszentrum haben wir über die Stadtsparkasse Düsseldorf finanziert. Lediglich der Zuschuss, den wir nachher in den Umbau in diese Gesellschaft geben werden, ist verloren, weil er nicht rentierlich ist. Die Monheimer Wohnungsbaugesellschaft, die wir gegründet haben, wird eine Eigenkapitalrendite erwirtschaften. Sie wird geringer sein als sie vielleicht eine LEG Wohnen oder eine GAGFA erzielt, weil wir große Teile des Geldes, das wir dort erwirtschaften, wieder in die Bestände investieren werden. Aber auch da werden wir am Ende mit einem Plus abschließen. Gleiches gilt für den Glasfaserausbau. Wir haben erlebt, dass die großen Anbieter, Telekom, Vodafone und Unitymedia, sich in den letzten Jahren sehr stark auf die Innenstädte der Großstädte konzentriert haben, wo mittlerweile sehr gute Bandbreiten verfügbar sind. Die mittelgroßen und kleineren Städte liegen aber in der Ausbauprioritätenliste weiter hinten. Wir haben einen Businessplan für dieses 30-Millionen-Invest, alle Immobilien in der Stadt mit Glasfaser auszustatten, der besagt, dass es uns reicht, wenn wir gerade mal 21 Prozent Marktanteil am Ende haben. Dann werden wir schon in der Lage sein, diese Investition auch wieder zurückzubekommen.

mi: Wer ist eigentlich „wir“ bei den von Ihnen genannten Projekten? Meinen Sie damit PETO?

Zimmermann: Wir, das sind in erster Linie die Monheimerinnen und Monheimer, vertreten durch den Stadtrat und mich als Bürgermeister, den sie gewählt haben.

mi: Wer leitet denn die Gesellschaften, die Sie neu gegründet haben? Wer sind die Geschäftsführer? Um Ihre Ideen erfolgreich umzusetzen, brauchen Sie doch Leute, denen Sie vertrauen können. Das dürfte eine gewisse Schwierigkeit für Sie sein, weil Sie mit PETO nicht auf ein überregionales Parteinetzwerk zurückgreifen können.

Zimmermann: Wir haben mit Stellenausschreibungen gute Erfahrungen gemacht. Ich halte es auch für richtig, Loyalität, die man von solchen Leuten am Ende auch erwarten muss, nicht über Parteizugehörigkeiten herzustellen, sondern wie in jedem anderen Arbeitszusammenhang auch. Wir haben immer in allen Bereichen gute Leute gefunden. Wir schreiben gerade die Stelle aus für den Stadtwerke-Geschäftsführer, weil der bisherige Stelleninhaber in Ruhestand gehen wird. Ich bin mir sicher, dass wir auch da einen guten finden werden, der gemeinsam mit uns im Stadtrat und mir den Glasfaserausbau weiterführt.

mi: Also nicht Herrn Börschel aus Köln?

Zimmermann: So richtig gestandene Stadtwerker will ich in dieser Position eigentlich gar nicht haben. Weil viele von denen, ich denke jetzt boshaft, aber ich sag es trotzdem, Dinosaurier sind, die eigentlich nur Strom und Gas zu verkaufen gelernt haben, vielleicht noch Wasser. Denen fehlt die geistige Flexibilität, ein neues Geschäftsmodell wie das Internet mit Inhalt zu füllen. Das ist nicht nur ein Infrastrukturthema, sondern am Ende wird auch entscheidend sein, welche digitalen Leistungen man auf so einem Netz auflegt. Wir werden die erste Stadt sein, die ein flächendeckendes WLAN Netz hat. Das ist erst einmal für die Allgemeinheit begrenzt auf 5 Megabit pro Sekunde und es gibt kein TV-Streaming. Wir wollen nicht, dass die Leute sich von zu Hause ins öffentliche WLAN einloggen, um Netflix zu schauen. Aber wir sind in der Lage, allen Kunden, die bei unseren Stadtwerken einen Festnetzanschluss über die Glasfaserleitung buchen, einen Internetzugang für bis zu 15 Geräte ohne Bandbreitenbeschränkung in der ganzen Stadt zu gewähren. Die brauchen im Prinzip, solange sie sich in der Stadt aufhalten, gar keinen Mobilfunktarif mehr. Das sind Geschäftsmodelle, die nirgendwo in der Schublade liegen, sondern von einem Geschäftsführer entwickelt werden müssen. Und dazu braucht es Veränderungsbereitschaft, auch Innovationsbereitschaft, geistige Flexibilität.

mi: Und keine fachfremden Loyalitäten.

Zimmermann: So ist es.

mi: Mit Blick auf die Uhr müssen wir leider schon wieder so langsam zum Ende kommen. Herr Zimmermann, wir würden gerne noch zwei Dinge fragen wollen. Das eine betrifft Ihre persönlichen Pläne. Sie haben in der Rheinischen Post im März gesagt, Sie treten bei der nächsten Kommunalwahl wieder an. Sie seien optimistisch, das Ergebnis vielleicht nicht steigern zu können, aber jedenfalls nicht zu scheitern. Bleibt es dabei? Die zweite Frage betrifft Ihre Partei PETO. Die Partei hat erklärt, nicht über die Grenzen der Stadt hinaus aktiv werden zu wollen. Das würde wahrscheinlich auch keinen Sinn machen. Was aber auffällig ist, ist die grundsätzliche Entwicklung, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa, weg von den klassischen Parteien. Ein Beispiel dafür ist die Bewegung La République en Marche in Frankreich, ohne sie mit PETO vergleichen zu wollen. Ist das, was in Monheim passiert ist, ein örtliches Ereignis oder ist es aus Ihrer Sicht ein genereller Trend?

Zimmermann: Zunächst, ich trete wieder an. Zur zweiten Frage: So gerne ich mich in diesem Vergleich sonnen würde, aber ich glaube, das französische Parteiensystem ist immer schon flexibler gewesen als das deutsche. Es gab immer schon Erneuerungsprozesse. Parteien haben sich dort unbenannt, wurden neu gegründet. Da, glaube ich, ist die französische Politik offener. Aber das Phänomen, das Sie angesprochen haben, macht bei uns die Stärke der Kommunalpolitik aus. Man spricht dort ganz bewusst eigentlich nicht von Parlamenten, sondern von Stadträten, von Institutionen kommunaler Selbstverwaltung. Das Idealbild ist, dass Bürgerinnen und Bürger Verantwortung übernehmen, kandidieren und die Geschicke ihrer eigenen Stadt in die Hand nehmen. Kommunen sollen bewusst keine staatlichen Institutionen sein, sondern als lokale Demokratie gedacht sein. Das ist uns in Monheim am Rhein, auch den Leuten, die mit mir in der Partei sind, sehr sehr wichtig. Dazu gehört für uns auch, dass alle Generationen an der Kommunalpolitik teilhaben, nicht nur diejenigen, die vielleicht schon seit 20 oder 30 Jahren im Stadtrat sitzen. Das versuchen wir auf eine sehr kommunikative Art mit den Bürgern zu kommunizieren. Was ich eher als große Herausforderung ansehe, ist die Frage, wie sich ein stärker werdender Rechtspopulismus entwickeln wird. Ich glaube, dass der vielen Städten nicht guttut. Das Tolle in der Kommune ist, man braucht keinen Pass, keine Staatsbürgerschaft, um dazuzugehören, sondern muss sich nur im Einwohnermeldeamt registrieren und schon ist man Bürger der jeweiligen Stadt. Das ist eigentlich ein sehr großartiges Konzept. Auf das Miteinander statt auf Ausgrenzung zu setzen, diese Kultur, die wir in Monheim am Rhein sehr stark pflegen, wird von vielen Menschen heutzutage infrage gestellt. Das ist ein großes gesellschaftliches Problem.

mi: Ist der Rechtspopulismus das Problem oder die Gründe, die zu seiner Entstehung führen?

Zimmermann: Das ist eine gute Frage, weil man das wahrscheinlich auch nicht immer trennen kann. Wir werden in Monheim am Rhein stärker darauf setzen, zum Beispiel über Städtepartnerschaften Menschen ein Gefühl dafür zu geben, welcher Wert auch in interkultureller Begegnung liegt. Ich glaube, jemand, der vielleicht als Austauschschüler die Erfahrung gemacht hat, mal zwei Wochen in unserer polnischen Partnerschaft in einer Gastfamilie zu verbringen, der geht anschließend offener und toleranter zu Hause mit interkulturellen Fragen um. Aber wir erleben ja auch, dass vielen Politikerinnen und Politikern sich angesichts solcher Parolen so bange machen lassen, dass sie sie plötzlich selbst übernehmen und damit nur noch mehr der Abgrenzung, der Ausgrenzung und Intoleranz Vorschub leisten.

mi: Man kann, egal ob es um Links- oder Rechtspopulismus geht, gesellschaftliche Probleme nur auf Basis des Zuhörens, insbesondere auch des Zuhörens der Wirtschaft lösen. Sie sind einen gewaltigen Schritt weitergekommen, weil Sie sich daran gehalten haben. Das beste Mittel gegen gesellschaftliche Krisen ist der wirtschaftliche Erfolg. Und den haben Sie mit Ihren Ideen. Dazu können wir Ihnen nur gratulieren. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mit uns zu diskutieren. Wir hoffen, dass Ihr Beispiel Schule macht.