Erhält die neue Deutsche Industrie- und Handelskammer eine Erweiterung ihrer Aufgaben durch die Hintertür?

Ende Januar und Anfang Februar berichteten wir über die Gesetzesinitiative des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi), die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) durch eine Novelle des IHK-Gesetzes auszuhebeln. Das BVerwG hatte mehrfach entschieden, IHK-Pflichtmitglieder könnten von ihrer IHK den Austritt aus dem Deutschen Industrie und Handelskammertag e. V. (DIHK) verlangen, weil der DIHK sich regelmäßig unzulässigerweise zu Themen äußert, bei denen ihm die Befugnis fehlt bzw. zu denen er keine ausreichende Abstimmung mit den IHKn vor Ort vorgenommen hat (vgl. Mi 22/20). Um zu verhindern, dass weitere IHKn aus dem DIHK austreten, hat sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in Abstimmung mit dem DIHK ausgedacht, dieses Problem durch eine Umwandlung des DIHK in eine Körperschaft öffentlichen Rechts, die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK), zu lösen, in der dann alle bundesdeutschen IHKn Pflichtmitglieder sind (vgl. Mi 02 u. 03/21).

Still und leise geht diese Änderung der Rechtsnatur des bisherigen DIHK einher mit einer Regelung im geplanten neuen §10a IHK-Gesetz, wonach die neue DIHK „zur Förderung und Durchführung der kaufmännischen und gewerblichen Berufsausbildung unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des Berufsbildungsgesetzes, Maßnahmen (Anm. der Red.: Fettung durch uns) treffen kann“. Das hat erneut den Bundesverband für freie Kammern (bffk) auf den Plan gerufen. Er sieht in dieser Erweiterung ein fatales Signal: „Die wirtschaftlichen Betätigungen der Industrie- und Handelskammern – insbesondere im Bereich Beratung und Bildung – sind tatsächlich seit vielen Jahren ein beständiger Reibungspunkt. Einerseits, weil immer wieder die Frage aufgeworfen wird, ob es zu den Aufgaben einer Körperschaft gehört, gewinnorientiert gewerblich tätig zu sein. Andererseits, weil vielerorts die Kammern hier auch in direkter Konkurrenz zu ihren eigenen Mitgliedern stehen. Wenn dann noch – wie ebenfalls leider festgestellt werden muss – im Bereich dieser Betätigungen immer wieder Fälle von Misswirtschaft, Veruntreuung oder Subventionsbetrug bekannt werden, so führt dies zu einer notwendigerweise noch kritischeren Betrachtung. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie vorliegend der Gesetzgeber hier eine Ausweitung plant, die mit höchst unbestimmten Rechtsbegriffen (Maßnahmen) fast grenzenlose Aktivitäten rechtfertigen würde.“

Dass dies kein theoretisches Problem darstellt, ist den jährlichen Kammerberichten des bffk zu entnehmen. Er verweist aktuell darauf, die DEinternational GmbH, ein Beteiligungsunternehmen des DIHK, habe ihrerseits allein 20 Tochtergesellschaften in 17 Ländern. Daneben gibt es beispielsweise die DIHK Service GmbH und die DIHK-Gesellschaft für berufliche Bildung – Organisation zur Förderung der IHK-Weiterbildung mbH. Schon die Namen verraten, dass hier von einem Verein, dem DIHK, Geschäftsbereiche abgedeckt werden, die von vielen Pflichtmitgliedern der IHKn ihrerseits betrieben werden. Zu den Tätigkeiten gehören beispielsweise Entwicklung von Lernmaterialien, Entwicklung und Bereitstellung von Apps für die berufliche Bildung, Broschüren zur Aus- und Weiterbildung, Seminare und Workshops. Im Klartext: Der DIHK macht auf diesen Feldern IHK-Pflichtmitgliedern mit deren Pflichtbeiträgen auf deren Geschäftsfeldern Konkurrenz.

Dabei ist der DIHK mit seinen Beteiligungen keinesfalls altruistisch, sondern mit Gewinnerzielungsabsicht unterwegs, wie der bffk bemängelt. Als Beispiel nennt er die DIHK-Bildungs-GmbH. Deren Bilanzentwicklung zeigt Erstaunliches: „Sie weist mittlerweile mit dem Jahresabschluss 2019 bei einem gezeichneten Kapital von nur 300.000,00 Euro Gewinnrücklagen in Höhe von insgesamt 12.391.000,00 Euro aus. Die Auswertung der Bilanzen der DIHK-Bildungs-GmbH belegt eindrucksvoll, dass der DIHK hier eine von einem gesellschaftlichen Bildungsauftrag völlig losgelöste und selbstbezogene Geldanhäufung betreibt. Bei unverändertem gezeichneten Kapital in Höhe von 300.000,00 Euro hat der DIHK über seine Tochterfirma, die sich der Öffentlichkeit als eine einem allgemeinen Bildungsauftrag verpflichtete Institution präsentiert, zwischen 2005 und 2019 rund 10,7 Millionen Euro erwirtschaftet und bis heute der Finanzierung von Bildungsaufgaben entzogen.“

Dem bffk fehlt es an der Vorstellungskraft anzunehmen, mit den neuen Möglichkeiten der Deutschen Industrie- und Handelskammer könnten diese Geschäftsbereiche eingeschränkt werden. Auch deshalb ist die Gesetzesnovelle aus seiner Sicht abzulehnen. bffk-Bundesgeschäftsführer Kai Boeddinghaus formuliert es so: „Aus Sicht der IHK-Mitglieder ist das wirklich eine absurde Vorstellung, dass die Antwort des Gesetzgebers auf die Rechtsbrüche des DIHK in einer Erweiterung seiner Befugnisse liegt. Genauso absurd ist die Vorstellung, dass die Antwort des Gesetzgebers auf die Geschäftemacherei des DIHK im Bereich der beruflichen Bildung nun darin liegt, ihm auch hier noch mehr Freiheiten zu verschaffen.“ Das sehen wir genauso.