Rechtsaufsicht der IHKn bleibt weitgehend untätig

In der Mittelstandsausgabe vom 3. Juli hatten wir über die kurz zuvor veröffentlichten Urteilsgründe der jüngsten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur unzulässigen Vermögensbildung in Industrie- und Handelskammern (IHKn) berichtet (vgl. Mi 14/20). Dabei hatten wir darauf verwiesen, dass die Rechtsaufsichtsbehörden uns gegenüber im Februar erklärt hatten, vor einem eventuellen Tätigwerden gegenüber den IHKn erst die Urteilsgründe abwarten zu wollen (vgl. Mi 04/20). Da uns bisher keine Tätigkeiten aufgefallen sind, haben wir bei allen Bundesländern nachgefragt, welche Konsequenzen sie aus den Urteilsgründen ziehen. Und siehe da, wieder sind die Antworten im Ergebnis recht dürftig, dafür aber häufig ziemlich gleichlautend ausgefallen.

Die Antwort des Wirtschaftsministeriums Schleswig-Holstein macht deutlich, wie wichtig man dort die Rechtsaufsicht über die Kammern nimmt: „In Schleswig-Holstein konnte aufgrund der coronabedingten Arbeitsbelastung und der derzeitigen Ferien-/Urlaubszeit eine abschließende Bewertung der nun vorliegenden Urteilsbegründungen noch nicht erfolgen. Erst nach der kommenden notwendigen genauen Analyse der Begründungen wird eine darauf basierende neue Prüfung der Wirtschaftspläne der schleswig-holsteinischen Industrie- und Handelskammern erfolgen.“

Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg teilt uns mit, zu den Konsequenzen der jüngsten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes befänden „sich die Rechtsaufsichten der Länder sowohl untereinander als auch mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in enger Abstimmung. Diese ist derzeit noch nicht abgeschlossen.“

Das Wirtschaftsministerium NRW erläutert, das BVerwG habe „keine grundsätzlich neuen Aussagen gemacht. Es hat ausgehend von den Grundsätzen seiner vorangegangenen Entscheidungen sehr eng am konkreten Sachverhalt argumentiert.“ Bedauerlich sei, „dass das BVerwG keinen Anlass gesehen hat, auf die umfangreichen Ausführungen des Vertreters des Bundesinteresses einzugehen. Davon hatten sich insbesondere die Rechtsaufsichten ein erhöhtes Maß an Rechtsklarheit versprochen. Das Gericht erkennt an, dass eine Ausgleichsrücklage gebildet und eine Nettoposition verändert bzw. angepasst werden darf. Bemerkenswert ist, dass sich das Bundesverwaltungsgericht erstmals dem Anlagevermögen zuwendet und dessen Rechtfertigung durch einen sachlichen, aufgabenbezogenen Zweck anspricht. Dies ist nach Auffassung der Rechtsaufsichten der Länder die Kernfrage aller Beitragsprozesse. Der Bund und die Länder werden ihren Austausch über mögliche Auswirkungen der Entscheidungen fortsetzen.“ Das klingt so, als ob das Land beleidigt sei, dass das BVerwG partout bei seiner Rechtsprechung bleibt. Im Übrigen tauchen diese Formulierungen so oder ähnlich anschließend bei allen Antworten auf.

Auch das Sächsische Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr beklagt, „die teils hohen Erwartungen an eine Rechtsfortbildung und größere Rechtssicherheit“ würden „mit den drei Einzelfallentscheidungen nicht erfüllt“. Die Sachsen glauben aber, einen Weg gefunden zu haben, möglichst nichts zu ändern. Denn aktuell sei zu berücksichtigen, „dass die sehr unterschiedlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie nunmehr zu beachten sind, die für die Streitjahre der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts selbstverständlich ohne Belang waren. Aus diesen jüngsten Entwicklungen resultieren neue Herausforderungen, deren Einschätzung, Abwägung und Lösung für Rechtsaufsichten und Kammern ebenfalls zu berücksichtigen sein werden.“

Das Niedersächsische Wirtschaftsministerium moniert ebenfalls die fehlenden grundsätzlichen Aussagen.Ärgerlich an dieser Feststellung ist, dass auch in Niedersachsen offenbar keiner auf die Idee kommt, es liege an den Kammern und dem fehlenden Einschreiten der Rechtsaufsicht. Sodann folgen die inzwischen bekannten üblichen Hinweise auf den Inhalt der Entscheidung. Immerhin hat das Ministerium gegenüber den Kammern reagiert. Die IHKn seien nach Veröffentlichung der Urteilsgründe aufgefordert worden, „die darin enthaltenen Hinweise und Maßgaben jeweils individuell für die eigenen Kammerwirtschaftspläne entsprechend umzusetzen und ggf. Erhöhungen der Nettoposition bzw. des festgesetzten Kapitals in der Vergangenheit vor dem Hintergrund des Urteils erneut zu bewerten“.

Das Saarländische Wirtschaftsministerium betont, die Aussagen zum Kammervermögen seien „nicht neu“. Bedeutsam sei, „dass sich das Bundesverwaltungsgericht auch dem Anlagevermögen zuwendet und dessen Rechtfertigung durch einen sachlichen, aufgabenbezogenen Zweck anspricht. Das ist oftmals ein wesentlicher Aspekt in Beitragsprozessen. Dementsprechend wird diesseits darauf geachtet, dass die Kammer dies transparent darlegt und rechtfertigt.“ Abschließend weist das Ministerium darauf hin, es sei bereits „ein in Kürze stattfindender Besprechungstermin zwischen der Rechtsaufsicht und der saarländischen IHK festgelegt worden“.

Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg wiederholt die abgestimmten Formulierungen, das BVerwG habe keine neuen Aussagen gemacht und sich auf „die spezifischen Fallgestaltungen der beklagten niedersächsischen Industrie- und Handelskammern“ konzentriert. Auch von Baden-Württemberg müssen sich die obersten Bundesrichter sagen lassen, sie hätten „die teils hohen Erwartungen an eine Rechtsfortbildung und größere Rechtssicherheit“ nicht erfüllt. Zumindest in einem Punkt will das Ministerium aber tätig werden: „Bemerkenswert ist, dass sich das Bundesverwaltungsgericht auch dem Anlagevermögen zuwendet und dessen Rechtfertigung durch einen sachlichen, aufgabenbezogenen Zweck anspricht. Dementsprechend achten wir darauf, dass die Kammern in Baden-Württemberg ihre Gebäude, Ausbildungseinrichtungen und sonstiges Vermögen transparent rechtfertigen.“

Sachsen-Anhalt kommt wegen der angeblich spezifischen Fallgestaltungen zu dem überraschenden Ergebnis, es ergäben sich „unseres Erachtens keine grundlegenden Rückschlüsse für die Beitragshöhen und das Vermögen der Kammern in Sachsen-Anhalt“. Aber weil das BVerwG auch Aussagen zur Behandlung des Anlagevermögens gemacht hat, wird man in Magdeburg darauf achten, „dass die Kammern in Sachsen-Anhalt ihre Gebäude, Ausbildungseinrichtungen und sonstiges Vermögen transparent rechtfertigen“. Und wie in Sachsen, so glaubt man auch in Sachsen-Anhalt, dass dies alles aufgrund der „sehr unterschiedlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie“ noch gesondert betrachtet werden muss.

Das Bayerische Wirtschaftsministerium beschränkt sich ebenfalls auf die schon wiedergegeben Punkte der abgestimmten Antwort der Länder. Daher wird auch Bayern darauf achten, „dass die Kammern ihre Gebäude, Ausbildungseinrichtungen und sonstiges Vermögen transparent rechtfertigen“. Und, siehe da, auch in Bayern kommen bei der Bewertung der Folgen des Urteils „die von Kammer zu Kammer sehr unterschiedlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie hinzu“.

Das Wirtschaftsministerium in Mecklenburg-Vorpommern nennt in seiner Antwort ebenfalls nur die bekannten Argumente und „achtet darauf, dass die Kammern ihre Gebäude, Ausbildungseinrichtungen (sofern vorhanden) und sonstiges Kammervermögen transparent rechtfertigen“. Es betont, es stehe „weiterhin in einem engen Kontakt mit den Kammern im Rahmen einer kooperativen Rechtsaufsicht.“ Nun ja, so kooperativ würden Unternehmer wahrscheinlich auch gerne beaufsichtigt.

Die Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft weist auf die bekannten Argumente hin und betont: „Die Aufsicht hat mit der IHK Berlin die gesetzlichen Erfordernisse von Zweck- und Aufgabenbezogenheit sowie das Verbot der Vermögensbildung entsprechend besprochen, nicht zuletzt auch auf Grundlage einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin aus 2018, die an die höchstrichterliche Rechtsprechung aus 2015 anknüpft.“

Unser vorläufiges Fazit: Was eigentlich noch geschehen muss, damit bundesweit Kammern sich an die höchstrichterliche Rechtsprechung bei der Aufstellung ihrer Haushalte halten, wissen wir nicht. Wir wissen allerdings, dass mit dieser Art des Umgangs weder die Kammern noch die Aufsichtsbehörden Vertrauen und Sympathie bei den vielen unzufriedenen Pflichtmitgliedern erwerben. Sollte das gar nicht gewollt sein, können Kammern wie Aufsicht weiter so verfahren. Sollte es aber das Ziel sein, mehr Zustimmung zu erhalten, dann werden die Beteiligten mal in einer stillen Stunde darüber nachdenken müssen, wie sie mit höchstrichterlichen Vorgaben in Zukunft umgehen wollen.