Warum die Mehrwertsteuersenkung für viele Unternehmen nur Nachteile bringt

Bundestag und Bundesrat haben inzwischen die bis zum 31. Dezember befristete Senkung der Mehrwertsteuer beschlossen. Wir bezweifeln stark, dass allen, die darüber befunden haben, wirklich klar ist, was diese Maßnahme in der Praxis bedeutet. Schon die Berechnung der Kosten für die Unternehmen durch das Statistische Bundesamt zeichnet sich durch eine gewisse Lebensfremdheit aus (s. Mi 14/20). Auch das Ergebnis unserer Umfrage, wie die kurzfristige und zudem auch noch befristete Steuersenkung aus Unternehmersicht zu bewerten ist, hat ein ganz anderes Bild gezeichnet als dasjenige, das die Bundesregierung vermittelt (vgl. Mi 13/20). Dass sich weder Bundestag noch Bundesrat von diesen Ergebnissen würden abhalten lassen, den von Bundesfinanzminister Olaf Scholz so bezeichneten „Wumms“ in die Tat umzusetzen, war uns schon im Vorfeld klar. Dennoch präsentieren wir heute einige wenige von zahlreichen Kommentaren, die die Umfrageteilnehmer abgegeben haben. Vielleicht führt deren Lektüre bei den verantwortlichen Politikern wenigstens dazu, sich ein realistischeres Bild der Praxis zu machen und sich zumindest von der Befristung zu verabschieden. Hier also eine kleine Auswahl der Stimmen von denen, die dies alles unternehmerisch umzusetzen haben:

„Warum der niedrige Satz ungünstig ist? Ein Beispiel: Hat der Endverbraucher sein Auto für 250 Euro geleast, spart er 6,30 Euro im Monat. Ob das den Aufwand für die Firmen rechnet? Nein! Dasselbe gilt bei Einkauf oder Reparatur von Gartengeräten. Viele Reparatur-Rechnungen liegen zwischen 60 und 120 Euro. Rechnen Sie die Ersparnis von 3 % heraus, merkt das der Endverbraucher?“ (Martin Landwehr, Gartentechnik Landwehr) „Wird den Konsum im Einzelhandel mit Bekleidung nicht beleben. Beginn der MwSt-Senkung fällt mit Reduzierungswelle zusammen und anschließend kommt der Schlussverkauf. Deshalb: Preissenkung kaum bzw. nicht spürbar und erkennbar.“ (Jochen Möhrle, Moden Wanner) „Es wird ein extrem hoher Aufwand für eine geringe Auswirkung beim Kunden. Nicht nur Waren müssen preislich verändert werden, sondern alle Abrechnungen mit Miete, Strom, Wasser, Versicherungen usw. Praktisch alle anfallenden Geschäftsvorgänge.“ (Manfred Bittner, Pohl Optik)

„Der größte Schwachsinn für den kurzen Zeitraum. Steuersenkungen werden beim Endverbraucher nicht ankommen. Umsätze werden nur zeitlich verlagert. Experten hatten Finanzminister Scholz von der Steuersatzsenkung dringend abgeraten. Wirtschaftlicher Aufwand viel höher als der anvisierte Erfolg.“ (Steuerberater Hans-Hermann Behr) „Der bürokratische Aufwand wird wegen sechs Monaten gigantisch. Der Ärger auch. Enorme Mitnahmeeffekte ohne Mehrwert. Gießkannenprinzip ohne klare Zielrichtung. Ein Großteil des Steuerausfalls verpufft sinnlos. Später Ärger mit der Finanzverwaltung (Betriebsprüfungen!) vorprogrammiert.“ (Fachanwalt für Steuerrecht Wolfgang Oswald)

„Leider bringt die temporäre Senkung nur mehr Nach- als Vorteile. Der erhoffte Nachfrageimpuls wird den Aufwand in KEINER Weise aufwiegen! Das hat mal wieder jemand auf den Weg gebracht, der leider nicht weiß, welche absurden Maßnahmen (Kassensysteme, Kosten Steuerberater, diverse Umstellungen etc.) damit einhergehen. Dies ist keine Entlastung des Mittelstands, sondern eher eine Belastung!!!“ (Peter Meyer, SP Meyer) „Für mich mehr Aufwand als Nutzen.“ (Foto Rieke) „Für die Apotheken ist die Umstellung nur mit Aufwand verbunden, ohne messbaren Vorteil für die Patienten.“ (Apotheker Peter Retzlaff) „Völliger Blödsinn und politischer Aktionismus. Eine Senkung der Lohnsteuer oder eine Senkung der Sozialabgaben wär sinnvoller. Jetzt hat der Handel die ganze Arbeit und Bürokratie am Hals und das nach den Geschäftsschließungen. Auf die nächste Umsatzsteuerprüfung kann man sich jetzt schon freuen.“ (Michael Wimmer, Baumarkt Egger)

„Eine endlos teure Fehlmaßnahme. Wirklich nützlich wären Gutscheine mit Verfalldatum gewesen, die an die unteren Einkommensgruppen auszugeben wären und von den Unternehmen mit der Umsatzsteuerzahllast zu verrechnen wären. Das hätte einen Schub für Einzelhandel und Gastronomie bedeutet und hätte mancher Familie oder manchem Rentner das finanzielle Leben erleichtert.“ (Steuerberater Peter Bünger) „Die Kosten für Umprogrammierung der Kassen, der Buchhaltungssysteme sowie der Programme zur Rechnungsschreibung erlauben es nicht, die Mehrwertsteuersenkung an die Endkunden weiterzugeben. Da hat sich die Politik etwas überlegt, ohne sich Gedanken zu machen, wer die Kosten zu tragen hat.“ (Steuerkanzlei Hohenhameln)

„Aufgrund der Kurzfristigkeit von Einführung und Ausstieg aus der MWSt-Senkung ist sie für meine Unternehmen nur eine Belastung. Die Maßnahme wird auch auf der Nachfrageseite nicht die erhofften Effekte bringen.“ (Franz Sauerwald, Motorgeräte Sauerwald) „Für alle bargeldintensiven Unternehmen ein wahnsinniger Aufwand bezgl. Zeit und Kosten (neue Preisauszeichnungen, Kassenumstellungen, bei Gastronomiebetrieben 3!!! Umstellungen innerhalb eines Jahres!!). Erhöhter Beratungsbedarf bei allen Unternehmen, die mit Abschlagszahlungen, Vorschüssen etc. arbeiten.“ (Steuerberater Dietmar Abrakat) „Warum muss man uns jetzt noch einen Knüppel zwischen die Beine schmeißen? Es reicht doch wohl!!!“ (Anette Kosten, Inhaberin Friseur Annette Kosten)

Die Stimmen sprechen für sich und sollten den Gesetzgeber bewegen, zumindest die Befristung der Maßnahme schnellstens zu beenden. Sollte der Gesetzgeber uns und den Unternehmern an der Basis nicht glauben, verweisen wir an dieser Stelle noch auf die Meinung des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn (IfM Bonn). Das Institut wird mit erheblichen Steuermitteln vom Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen gefördert. Die Autoren Prof. Dr. Friederike Welter und Hans-Jürgen Wolter haben sich in ihrer Studie 'Zum Konjunktur- und Krisenbewältigungs- sowie Zukunftspaket' mit den Maßnahmen der Bundesregierung befasst und sie aus Blickrichtung des Mittelstandes beurteilt. Sie kommen dabei im Hinblick auf die befristete Mehrwertsteuersenkung auf ein zunächst überraschendes Ergebnis: „Aus Sicht des Mittelstandes ist diese Maßnahme daher grundsätzlich zu begrüßen.“ Allerdings bewerten sie bei genauerem Hinsehen manches anders als der Gesetzgeber.

So betonen die Bonner Wissenschaftler, die Mehrwertsteuersenkung werde „im Einzelfall relativ geringe Auswirkungen auf die Entscheidungen von Anbietern und Nachfragern haben“. Dies sei jedoch insofern vorteilhaft, „als es in einem weit geringeren Ausmaß als bei 'gezielt lenkenden' Maßnahmen zu einer Verzerrung der Entscheidungen der Akteure kommt“. Im Klartext: Niemand wird allein wegen einer steuerlichen Preissenkung von 2,52 Prozent nunmehr im großen Stil Konsumausgaben tätigen, die er sonst nicht getätigt hätte. Umgekehrt wird der Konsum nach dem Ende der Mehrwertsteuersenkung deshalb nicht einbrechen. Dennoch hält auch das IfM Bonn die Befristung für einen Fehler. Zwar sei sie „angesichts des geschätzten Finanzbedarfs von 20 Milliarden Euro“ verständlich. „Gerade eine derartige strukturelle Maßnahme“, fahren die Autoren der Studie fort, wirkt „eher mittel- bis langfristig. Es wäre daher trotz des erheblichen Finanzbedarfs überlegenswert, diese Senkung über einen längeren Zeitraum beizubehalten und dies möglichst frühzeitig zu kommunizieren. Ein solcher Schritt ginge auch mit dem Vorteil einher, dass bei den Unternehmen die grundsätzlich positiven Effekte der Mehrwertsteuersenkung weniger durch den bürokratischen Mehraufwand verwässert werden.“