Wird die Rechtsaufsicht der IHKn wegen der unzulässigen Vermögensbildung endlich aktiv?

Ende Januar hatten wir kurz über die jüngsten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) berichtet, in denen es den verklagten IHKn Braunschweig und Lüneburg-Wolfsburg eine rechtswidrige Vermögensbildung attestiert (vgl. Mi 03/20). Aufgrund dieser weiteren höchstrichterlichen Entscheidungen hatten wir die Rechtsaufsicht in allen 16 Bundesländern befragt, ob sie endlich gegenüber den IHKn aufsichtsrechtlich tätig werden. Das Ergebnis war erwartet ernüchternd ausgefallen. Im Prinzip haben sich alle Landesministerien darauf berufen, die schriftlichen Urteilsgründe abwarten zu wollen (vgl. Mi 04/20). Diese liegen nunmehr vor und sind eine schallende Ohrfeige für viele IHKn und die Rechtsaufsicht in allen Bundesländern. Denn was die obersten Verwaltungsrichter der Republik ausführen, sind nicht Spitzfindigkeiten, sondern ist eine grundlegende Kritik am Finanzgebaren vieler IHKn.

So stellen die Leipziger Bundesrichter zum wiederholten Male fest, Kammern sei es verboten, Vermögen zu bilden. „Jeder Bedarfsansatz muss daher von einem sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit getragen werden und auch der Höhe nach von diesem gedeckt sein.“ Die Mittelbedarfs- und Einnahmeprognose bei der Aufstellung des Haushalts müssten im Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung „sachgerecht und vertretbar ausfallen“. Eine Ausgleichsrücklage zur Vorsorge von Beitragsschwankungen zu bilden, um die Aufnahme teurer Kassenkredite zu vermeiden, sei zulässig. Ihre Höhe müsse aber sachlich nachvollziehbar begründet werden. Der bloße Hinweis, einen „pauschal festgelegten maximalen Prozentsatz der geplanten Aufwendungen“ nicht zu überschreiten, genüge dafür nicht.

In den Fällen der IHK Lüneburg-Wolfsburg (Az. 8 C 10.19 u. 8 C 11.19), nahezu identische Ausführungen macht das BVerwG zur IHK Braunschweig (Az. 8 C 9.19), hält das BVerwG die Prognose zur Ausgleichsrücklage für „unvertretbar, weil sie die naheliegenden Möglichkeiten der Informationsgewinnung nicht annähernd ausschöpft und den Ablauf des Wirtschaftsjahrs bis zur Beschlussfassung über den Nachtragswirtschaftsplan völlig ausblendet“. Angebracht gewesen wäre, „zur realitätsgerechten Kalkulation des Risikos von Beitragsausfällen zunächst auf die Daten des laufenden Jahres zurückzugreifen und zu überprüfen, inwieweit die Beitragseinnahmen hinter den Annahmen des Wirtschaftsplans zurückblieben“. Die Methode der Kammer, stattdessen einen vierjährigen Zeitraum mit „jährlich schwankender Umlagehöhe“ zu verwenden, könne keine „sachnähere und realitätsgerechtere Prognose ergeben“. Unzulässig sei zudem gewesen, als Höhe der Rücklage das Dreifache des prognostizierten Beitragsausfalls anzusetzen. Mindestens ebenso peinlich für die IHK ist die Feststellung des Gerichts, für die Mittelbedarfsprognose einen „Reputationsschaden für den Fall einer Wahlwiederholung“ anzusetzen, sei von keinem „sachlichen Zweck zulässiger Kammertätigkeit gedeckt“. Bedenkt man dann noch, dass das BVerwG diverse Fragen nach möglicherweise falscher Bilanzierung oder Anrechenbarkeit der Positionen für die Rücklagen offen gelassen hat, weil es darauf gar nicht mehr ankam, wird der Umfang der 'Klatsche' für die IHKn deutlich.

Ebenso gravierend ist die Feststellung, einen Jahresüberschuss für die Erhöhung der Nettoposition zu verwenden, sei generell eine „unzulässige Vermögensbildung“. Denn, so das Gericht, ein Jahresüberschuss sei „grundsätzlich unverzüglich zur Finanzierung der Aufgabenerfüllung und damit zur Minderung des von den Kammerangehörigen durch Beiträge zu deckenden Mittelbedarfs der Kammer zu verwenden“. Dass eine solche Banalität noch 2020 einer IHK-Führung vom BVerwG gesagt werden muss, ist beschämend. Auch ein Passivtausch zur Erhöhung des festgesetzten Kapitals sei grundsätzlich unzulässig. Die Mittel zur Verringerung einer Passivposition seien „unverzüglich zur Minderung des von den Kammerzugehörigen durch Beiträge zu deckenden Mittelbedarfs der Kammer einzusetzen“. Und zu guter Letzt halten die Richter noch einen besonders sauren Drops für die Kammerfunktionäre parat: „Sowenig Kammern Vermögen bilden dürfen, sowenig dürfen sie es um seiner selbst willen bewahren.“

Dann schauen wir mal, ob nunmehr die Rechtsaufsichtsbehörden der Länder tätig werden, das nach wie vor in den Kammerhaushalten unzulässig schlummernde Vermögen der Mitglieder an diese auszuzahlen bzw. die Beiträge zu senken. Der Bundesverband für freie Kammern (bffk), der die Urteile für Mitglieder erstritten hat, schätzt die unzulässig angehäuften Mittel in den IHKn auf rund 400 Millionen Euro. „Dieses Geld“, so der bffk-Vorsitzende Frank Lasinski, „können die IHK-Mitglieder in diesen Zeiten gut gebrauchen.“ Stimmt! bffk-Geschäftsführer Kai Boeddinghaus fordert zudem einen sofortigen Stopp der Beitragsveranlagung der 36 IHKn, in denen es rechtswidrige Verschiebungen in die Nettoposition gegeben hat. In allen anderen IHKn müssten sofort „genaue Überprüfungen der Dotierung aller anderen Rücklagen eingeleitet werden“. Klingt nach viel Arbeit für IHK-Funktionäre.