Machtkämpfe in der IHK zu Köln auf Kosten der Mitglieder

Die Befürworter der Pflichtmitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern begründen diese in der Regel damit, nur so lasse sich eine staatsferne Selbstverwaltung der Wirtschaft organisieren. Die IHKn seien besser als ihr Ruf und wirkten zum Wohle ihrer Mitglieder. Viele Gerichtsurteile allein der letzten acht Jahre spiegeln ein ganz anderes Bild wider. Und auch ein beliebiger Blick in regionale Tageszeitungen zeigt häufig, was in vielen Kammern schief läuft. Wir verzichten in der Regel darauf, dies alles zu protokollieren. Das macht schon der Bundesverband für Freie Kammern (bffk). Wenn jedoch in einer der größten Kammern der Republik, der IHK zu Köln, mit aller Vehemenz mit den Geldern der Pflichtmitglieder ein Machtkampf um Spitzenpositionen ausgetragen wird, dann machen wir eine Ausnahme und berichten auch darüber.

Um den aktuellen Machtkampf zu verstehen, muss man ein wenig ausholen. Präsident der IHK war zuletzt Werner Görg, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Gothaer Versicherung und aktuell deren Aufsichtsratsvorsitzender. Er hatte sich 2015 im zweiten Wahlgang gegen Dr. Nicole Grünewald, Inhaberin einer Werbeagentur, durchgesetzt. Hauptgeschäftsführer war seit 2012 Ulf Reichardt, früher bei ThyssenKrupp tätig und dementsprechend hoch bezahlt (vgl. Mi 02/18 u. 10/17). Am 27. Mai 2020 wurde sein Vertrag einvernehmlich aufgehoben, weil, so Reichardt, er bereits „im März angekündigt habe, seine berufliche Zukunft außerhalb der IHK zu Köln“ fortsetzen zu wollen. Diese Ankündigung dürfte allerdings primär damit zusammenhängen, dass im Januar völlig überraschend Grünewald zur IHK-Präsidentin gewählt wurde und nicht Amtsinhaber Görg. Geholt wurde Reichardt 2012 vom damaligen Präsidenten Paul Bauwens-Adenauer. Zwar hatte auch die heutige Präsidentin Grünewald als Präsidiumsmitglied diese Berufung seinerzeit ausdrücklich begrüßt. Sie gehörte aber schon bald zu den schärfsten Kritikern der Amtsführung Reichardts.

Bauwens-Adenauer hatte die Berufung Reichardts damit begründet, Managementqualität in die IHK zu holen, um sie unternehmerisch besser aufzustellen. Ein sinnwidriger Vorgang, denn eine Kammer ist eine Kammer und kein Unternehmen! Wollte sie ein Unternehmen sein, müsste sie auf Pflichtmitglieder verzichten. Ob Reichardt sein hohes Gehalt je wert war, darüber gab es hinter den Kulissen schon häufiger Streit. Womit Reichardt allerdings nicht rechnen konnte, war die Wahl Grünewalds zur neuen Präsidentin der IHK zu Köln. Noch mehr getroffen hat dies wahrscheinlich aber Grünewalds Vorgänger Görg. Wer sich mit Menschen unterhält, die in der Vergangenheit mit ihm beruflich zu tun hatten, ahnt, wie sehr ihn dieser Machtverlust getroffen haben muss.

Die Retourkutsche folgte dann prompt am 28. Mai. Da fand auf Antrag von 28 Mitgliedern der Vollversammlung (von 92) eine außerordentliche Vollversammlung statt. Zu den Antragstellern gehörten u. a. namhafte Vertreter, die vor der Neuwahl das Sagen hatten (Ex-Präsidenten wie Görg oder Ex-Präsidiumsmitglieder wie Sandra von Möller). Sachlich monierten die Antragsteller u. a. eine Sonderprüfung früherer Geschäftsjahre, die das neue Präsidium veranlasst hat, und das Stoppen des Verkaufsprozesses des bestehenden IHK-Gebäudes. Die Vollversammlung hatte den Verkauf nach endlos langen Diskussionen 2019 beschlossen und bereits ein neues Gebäude in Köln-Mülheim erworben. Letztlich hat sich Grünewald in der außerordentlichen Versammlung durchgesetzt, ohne dass die Umstände, die die Rechnungsprüfungsstelle der IHKn moniert hat, aufgeklärt wären. Dazu sollen neben der Beanstandung des Haushalts 2019 auch Hinweise gehören, die explizit Reichardt betreffen. Er soll einen Berater engagiert haben, der über mehrere Jahre insgesamt mehr als 50 Prozent des vereinbarten Auftragswertes abgerechnet habe. Wie immer die Ränkespiele in Köln ausgehen: Zahlen müssen dafür die Pflichtmitglieder mit ihren Beiträgen.