Wie muss die Ordnungspolitik auf die Digitalisierung reagieren?

Für den 9. Januar hatte das Kompetenzzentrum Soziale Marktwirtschaft der Handwerkskammer Düsseldorf zu einer Diskussionsveranstaltung zum Thema Soziale Marktwirtschaft und Digitale Revolution eingeladen. Kammerpräsident Andreas Ehlert bezeichnete es selbst als gewagten Versuch, „so früh im neuen Jahr zu einer ordnungspolitischen Diskussion“ eingeladen zu haben, zumal bei dem „zugegebenermaßen etwas sperrigen Thema“. Während anderswo auf etablierten Neujahrsempfängen Sekt getrunken werde, so Ehlert, treffe sich das Handwerk, um über Ordnungspolitik zu reden – ohne Sekt. Das Thema sei jedoch wichtig, denn über die ordnungspolitischen Konsequenzen der Digitalisierung werde viel zu wenig gesprochen. Um dem abzuhelfen, hatte das Kompetenzzentrum den Vorsitzenden der Monopolkommission und Direktor des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW)/Mannheim Prof. Achim Wambach als Referenten eingeladen. Der gebürtige Rheinländer, der gerade erst von der dreitägigen Jahrestagung der Allied Social Science Associations (ASSA) aus Atlanta zurückgekommen war, ist passenderweise auch Co-Vorsitzender der Kommission 'Wettbewerb 4.0', die im Herbst 2018 von der Bundesregierung eingesetzt wurde. Dennoch konnte auch er nur wenige präzise und überzeugende Vorschläge für ordnungspolitische Konsequenzen präsentieren, was wahrscheinlich daran liegt, dass dazu derzeit niemand wirklich in der Lage ist.

Wambach ist in gewisser Weise ein Exot unter den Volkswirten, hat er zunächst doch Mathematik und Physik studiert, bevor er sich nach einer Promotion in Mathematik der Volkswirtschaft wissenschaftlich widmete. In seinem Vortrag 'Digitaler Wohlstand für alle – Ein Update der Sozialen Marktwirtschaft ist möglich' schilderte er anschaulich die Veränderungen innerhalb der Strukturen der Wirtschaft aufgrund der Digitalen Revolution. Für die Soziale Marktwirtschaft seien Preise als zentrales Allokationsinstrument, Privateigentum, fairer Wettbewerb und Sozialpartnerschaft charakteristisch gewesen. Die Digitale Marktwirtschaft werde dagegen durch Daten als Zahlungsmittel, eine Sharing Economy, Monopole und Clickworkertum gekennzeichnet. Also das genaue Gegenteil dessen, was Ludwig Erhard, Alfred Müller-Armack und Walter Eucken vorgeschwebt habe. Eine Folge dieser Veränderungen sei beispielsweise, dass sich die Preisaufschläge der Unternehmen in den USA seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts verdreifacht hätten und die Gewinne explodiert seien.

Deutschland wolle gemeinsam mit Europa die Marktmacht der großen Internetmonopolisten brechen. Entsprechend habe sich auch das Bundeskartellamt einige Anbieter der Plattformökonomie vorgenommen. Klingt beides gut, dürfte aber in der Praxis aus unserer Sicht nicht funktionieren. Wichtig sei dabei, so Wambach, die gesetzliche Änderung der 9. Kartellrechtsnovelle gewesen, ein Markt bestehe auch dort, wo Leistungen unentgeltlich erbracht werden. Ein Missbrauch der Marktmacht setze logisch voraus, dass es überhaupt einen Markt gebe. Der Markt der Suchmaschinen sei jedoch dadurch gekennzeichnet, dass die Suche für den Nutzer kostenlos sei. Folglich hätte dem Suchmaschinenmonopolisten Google ohne diese neue Definition niemals ein Marktmachtmissbrauch vorgeworfen werden können. Bei der derzeit laufenden 10. Kartellrechtsnovelle sei geplant, die Anwendung der Missbrauchsaufsicht auch auf Fälle relativer Marktmacht zu erstrecken.

Als konkrete Forderung verlangt Wambach die Einführung einer missbrauchsunabhängigen Zerschlagung von Unternehmen. Das Instrument der Fusionskontrolle versage in derart schnelllebigen Branchen, deren Entwicklung sich nur schwer vorhersagen ließe. Hier müsse es möglich sein, im Falle festgestellter Fehlentwicklung im Wege der Zerschlagung einzugreifen. Auch das klingt aus unserer Sicht gut, wird aber wohl eine akademische Forderung bleiben. Zudem monierte Wambach, es gebe in Deutschland einfach „zu wenig Prozesse und zu wenig Gutachten“ zu diesen Fragen. Das wollte er nicht als Plädoyer für Möglichkeiten zusätzlicher eigener Erträge verstanden wissen, sondern als Hinweis, derartige Fragen könnten nicht im rein akademischen Raum geklärt werden.

Nicht fehlen durfte in seinem Vortrag der Blick auf die Auswirkungen der Digitalisierung für die Arbeitsplätze. Klar sei, dass es massive Veränderungen in den Tätigkeiten gebe, ebenso klar sei, dass neue Möglichkeiten der Beschäftigung entstünden. Wichtig sei deshalb eine permanente Weiterbildung der Mitarbeiter. Das ZEW prognostiziert in einer Studie für die OECD einen Verlust von zwölf Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland. Wenn es nicht mehr werden sollen, müssen aus unserer Sicht irgendwann tatsächlich Monopolisten zerschlagen werden.