Zalando will den Konkurrenten Flaconi kaufen
Die Branche wird derzeit richtig durcheinandergewirbelt und gerade die Internet-Riesen machen das Spiel schnell. Dabei handeln sie nach ihren eigenen Spielregeln, die lauten: Umsatz einfahren um jeden Preis, also nach Möglichkeit zum Billigpreis. Das sind nicht die Regeln der Prestige-Kosmetik, die auf Markenwert setzt, der durch aggressives Preismarketing gefährdet wird. Genau dieses von den Depot-Lieferanten als nicht der Vertriebsstrategie gemäß eingestufte Umfeld dürfte der Grund sein, warum Zalando/Berlin für seine Beauty-Sparte bisher nur von der Estée Lauder Group/München autorisiert wurde. Nun soll Zalando vor der Übernahme von Flaconi/Berlin stehen, berichtet das Manager Magazin. Die Flaconi-Mutter, ProSiebenSat.1, könnte durch den Verkauf mit der Einnahme von rund 800 Mio. Euro rechnen. Eine Summe, die die hoch verschuldete TV-Gruppe gut gebrauchen könnte.
Zalando wiederum hat, was die Depot-Kosmetik anbelangt, dem Endverbraucher so gut wie nichts zu bieten: beispielsweise kein Clarins, kein Lancôme, kein Chanel oder Yves Saint Laurent. Doch es wäre wichtig für Zalando, solche Marken im Sortiment zu führen – um die eigene Marke im Premiumbereich aufzuwerten. Hier könnte möglicherweise Flaconi ins Spiel kommen, denn gegen dessen Autorisierung hatte sich aus dem Kreis der gängigen Parfümerie-Marken lediglich Clarins gestemmt (s. PK 03/21).
Der Erfolg, der Zalando im Beauty-Bereich beschert wurde, ist dagegen als überschaubar zu bezeichnen. In den Anfangstagen führte der Onlinehändler noch eine Kosmetiksparte, die wenig später eingestampft wurde. Seit 2017 hat Zalando das Projekt 'Beauty' wieder aufgegriffen, unter der Führung des Vorstands Rubin Ritter, der bereits den Rückzug aus dem Unternehmen angekündigt hat, und Claudia Reth, Vice President Category Specialities bei Zalando. Wer kein organisches Wachstum vorweisen kann, der kauft gerne zu. Kurz vor Redaktionsschluss erreicht uns allerdings eine Nachricht, die auch den finanziellen Spielraum von Zalando einengen dürfte. Der schwedische Investor Kinnevik schüttet, vorausgesetzt die Aktionäre stimmen zu, seine Beteiligung an dem Modehändler in Höhe von 21 % an seine Aktionäre aus. Aktuell besitzen die Schweden, die den Weg der Berliner vom Start-up zu einem Unternehmen mit 14.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als sechs Milliarden Euro seit 2010 begleiten, noch 54 Mio. Anteilsscheine.
'mi'-Fazit: Eine mögliche Übernahme von Flaconi durch Zalando wäre auch als Angriff auf Douglas/Düsseldorf zu werten. Der Marktführer sieht sich inzwischen als Online-Player mit Filialen und setzt allein im E-Commerce mehr als dreimal so viel um wie Flaconi, von Zalando ganz zu schweigen. Umsatz und Profit sind allerdings zwei ganz verschiedene Paar Schuhe. Beim Thema Gewinn drückt Flaconi kräftig der Schuh. Bei der ganzen Online-Euphorie wird gern vergessen, dass die Big-Player des E-Commerce nach wie vor jede Menge Geld und Markenwert vernichten. Noch immer wird dieses Vorgehen mit dem Gewinn von Marktmacht gerechtfertigt. Das dürfte letztlich auch das Kalkül von Zalando sein. Doch Flaconi dürfte eine teure Braut werden.
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