Ungleichbehandlung von Familienbetrieben — Händler helfen Händlern-Initiative kündigt Verfassungsbeschwerde gegen das Infektionsschutzgesetz an
Marcus Diekmann, Geschäftsführer von Rose Bikes/Bocholt, ist im deutschsprachigen Raum nicht nur unter Fahrrad-Spezialisten bestens bekannt. Bei Markenlieferanten genießt er Respekt. Bei Familienbetrieben in vielen Fachhandels-Branchen erhält er für sein Engagement für und bei der Händler-Initiative Händler helfen Händlern viel Anerkennung. Die Händlergruppe gründete er bereits am 19. März 2020. Mittlerweile zählt die Gruppe über 3.800 Mitglieder. Mit dabei sind u. a. Rose Bikes, BabyOne, MediaMarkt, Saturn, Tom Tailor und Intersport. Marcus Diekmann legt gemeinsam mit einem Gremium seiner 'Händler helfen Händlern'-Initiative den Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde gegen das Infektionsschutzgesetz offen. Der Rose-Bike-Chef am 'mi'-Draht:
„Wir haben damit aufgehört, Angela Merkel zu überzeugen. Wir werden gegen das Infektionsschutzgesetz klagen. Das können wir, weil wir betroffen sind. Es könnten auch Kunden klagen, die in der Zeit der Zwangsschließungen bei uns keine Fahrräder kaufen durften, während Möbel- oder Verbrauchermärkte Fahrräder in billiger Machart aggressiv beworben und auch verkauft haben. Unsere Kriegskasse für die Klage ist voll. Unsere Klage gegen das Infektionsschutzgesetz basiert auf drei Säulen, die die Ungleichheit gegenüber Fachhändlern bzw. Fachmärkten aufzeigt. Zum einen bezieht sich die Ungleichheit auf die Tatsache, dass z. B. Gartenmärkte wie auch Raiffeisenmärkte öffnen dürfen. Diese verkaufen auch Waren wie Schuhe, die Schuh-Fachhändler nicht verkaufen dürfen. Fahrrad-Fachhändler wie wir dürfen ihre Werkstatt offen halten. Fahrräder verkaufen dürfen wir jedoch nur mit Terminvorgabe oder über Click & Collect. Ungleich behandelt fühlen sich alle Fachhändler zudem gegenüber Discountern wie Aldi, Lidl usw. sowie Supermärkten wie Rewe, Edeka usw. Diese verkaufen innenstadtrelevante Sortimente wie Sportartikel und Schuhe. Fachhändlern wurde dies im letzten Jahr wochenlang verboten bzw. dürfen dies nur mit einem betriebswirtschaftlich nicht mehr zu rechtfertigenden Aufwand. Eine weitere Säule unserer Klage bezieht sich auf die Vorgabe, wen die Bundesregierung als systemrelevant einstuft. Schuh-, Sport- und Fahrrad-Fachhändler leisten einen wichtigen Beitrag zur Gesunderhaltung von Menschen. Zur dritten Säule der Ungleichbehandlung zählen wir den Begriff des Infektionsherdes. Wie kommt es, dass hohe Ansammlungen von Kunden bei Discountern z.B. an den Kassen oder ihren Aktionstischen keine Beachtung finden, wenn es um Infektionsherde geht? Wohl aber Fachhändler selbst mit kleiner Verkaufsfläche und nur wenigen Kunden zum Zwangsschließen verurteilt werden? Mit in unser Vorgehen gegen das Gesetz spielt zudem die Frage eine Rolle, ob die Zwangsschließungen einem enteignungsgleichen Eingriff entsprechen.“
An Praxisbeispielen, durch die die Ungleichheit sichtbar wird, zählt Marcus Diekmann auf: „Unseren Mitarbeitern fällt auf, dass die Werbeaktionen der Verbrauchermärkte, die auch Sportartikel und Fahrräder bewerben, zugenommen haben. Wenn unseren Kollegen in den Werkstätten Fahrräder zur Reparatur gebracht werden, sprechen Kunden sie an. Fazit: Kunden sprechen uns verstärkt darauf an, dass Baumärkte, Möbelmärkte, Verbrauchermärkte und Discounter wie Aldi, Lidl usw. Fahrräder im Sortiment führen und es hierfür keine Terminvergabe gibt. Wenn die Kunden diese Verordnung nicht mehr verstehen, ist es an der Zeit, dass wir mit unserer Verfassungsklage aktiv werden.“
Übereifrig aktiv werden politisch Verantwortliche, wenn Familienbetriebe mit kreativen Aktionen auf ihre Zwangsschließungen aufmerksam machen wollen. Im Februar machten die Kinderschuh-Fachhändlerinnen Nicole Landgraf, Schuhhaus Landgraf/Bonn sowie Dr. Nadine Gruber, Gruber Kinderschuhe/Bonn mit einer Genehmigung durch die Stadt Bonn einen Kinderschuh-Verkauf möglich. Anpassen, anprobieren und jedem Kind passende Schuhe zu ermöglichen, das war das Anliegen der Bonner Fachhändlerinnen. Das zuständige Ministerium der Landesregierung in Düsseldorf rügte sofort nach Bekanntgabe der Öffnung die Stadt Bonn wegen ihrer Genehmigung für die Fachbetriebe. Diese mussten daraufhin zahlreiche Eltern, die ihren Kindern passende Schuhe kaufen wollten, mit einer Anpassung auf Abstand bzw. mit einer Telefon-Diagnose vertrösten.
In Baden-Württemberg wurde die Eröffnung des Ersten Klopapier-Flagshipstores durch Annette und Marcel Jundt, Mode Blum-Jundt/Emmendingen im gesamten deutschsprachigen Raum bekannt. Mit einer Sortiments-Schwerpunkt-Umstellung konnten die Fachhändler zunächst ihr Fachgeschäft öffnen. Annette Jundt am 'mi'-Draht: „Unsere Landespolitiker änderten die Coronaverordnung schnell. Jetzt müssen mit dem Sortiments-Schwerpunkt 60 % des Umsatzes erzielt werden“ (s. SPS 15, 14/21).
Norbert Kremsreiter, Inhaber von Trendline/Freyung, startete Anfang April mit einer Erweiterung seines Fachgeschäftes. Im Angebot des Fachgeschäftes: Hygiene, Fashion und Regionales. Knapp zwei Wochen später informiert er auf seiner Facebook-Seite: „Wir sind fassungslos – wo bleibt die Gerechtigkeit? Trotz intensiver Bemühungen, massiver Sortimentsumstellung und Neuausrichtung, damit wir wenigstens mit einem kleinen Teil unseres Geschäfts weitermachen können, dürfen wir Klopapier & Fashion nicht weiterführen. Warum? Fehlt uns die Lobby? Weil wir nicht Aldi & Co. heißen? Aber wir geben nicht auf! Ihr dürft weiterhin zu uns kommen – mit einem negativen Coronatest stehen Euch jetzt 950 m² aktuelle Frühlingsware zur Verfügung. Vielleicht ein kleiner Wehrmutstropfen. Bitte haltet uns die Treue – wir brauchen Euch mehr als je zuvor!“
Über Rheinland-Pfalz hinaus wird von Familienbetrieben ein Fernsehbeitrag der Landesschau Rheinland-Pfalz verfolgt. Rüdiger Schäfer, Inhaber von Schuhhaus Stephan/Alzey, kommt darin zu Wort. Auch er verkauft Klopapier bzw. Sanitätsartikel, Pasteten und Nudeln. Mit seiner Sortimentserweiterung spricht er das Problem der Ungleichbehandlung von Fachgeschäften offen aus.
Liebe Kundinnen und Kunden,
Es ist ein schmaler Grat. Ein wenig will ich der 'Till' der Einzelhändler sein mit meiner 'Eulenspiegelei'. Denjenigen, die die aktuellen Regeln verantworten, den Spiegel vorhalten. Aber natürlich auch Recht und Gesetz achten. Nach wie vor gilt: Der Schutz der Kunden und Kollegen und Kolleginnen ist ganz wichtig — von den üblichen Hygienemaßnahmen bis zu regelmäßigem Lüften und demnächst auch Testen, tun wir alles um der Corona-Pandemie keinen Vorschub zu leisten! Aber wir wollen natürlich auch unsere schönen und gut passenden Damen- und Herrenschuhe verkaufen, ganz zu schweigen von den Kinderschuhen. Die können nicht warten bis die Pandemie vorbei ist — deren Füße wachsen und gerade sie brauchen passende Schuhe aus dem Fachgeschäft!
Ihr Rüdiger Schäfer
Schuhhändler aus Leidenschaft
Quelle: Schuhhaus Stephan/Alzey
'mi'-Fazit: Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt. Jede Art der Aufklärung über nicht nachvollziehbare Entscheidungen von Politikern gegen Familienbetriebe hilft. Hierzu gehört auch der aktuelle Kommentar von 'mi'-Herausgeber Olaf Weber: Merkels 'Notbremse' ist ein Dauerlockdown ins Nirgendwo – 'markt intern' unterstützt Verfassungsbeschwerde(n). Sie finden ihn auf miDIREKT – www.markt-intern.de. Aufklären mit hohem Aufmerksamkeitsgrad, das steckt auch hinter unserem offenen Brief. Wir halten ihn als Entwurf für Sie bereit. Adressat: Die Aldi- oder Lidl-Zuständigen in Ihrer Nähe. Auszug: „Alle Mitarbeitenden unseres Fachgeschäftes haben mit großer Sorge die hohen Kundenansammlungen in Ihrer Filiale beobachtet. Zu unterschiedlichen Zeiten konnten wir lange Schlangen auf Ihrem Parkplatz sowie an Ihren Aktionstischen beobachten. Auf diesen bieten Sie Mode-, Schuh- und Sportartikel an.“
Ihre Vorteile: Sie konfrontieren die Filialchefs direkt mit dem Problem. Sie bieten Ihre Hilfe an, um die Infektionszahlen zu senken. Veröffentlicht werden sollte Ihr offener Brief von der Tages- oder Wochenzeitung, in der Sie inserieren. Mitstreiter in Ihrer Werbegemeinschaft oder in Ihrem Gewerbeverein sollten sich Ihnen anschließen. Interessiert? Senden Sie uns das Stichwort SPS 17/Offener Brief an Aldi, Lidl an [email protected].
Chefredakteurin