„Die neuen Tricks der Optiker“: 'stern'-Redaktion bekommt Ihre Roten Karten
„Ich habe von vielen Optikern die Rückmeldung erhalten, dass sie zuerst einmal aufgeschreckt waren, aber dann darüber mit den Kunden ins Gespräch kamen“, schildert 'stern'-Redakteurin Silke Gronwald die Resonanz auf ihre Titelstory im Heft 30 dieses Jahres (s. u. a. O 31, 32, 34/18).
Mit dem Thema 'Die neuen Tricks der Optiker' auf der Titelseite warb das Wochenmagazin vom 19. bis 25. Juli um Leser. Tricks im Sinne von krummen Machenschaften suchte man in dem zehnseitigen Artikel dann vergebens. Anhand von zwei Gleitsichtbrillen-Testkäufen bei Fielmann und Brille24 nimmt die Autorin eine gesamte Branche mit der Unterstellung „wahnwitziger Gewinne“ in Sippenhaft. Bei der Preiserläuterung wird die Wertschöpfung mit der qualitativ hochwertigen Gesundheits-Dienstleistung und handwerklichen Facharbeit des Augenoptikers nicht gewürdigt. Stattdessen stellt sie dem Verkaufspreis den Preis von 70 Cent für einen Einstärkenglas-Rohling bzw. bis zu 10 € für einen Rohling für komplexe Gleitsichtgläser gegenüber. Der Vergleich des Einkommens eines Arbeiters in einer thailändischen Glasfabrik (rund 260 € im Monat) mit dem bis zu Zehnfachen, das ein deutscher Geselle verdient, wird im Artikel angebracht und soll offensichtlich als Indiz dafür herhalten, dass Optiker hierzulande den Hals nicht voll bekommen. Angaben zum grundsätzlichen Lohnniveau in Thailand und eine damit einhergehende Relativierung dieser Aussage sucht der Leser vergeblich.
Mit der von 'markt intern' initiierten Protestaktion 'Rote Karte für die neuen Tricks des stern' (O 30/18) protestierten in den folgenden Tagen 1.054 Augenoptiker gegen die als unseriös empfundene Berichterstattung und die Verunglimpfung der Augenoptik-Branche. Durch die Kommunikation über den Facebook-Kanal von 'markt intern' erfuhren auch Fachhandwerker und -händler anderer Gewerke und Branchen von der Aktion und solidarisierten sich mit den Augenoptikern. Mit dieser breiten Legitimierung für den Einsatz für Ihre Interessen suchte 'markt intern' den direkten Dialog mit dem 'stern', vor allem um zukünftig wiederkehrendem Ungemach aus dieser Ecke vorzubeugen. Zur Mahnung: Das vom 'stern' vor vielen Jahren strapazierte Bild der „Räuber in Latzhosen“ (gemeint sind die Installateure des Sanitär- und Heizungsgewerks) ist bis heute in den Köpfen und die SHK-Branche hat bis heute mit dem belasteten Verhältnis zu den Kunden zu kämpfen. Und da der Gruner + Jahr-Titel sich nun schon zum 2. Mal (nach 2013; „Die Tricks der Optiker“ ) auf unsere Branche eingeschossen hat, war es angebracht, hier Aufklärungsarbeit zu leisten.
So schnell der Sturm der Entrüstung das 'mi'-Fax mit Initiierung der Protestaktion überquellen ließ, so lange dauerte es, bis sich ein Termin zum offiziellen Überreichen der Protestbögen fand. Nach dem kurzfristigen Platzen einer Ende September geplanten Übergabe (O 39/18) faxten wir die Rückläufer zwei Tage lang weiter an den 'stern'. Am 7. November war es dann endlich soweit. Mit einem symbolischen Protestbogen (siehe S. 2) reiste Ihre Chefredaktion zum Verlagsgebäude von Gruner + Jahr nach Hamburg. Erstes Ausrufezeichen: Wir wurden nicht allein von der Redakteurin empfangen, sondern auch von dem Leiter des zuständigen Ressorts Politik und Wirtschaft, Stefan Schmitz. Das unterstreicht, wie ernst die Redaktion Ihren Unmut nimmt. Die erste Frage an uns war dann aber, was uns bewege, uns dieses Protests anzunehmen und die Federführung übernommen zu haben. Das unterstreicht, wie außergewöhnlich auch für gestandene Medienvertreter das 'markt intern'-Selbstverständnis ist, sich für seine Leser lobbyistisch einzusetzen und deren Interessen zu vertreten.
Es folgte ein offener Meinungsaustausch, in dem Stefan Schmitz zunächst den provokanten Titel erklärte: „Wenn man so eine Geschichte für den 'stern' macht, ist der Titel natürlich zugespitzt.“ Zugegeben, solche Herausforderungen kennen auch wir bei dem Verfassen unserer Überschriften, auch wenn wir bei der Meinung bleiben, man könne sie besser lösen. Auf die Frage nach den angekündigten Tricks erläuterte er: „Es ist ein Wesensmerkmal der Augenoptik-Branche, dass dort eine hohe Intransparenz hinsichtlich der Preisgestaltung vorhanden ist. Unser Anliegen ist: Du kaufst ein Produkt, das sich in Kriterien unterscheidet, die für den Nutzer nicht nachvollziehbar sind.“ Ob diese Intransparenz das ist, was landläufig die potenziellen Leser unter Tricks verstehen, überzeugt uns nach wie vor nicht. Auf die Frage nach der Auswahl der Probanden, die die größte Anbietergruppe der inhabergeführten Augenoptik-Betriebe außen vor lässt, erläutert Stefan Schmitz: „Wenn wir einen kleinen Optiker geprüft und dort Fehler aufgedeckt hätten, dann würden Sie zu Recht sagen, der sei nicht repräsentativ. Die unabhängigen Optiker sind keine homogene Gruppe.“ Diese Argumentation können wir indes voll nachvollziehen, auch wenn sie unterstellt, dass auch diese Anbieter keinen einwandfreien Job machen.
Auf unseren dahingehenden Widerspruch erhalten wir eine bemerkenswerte Zusage des Ressortleiters: „Wenn Sie uns einen Optiker benennen, der den von uns gestellten Kunden ausführlich berät, sich bei der Refraktion und dem Zurechtschleifen der Gläser über die Schulter schauen lässt und uns dann erklärt, wie er zu dem Verkaufspreis kommt – er muss sich nicht bis aufs Letzte öffnen –, dann ist das genau das, was wir suchen.“ Im Klartext: Die 'stern'-Redaktion gibt 'markt intern' am 7. November 2018 in Hamburg die verbindliche Zusage, dass sie einen traditionellen Augenoptiker in Form einer bebilderten Personality-Story porträtiert, dessen Broterwerb und sein Business vorstellt. An dieser Stelle also unser Aufruf: Wenn Sie keine Scheu haben, sich und Ihr Unternehmen vom 'stern' für eine redaktionelle Story porträtieren zu lassen, und der Redaktion Einblicke gewähren würden, schicken Sie uns eine formlose E-Mail und begründen kurz, wie Sie sich einen solchen Beitrag vorstellen können. Ja, es müssen Einblicke gewährt werden, andererseits hat der 'stern' immer noch eine wöchentliche Druckauflage von rund 620.000 Exemplaren. Interessenten schicken uns also bitte ihre Kurzbewerbung.
'mi'-Fazit: Ihr Protest ist auf offene Ohren gestoßen – unser Dank geht noch einmal an alle Teilnehmer, die uns mit einem so zahlreichen Votum autorisiert haben 'markt intern' konnte im Gespräch verdeutlichen, dass eine (Gleitsicht-)Brille keine Handelsware ist, die ein- und wieder verkauft wird, sondern ein für den Kunden maßgeschneidertes Gesundheitsprodukt Den Vorwurf der Intransparenz sollte die Branche aber durchaus ernst nehmen – eine Bepreisung der einzelnen erbrachten Dienstleistungen würde da für den Fehlsichtigen Licht ins Dunkel bringen Wer sich zutraut, kritischen Journalisten Rede und Antwort auch hinsichtlich seiner Preisgestaltung zu stehen, wendet sich wie skizziert an die Redaktion. In Abstimmung mit den Kollegen des 'stern' werden wir einen Kontakt für die Folge-Story vermitteln.
Chefredakteur
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