Thebens Weg: Kann die Strategie, technologieorientiert und gleichermaßen traditionell zu sein, überzeugen? Teil 2

„Wir haben das Smart Meter Gateway Conexa 3.0 entwickelt, das den Ursprung in einer deutschen Initiative hat, jedoch inzwischen auch in den Nachbarländern mit großer Aufmerksamkeit beobachtet wird – schließlich sind die Energiewende und die Klimakrise keine rein deutschen Phänomene. Wenn wir mit Theben einen Beitrag für eine erfolgreiche Energiewende leisten können, mit einem Gateway für die sichere Kommunikation und Steuerung von Messwerten, Anwendungen und Mehrwerten, dann habe ich große Lust auf die Zukunft.“ Mit diesem Zitat haben wir den ersten Teil des Interviews mit Paul Sebastian Schwenk, Vorstandsvorsitzender der Theben AG/Haigerloch, Spezialist u. a. für energieeffiziente Haustechnik, intelligente Gebäudeautomation und nachhaltige Smart-Energy-Lösungen eingeleitet, das in der vergangenen Woche erschien. Wir ziehen es wieder heran, um den zweiten Teil einzuleiten, in dem es um Weltmarktführerschaft, Dornröschenschlaf und einen 'App Store' der Energiewelt geht.

Theben hat ein umfangreiches Produktportfolio: Von der Zeit-, Licht- und Klimasteuerung über KNX-Gebäudesystem- und Smart-Home-Lösungen bis hin zu Produkten für die Digitalisierung der Energiewende. Welchen Anteil am Unternehmensumsatz haben diese jeweils? PSS: „Theben hat vier Business Units. Controls – das sind die Produkte, die wir schon seit über 100 Jahren herstellen: Zeitschaltuhren und Erzeugnisse zur Zeit-, Licht- und Heizungssteuerung. Das ist unser Kerngeschäft - und auch unsere 'Cashcow', die uns die Technologien und Innovationen der Zukunft finanziert. Wir sind hier Weltmarktführer; das ist der größte Marktanteil und der hat auch den größten Umsatzanteil.“

Weltmarktführer? PSS: „Ja, bei den digitalen Zeitschaltuhren wurde Theben in den Weltmarktführer-Index Deutschland 2022, der in der Sonderausgabe der WirtschaftsWoche 'Die 500 heimlichen Weltmarktführer' veröffentlicht wird, aufgenommen. Hier werden Unternehmen aufgelistet, die in der Bundesrepublik zu Hause sind und als Weltmarktführer bei bestimmten Produkten oder in bestimmten Geschäftsfeldern gelten. Das Kompendium 'Deutsche Standards – Marken des Jahrhunderts', das von der Verlagsgruppe DIE ZEIT herausgegeben wird, zeichnet jene Marken aus, die die deutsche Wirtschaft prägen. Jeweils eine Marke pro Produktgattung wird prämiert. An Theben ging die Auszeichnung im Bereich 'Treppenlicht-Zeitschalter'.“

Und die anderen drei Business Units? PSS: „Das sind erst einmal Detection & Lighting und Building Automation. 2007 haben wir ein Unternehmen in der Schweiz akquiriert, HTS, den Erfinder des Präsenzmelders. Das hat unser Portfolio sehr gut ergänzt. So sind wir breit aufgestellt, indem wir auch Sensorik und Steuerung mit anbieten können. Parallel kam der Bereich Building Automation. Als die KNX Association gegründet wurde, war Theben quasi von Beginn an dabei. Inzwischen haben wir hier über 30 Jahre Erfahrung und ein breites Portfolio an KNX-Lösungen, angesiedelt in der Geschäftseinheit Building Automation. Smart Energy ist die vierte Business Unit. Hier ist auch das Smart Meter Gateway 'CONEXA 3.0' entwickelt worden, das die Digitalisierung der Energiewende der Zukunft möglich macht. Das zeigt, dass Theben mehr ist als 'nur' Zeitschaltuhren.“

Wenn Theben für eines steht, dann für Zeitschaltuhren. Sie haben gerade selbst auf die Weltmarktführerschaft verwiesen … PSS: „Wenn ein Unternehmen für ein Produkt bekannt ist, ist auch immer die Herausforderung, dass die Kunden schwer davon zu überzeugen sind, dass es auch bei anderen Kompetenz hat. Ja, Theben steht für über 100 Jahre Zeitschalttechnologie, aber auch für das automatisierte, hochintelligente Gebäude, das tatsächlich Energie spart, aber auch den Komfort und die Sicherheit hochhält.“

Lassen Sie uns auf die Umsatzanteile zurückkommen … PSS: „Momentan hat die Licht-, Zeit- und Klimasteuerung den größten Anteil am Umsatz der Theben Gruppe. Platz zwei machen Präsenz- und Bewegungsmelder und Haus- und Gebäudeautomation unter sich aus. Der Bereich Smart Energy wird sich so entwickeln, dass er in einigen Jahren vom Umsatz her mindestens gleichwertig ist zu dem Bereich Licht-, Zeit- und Klimasteuerung, aus dem wir kommen. Dann ist er vom kleinen internen Start-up zum innovationsführenden Geschäftszweig von Theben geworden. Wir hatten hier hohe Investitionen in den letzten Jahren, dementsprechend haben wir natürlich auch die Erwartungshaltung an das Geschäft der Zukunft.“

Was verstehen Sie unter 'hohe Investitionen'? PSS: „Wir investieren seit einigen Jahren deutlich mehr als 10 % unseres Umsatzes in neue Themen, in Forschung und Entwicklung. Der Branchendurchschnitt liegt bei 6 bis 7 %. Das ermöglicht uns, den Innovationsgrad hochzuhalten und in einigen Bereichen mit technologisch führend zu sein – wie wir es im Bereich Smart Energy, beim Smart Meter Gateway oder im Thema KNX Data Secure sind.“

Sie hatten mal gesagt, Sie möchten im Familienunternehmen Theben den Mut zur Veränderung verankern. Wie muss man sich das vorstellen, dass 750 Mitarbeiter Mut zur Veränderung haben sollen? PSS: „Wir haben viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an Bord, die schon viele Jahre bei Theben arbeiten. In den 70er, 80er Jahren vertrieben sich die Theben-Produkte fast von selbst. Da musste man nur am Telefon sitzen und warten, bis die Bestellungen von alleine hereinkamen. Heute ist das anders, heute muss man sich permanent auf neue Rahmenbedingungen einstellen, nahe am Markt und vor allem am Kunden sein. Die Wirtschaft ist sehr international orientiert, sie ist schnelllebig und sehr digital. Wir haben andererseits eine sehr starke Kultur und die ist aber auch nicht immer so beweglich wie es in einem dynamischen Unternehmen sein sollte. Die richtige Mischung macht es: Dinge zu versuchen, auch Fehler zuzulassen. Eben mutig nach vorne gehen, auch mal hinfallen oder einen Schritt zurückgehen, sich nochmal korrigieren. Das war in der Vergangenheit nicht immer so, man war sehr zufrieden mit sich und das Geschäft lief gut. Theben war zeitweise in einer Art Dornröschenschlaf: Manches haben wir dadurch nicht immer früh genug erkannt.“

Werfen Sie für uns einen Blick in die Glaskugel: Wo sehen Sie das Unternehmen Theben mittel- bis langfristig? PSS: „Wir wollen mit unserem Gateway gerne eine Art 'App Store' der Energiewelt werden. Zudem feilen wir an digitalen Geschäftsmodellen: Welche Daten können unsere Produkte heute schon generieren? Wie kann man aus Daten Mehrwerte ableiten, wie daraus neue Produkte, neue Technologien entwickeln? Hier wollen wir behutsam, aber entschlossen vorangehen. Erste Gehversuche unternehmen wir über das Smart Meter Gateway. Damit sind wir im Markt für Smart Energy gut etabliert und in der Gebäudeautomation haben wir durch KNX bereits über 30 Jahre Erfahrung. Auch im Ausland wird unsere aktuell einmalige Position mit Interesse beobachtet: Es werden erste spannende Projekte aus angrenzenden Ländern an uns herangetragen. Die Themen Mehrwerte und Energiemanagement in Gebäuden haben eine hohe Priorität. Eine weitere spannende Neuentwicklung ist ein pixelbasierter, optischer Sensor, thePixa. Eine Neuheit, die anstatt eines Präsenzmelders an der Decke installiert wird und mit einer Linse Personen erfassen und in definierten Bereichen Aktivitäten auslösen kann.“

Theben soll der 'App Store' der Energiewelt werden? Wie soll das aussehen? PSS: „Das heißt, wir bieten eine Plattform an, über die Hersteller und Dienstleister von Anwendungen rund um das Gebäude ihre Applikationen bereitstellen und gleichzeitig eine sichere Kommunikation sensibler Daten garantieren können. Über die beispielsweise Wärmepumpe, Ladestation, das Elektroauto und die Photovoltaikanlage miteinander verknüpft kommunizieren. Wir sorgen mit dem Smart Meter Gateway für den sicheren Kanal, haben aber mit den Daten, die hier transportiert werden, nichts zu tun. Deswegen App-Store.“

miEI meint: Wer sich derart authentisch an das elektrotechnische Fachhandwerk wendet, der hat verstanden, worauf es ankommt: Die Fähigkeit, starke Leistungen anzubieten den unbedingten Willen, das vorhandene Leistungspotenzial abzurufen die Bereitschaft, den Marktakteuren – Mitarbeitern, Mitbewerbern, Fachhandel und Fachhandwerk gleichermaßen – zuzuhören und mit diesen auf Augenhöhe zu kommunizieren! Es ist zu begrüßen, wenn ein Hersteller nicht aus dem Elfenbeinturm heraus agiert, sondern denkbar größte Transparenz erzeugt. Entwicklungs- und Fertigungsprozesse finden weitestgehend hinter verschlossenen Türen statt, deshalb sind es genau Details wie die durch PSS sehr offen geschilderten, an denen sich erkennen lässt, ob ein Anbieter hinreichend Bodenhaftung hat. Wenn Anspruch und Wirklichkeit in der gelebten Praxis mittel- und langfristig nah beieinander bleiben, könnte dieser Transparenz eine Vorbildfunktion für die gesamte Branche zukommen – 'mi' bleibt für Sie dran!