Donnerstag, 01. Juni 2023

Kartellrecht mit Hammer und Sichel? Zur Kritik an der 11. GWB-Novelle

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Es sind starke Worte, die der Handelsverband Deutschland (HDE) wählt: Geht es nach der Spitzenorganisation des deutschen Einzelhandels, stehen Wettbewerbsfreiheit und Wohlstand auf dem Spiel. Stein des Anstoßes ist die Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die am 26. Mai 2023 in erster Lesung vor dem Bundestag debattiert wurde. Auch dort ging es hoch her. Robert Habeck, der die Debatte mit seinem Appell angeheizt hatte, man brauche ein Kartellrecht mit „Klauen und Zähnen“ (vgl. dazu den mi-Blog-Eintrag vom 29. Juni 2022), verteidigte den Gesetzentwurf, indem er sich auf Ludwig Erhard berief.

Schon der habe heftigen Gegenwind zu spüren bekommen, als er die Regeln für einen fairen Wettbewerb vorgeschlagen habe. Das „Update“, das er, Habeck, diesen Regeln jetzt verpassen wolle, diene kleinen und mittelständischen Unternehmen, die mehr Spielräume bekämen. Gegen diesen Versuch, Groß gegen Klein auszuspielen, opponierte MdB Hansjörg Durz (CSU). Mit der 11. GWB-Novelle werde Erhards Ordnungsidee auf den Kopf gestellt. Der Staat habe den Rahmen für den Wettbewerb zu schaffen, dürfe aber nicht selber mitspielen. Durch die neue Machtballung des Bundeskartellamts entstehe Investitionsunsicherheit. Habecks Reform schaffe kein Kartellrecht mit Klauen und Zähnen, sondern eines mit Hammer und Sichel.

Wer hat nun recht? Die Antwort lautet: beide Seiten und keine. Je nachdem, wonach man fragt. Also fragen wir: Stimmt es, dass die aus den Industrie- und Handelsverbänden zu hörende Kritik interessengeleitet ist? Na klar! Der Widerstand gegen die 11. GWB-Novelle wird von Großunternehmen angeführt, die in den Verbänden wie HDE und BDI den Ton angeben. Die Perspektive dieser Unternehmen ist nicht gleichzusetzen mit der des Mittelstandes insgesamt.

Kommt das Update, das Robert Habeck dem Wettbewerb verpassen will, wirklich kleinen und mittelständischen Unternehmen zugute? Leider nein! Die neuen Instrumente könnten nur zu erweiterten Spielräumen für kleine und mittelständische Unternehmen führen, wenn sie mit Sachverstand und Fingerspitzengefühl eingesetzt würden. Die Behörde, die das tun müsste, hat diese Fähigkeiten nicht. Woher auch? Sie wurde als Kontrollinstanz geschaffen, nicht als Marktakteur.

Stehen Wettbewerbsfreiheit und Wohlstand auf dem Spiel? Ja, aber nicht erst durch die 11. GWB-Novelle. Kleine und mittelständische Unternehmen haben gegenüber Großunternehmen zwar den Vorteil einer höheren Flexibilität, sind aber auf schlanke Prozesse angewiesen. Eine mittelstandsfreundliche Reform des Wettbewerbsrechts müsste deshalb schlanke Prozesse absichern. Wie das geht, hat die Initiative faires Wettbewerbsrecht im Jahr 2014 beschrieben. Die Kernforderung bleibt noch einzulösen: Orientierung. Hierfür bräuchte es kein Löwengebrüll. Habecks Ministerium könnte auf leisen Pfoten viel erreichen – durch klare Vorgaben ans Bundeskartellamt. Mehr dazu hier.

Ist Habeck unterwegs zu einem Kartellrecht mit Hammer und Sichel? Eher nein. Die neu geschaffenen Interventionsmöglichkeiten sind zwar ein Novum im deutschen Wettbewerbsrecht. Dementsprechend argwöhnisch wird man sie analysieren und ihre Auswirkungen evaluieren. Damit sind sie reversibel, spätestens durch ein neues Parlament. Die kommunistische Symbolik lenkt davon ab, dass das Problem woanders liegt: Die hinter der 11. GWB-Novelle stehende Position ist revanchistisch. Sie bestärkt Laien in ihrem Glauben, es gebe in der Wirtschaft eine große Abzocke, aber kein Bemühen um Fairness. Habeck geht davon aus, der Kampf gegen Abzocke fördere faires Wirtschaften. Er übersieht, dass das nicht funktionieren kann, wenn eine positive Idee für faires Wirtschaften fehlt. Diese Lücke ist der Rahmen, den der Staat ausfüllen müsste. Anders gesagt: Der politische Vorwurf, den man der 11. GWB-Novelle machen muss, ist nicht, dass ihr zu große, kryptokommunistische Vorstellungen zugrunde lägen, sondern dass sie im Gegenteil viel zu wenig ambitioniert ist und ihr dort die Ideen fehlen, wo es darauf ankäme – nämlich bei der Definition der sozialen Marktwirtschaft.


Verfasst von: Gregor Kuntze-Kaufhold | Kommentare (0)

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