Donnerstag, 25. Mai 2023

Insolvenzzahlen in Europa 2022 stark angestiegen

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Aktuell hat die Mitteilung des Statistischen Bundesamtes manche überrascht, wonach die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal dieses Jahres nicht minimal gewachsen, sondern um 0,3 Prozent geschrumpft ist. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, auf die Entwicklung der Insolvenzen in Europa zu schauen. Der Verband der Vereine Creditreform (Creditreform) hat dies schon zuvor Mitte Mai getan. Nach einer Untersuchung der Creditreform Wirtschaftsforschung ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Europa im vergangenen Jahr deutlich angestiegen.

2022 wurden in Westeuropa (EU-14, Großbritannien, Schweiz und Norwegen) danach 139.973 Firmeninsolvenzen registriert. Das war ein Plus von 24,2 Prozent (2021: 112.686 Fälle). In Osteuropa nahm die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 53,5 Prozent zu. Der Verband führt dies darauf zurück, die europäischen Unternehmen hätten im vergangenen Jahr zahlreiche Belastungen zu schultern gehabt. Ein massiver Preisanstieg bei Energie und Rohstoffen sowie die deutlich höheren Finanzierungskosten aufgrund der Zinswende hätten beispielsweise dazu gehört. Im Jahresverlauf 2022 habe sich daher die Konjunktur spürbar abgeschwächt.

Der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung nach dem Ende der Pandemie währte nur kurz. Zu kurz für viele, meint Creditreform, um die Unternehmensstabilität wieder nachhaltig zu stärken. „Das Ende der Corona-Pandemie war der Beginn eines kurzen Wirtschaftsaufschwungs in Europa, bevor er durch den Krieg in der Ukraine wieder abgewürgt wurde. Die folgende Energiekrise traf die Wirtschaft praktisch unvorbereitet und mit voller Wucht. Viele angeschlagene Unternehmen konnten den Mehrfachbelastungen nicht mehr standhalten“, erläutert Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung in Neuss, die Entwicklung des Jahres 2022.

Der starke Anstieg der Insolvenzzahlen in Europa im vergangenen Jahr muss allerdings vor dem Hintergrund zweier Jahre mit extrem niedrigen Zahlen gesehen werden. Somit lasse sich die Insolvenzentwicklung auch „als Normalisierung und notwendige Entwicklung bezeichnen. Unter den besonderen Bedingungen der Pandemie-Zeit wuchs die Gefahr von Zombieunternehmen“, betont Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer bei Creditreform Österreich zur Einordnung der Zahlen. Trotz des starken Anstiegs sei das Vor-Corona-Niveau bei den Unternehmensinsolvenzen in Westeuropa noch nicht wieder erreicht. Im Vergleich mit dem Referenzwert des Jahres 2019 lägen beispielsweise in Skandinavien, Deutschland und Italien die Werte darunter. Über dem Niveau von 2019 lägen dagegen schon die Unternehmensinsolvenzen in Großbritannien und in Spanien.
bestätigen.

In Westeuropa stiegen die Insolvenzzahlen in der Mehrzahl der betrachteten Länder. Einen deutlichen Anstieg verzeichneten ● Österreich (+59,7 Prozent), gefolgt von ● Großbritannien (+55,9 Prozent) ● Frankreich (+50,0 Prozent) und ● Belgien (+41,7 Prozent). Auch in der ● Schweiz, in ● Irland, den ● Niederlanden, in ● Spanien ● Norwegen ● Finnland ● Schweden und ● Deutschland nahm die Zahl der Unternehmensinsolvenzen zu. Ein Rückgang der Fallzahlen werde aus ● Dänemark ● Luxemburg ● Portugal ● Italien und ● Griechenland gemeldet. Deutschland kommt aktuell im Vergleich besser weg als früher. Nur noch 10,5 Prozent der westeuropäischen Unternehmensinsolvenzen entfallen auf Deutschland. 2012 waren es dagegen 15 Prozent. Im gleichen Zeitraum nahm der Anteil der britischen Insolvenzfälle dagegen von 11,1 Prozent auf 16,5 Prozent zu. Ende 2022 entfielen in Deutschland 54 Insolvenzen auf je 10.000 Unternehmen. Den insoweit niedrigsten Wert weisen die Niederlande mit 14 auf, den höchsten Dänemark mit 331. Der Durchschnittswert beträgt 61.

Hantzsch rechnet damit, das Ende der Fahnenstange steigender Insolvenzzahlen sei „wohl noch nicht erreicht. Der Druck bleibt auf dem Kessel, so dass auch in den kommenden Monaten mit steigenden Zahlen zu rechnen sein wird“. Diese Prognose dürfte sich angesichts der aktuellen Zahlen zum fehlenden Wirtschaftswachstum in Deutschland hierzulande wohl bestätigen.

Bezeichnend für die aktuelle Entwicklung: In allen Hauptwirtschaftsbereichen haben die Insolvenzzahlen nach Angaben der Creditreform zugenommen. Einen deutlichen Anstieg verzeichne dabei der ● Handel (inkl. Gastgewerbe) mit einem Plus von 34,5 Prozent, gefolgt vom ● Baugewerbe mit +24,7 Prozent. Um knapp 20 Prozent erhöhten sich die Fallzahlen im ● Dienstleistungssektor und um 13,1 Prozent im ● Verarbeitenden Gewerbe. Creditreform erklärt sich den spürbaren Anstieg der Insolvenzen vor allem im Handel als Folge der schweren Corona-Zeit. Zudem setze die Konsumzurückhaltung infolge der Rekordinflation diesem Wirtschaftssektor besonders zu. Die Energiekrise habe dagegen alle Wirtschaftsbereiche erfasst und 2022 zu der Dynamisierung des Insolvenzgeschehens geführt.

Noch stärker ist Osteuropa von steigenden Insolvenzzahlen betroffen. Sieben der untersuchten zwölf Länder hätten einen Anstieg der Fälle verzeichnet. Besonders deutlich sei der prozentuale Anstieg in ● Ungarn ● Bulgarien und ● Litauen gewesen. In fünf Ländern habe die Zahl der Insolvenzfälle abgenommen (● Estland ● Polen ● Serbien ● Slowenien und ● Tschechien). Insgesamt wurden in Osteuropa laut Creditreform 60.010 Unternehmensinsolvenzen registriert. Der Vorjahresstand (2021: 39.095 Fälle) wurde damit deutlich übertroffen. Auch in der ● Türkei stiegen die Insolvenzzahlen massiv auf 24.303 Fälle an (+41,4 Prozent). Was allerdings, diese Bemerkung sei uns an dieser Stelle erlaubt, am Wahlsieg des türkischen Präsidenten Erdogan im zweiten Wahlgang auch nichts ändern dürfte. Dabei hat Creditreform weitere negative Entwicklungen in der Türkei registriert. So sei die Inflation auf über 70 Prozent im Jahresdurchschnitt angestiegen. Die Wettbewerbsposition der türkischen Wirtschaft werde zwar durch die türkische Währungspolitik begünstigt, berge aber viele Risiken. Aufgrund der schwachen heimischen Währung belasteten die hohen Rohstoff- und Energiepreise auf den Weltmärkten türkische Unternehmen besonders. Der Binnenkonsum werde durch die hohe Inflation gebremst.

Zum Vergleich hat Creditreform noch auf die Zahlen in den USA geschaut. Anders als in Europa ist danach in den Vereinigten Staaten die Zahl der Unternehmensinsolvenzzahlen weiter gesunken. 2022 seien insgesamt 21.396 Insolvenzen von Unternehmen zu verzeichnen gewesen. Gegenüber dem Vorjahr (2021: 22.339 Fälle) sei das ein Rückgang um 4,2 Prozent. Zuletzt sei 2019 ein Anstieg der Zahlen zu verzeichnen gewesen. Allerdings schwäche sich die rückläufige Insolvenzentwicklung merklich ab. Noch im Vorjahr sei ein Rückgang um rund 31 Prozent registriert worden. Die Ursache sieht der Verband darin, dass staatliche Hilfsprogramme im Jahresverlauf 2022 zunehmend ausliefen, gleichzeitig nehme die Schuldenlast aufgrund steigender Zinsen zu. Die Zahl der Verfahren unter dem Gläubigerschutzartikel 11 des US-amerikanischen Insolvenzrechts sei bereits leicht um rund zwei Prozent angestiegen. Der Anteil der Chapter-11-Insolvenzen an allen Unternehmensinsolvenzen habe ebenfalls zugenommen und 2022 bei 17,8 Prozent (Vorjahr: 16,7 Prozent) gelegen.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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