Mittwoch, 08. März 2023

Jahrelange mi-Kritik an der Richtsatzsammlung beim BFH angekommen

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Jahrelang hat ‘markt intern’ die kritiklose Anwendung der Richtsatzsammlung zur Schätzung des steuerlichen Gewinns durch die Finanzverwaltung kritisiert. Die Richtsatzsammlung ist eine Auflistung von Roh- bzw. Reingewinnen verschiedener Branchen, die jährlich vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) veröffentlicht wird und auf Ergebnissen der Betriebsprüfung beruht. Stellt ein Betriebsprüfer fest, ein Unternehmen weise erheblich niedrigere Gewinne aus als nach den Branchendaten der Richtsatzsammlung plausibel, kommt es bei Vorliegen weiterer Indikatoren regelmäßig zu Zuschätzungen. Steuerberater Günter J. Stolz, Chefredakteur des Informationsbriefes ‘steuerberater intern’ hatte immer wieder darauf verwiesen, die Werte der Richtsatzsammlung spiegelten aus unterschiedlichen Gründen kein realistisches Bild der betrieblichen Situation wider. Ihre einfache Übernahme durch die Finanzverwaltung sei daher rechtswidrig sei. Im September 2019 war dies auch Gegenstand einer ‘mi’-Pressemitteilung.

Stolz kritisierte dabei, sowohl die Auswahl der erhobenen Daten als auch deren Aktualität ließen keine seriöse Schätzung zu. So würden Betriebe, die Verluste machten oder nur geringe Gewinne seltener einer Betriebsprüfung unterzogen, weil kaum oder wenig Mehrergebnisse durch die Prüfung zu erwarten seien. Deren Betriebsdaten würden daher in der Erhebung erst gar nicht berücksichtigt. Zudem würden die Werte der zehn Prozent der Betriebe mit den höchsten oder niedrigsten Gewinnen ebenfalls nicht berücksichtigt. Außerdem seien die Werte in der Regel veraltet, weil nur zurückliegende Jahrgänge geprüft würden. Teilweise lägen fünf bis sechs Jahre zwischen den erhobenen Daten und den aktuellen Jahrgängen.

Bisher blieb die Kritik in der Praxis allerdings ohne Widerhall. Doch aktuell hat der Bundesfinanzhof (BFH) seinerseits Zweifel an der Zuverlässigkeit der Werte geäußert. In einem Beschluss vom 14. Dezember 2022, der aktuell veröffentlicht wurde, stellt das oberste deutsche Steuergericht unter Berufung auf seine ständige Rechtsprechung fest, bei der Schätzung seien „alle Umstände zu berücksichtigen, die für sie von Bedeutung sind. Die Schätzungsergebnisse müssen schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein“. Dies gelte auch für die Anwendung der Richtsatzsammlung. Bisher habe sich der BFH in keiner Entscheidung näher damit auseinandergesetzt, „auf welchen Grundlagen und Parametern die Richtsätze des BMF beruhen, wie sie zustande kommen und welche Auswirkungen sich hieraus auf die Tauglichkeit eines äußeren Betriebsvergleichs anhand der Richtsatzsammlung ergeben“. Das will er nun nachholen und hat das BMF aufgefordert, dem aktuellen Verfahren beizutreten, um dies zu klären.

Unklar sei insbesondere, ● welche Einzeldaten mit welchem Gewicht in die Ermittlung der Richtsätze der jeweiligen Gewerbeklasse einfließen, wie die Repräsentativität der Daten sichergestellt wird und ob es Einzeldaten gibt, die von vornherein ausgeschlossen werden“ ● „ob die regional zum Teil erheblich unterschiedliche Höhe fixer Betriebskosten (insbesondere Raum- und Personalkosten) der Festlegung bundeseinheitlicher Richtsätze entgegensteht“ ● „weshalb die Ergebnisse von Außenprüfungen bei sog. Verlustbetrieben unberücksichtigt bleiben, obwohl auch solche Betriebe grundsätzlich einen positiven Rohgewinnaufschlagsatz ausweisen“ und ● „ob ganz oder teilweise erfolgreiche Rechtsbehelfe des Steuerpflichtigen gegen die auf eine Außenprüfung ergangenen Steuerbescheide Eingang in die Richtsatzsammlung finden“.

Steuerberater Günter Stolz ist optimistisch, das Verfahren könnte am Ende für die Betriebe zu einer sehr erfreulichen Korrektur der bisherigen Verwaltungspraxis führen: „Ich hoffe, dass der BFH die ‘heilige Kuh der Richtsatzsammlung’ endlich schlachtet. Bei Lichte betrachtet ist es ein Skandal, dass diese Datensammlung trotz der vielen Mängel immer noch von der Verwaltung und den Gerichten angewendet wird.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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