Freitag, 13. Januar 2023

Handwerk in NRW steckt in einer schwierigen Situation

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Pressekonferenzen zur wirtschaftlichen Entwicklung des Handwerks waren in der Vergangenheit häufig davon geprägt, selbige eher etwas schlechter darzustellen als die Lage tatsächlich war (vgl. Mi 03/20). Ansonsten wären quasi alle Wünsche zur Verbesserung des wirtschaftlichen Umfeldes bei der Politik von vornherein abgeprallt – so berechtigt sie auch gewesen wären. Corona hatte diese Situation schon verändert, der Krieg in der Ukraine hat sie nun in weiten Teilen des Handwerks ins Gegenteil gewendet. Konnte Andreas Ehlert, Präsident von HANDWERK.NRW, dem Zusammenschluss des Handwerks in Nordrhein-Westfalen, noch im vergangenen Jahr von der boomenden Bauindustrie sprechen, so steht deren Entwicklung sinnbildlich für den Umschwung. Der Geschäftsklimaindex, die Summe der aktuellen Geschäftslage und der Geschäftserwartungen nähert sich dort der Nulllinie. Im Frühjahr 2021 lag der Wert 36 Punkte darüber!

Wie stark der Dreiklang aus hoher Inflation, Lieferproblemen und massiv gestiegenen Energiepreisen als Folge des Ukraine-Krieges das Handwerk insgesamt belastet, zeigt ein kurzer Rückblick auf Ehlerts Prognose für die Entwicklung in 2022 aus dem Januar des letzten Jahres. Damals hatte er für den Verband erklärt, man rechne mit einem nominellen Wachstum von „etwa 3,5 Prozent“, was durch die Inflation real vernichtet werden dürfte. Tatsächlich lag die Inflation 2022 bei ungefähr acht (!) Prozent. Zwar ist auch der Umsatz in den ersten drei Quartalen stärker gestiegen als prognostiziert, aber mehr als eine Stagnation ist für 2022 nicht zu erwarten. Eine Vorhersage, wie sich 2023 entwickeln werde, sei derzeit praktisch nicht möglich. Es gebe einfach zu viele Unbekannte, wie etwa die Auswirkungen des Wandels in der chinesischen Coronapolitik.

Wie sehr die Stimmung im Handwerk gedreht hat, belegt auch eine Umfrage, die der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) im Dezember 2022 durchgeführt hat. Danach meldete jeder zweite Handwerksbetrieb eine wachsende Kaufzurückhaltung der Kunden, jeder vierte sogar die Stornierung bereits erteilter Aufträge.

Eine unerfreuliche Folge der gekippten Stimmung ist der rückläufige Beschäftigungsstand im nordrhein-westfälischen Handwerk. Und dies, obwohl 2022 ein Anstieg der um rund 1.300 Betriebe auf 197.080 zu verzeichnen war. Der Beschäftigungsrückgang ist nicht nur den wirtschaftlichen Problemen geschuldet, sondern vor allem dem Dauerproblem Fachkräftemangel. Zu welch kuriosen Zuständen dieser Mix führt, machte Ehlert anhand der Kurzarbeit deutlich. Obwohl die Betriebe im Prinzip durch die Bank Mitarbeiter suchten, sähen sich manche trotz voller Auftragsbücher aufgrund der aktuellen Geschäftslage verpflichtet, Kurzarbeit zu beantragen. Das führe wiederum dazu, dass die Attraktivität des Handwerks als Arbeitgeber leide.

Mit politischen Forderungen hielt sich Ehlert im Vergleich zu früher eher zurück. Das dürfte zum einen der Tatsache geschuldet sein, dass in NRW im letzten Jahr die Landtagswahl stattgefunden hat und im Herbst zuvor die Bundestagswahl. Die Wünsche sind im Prinzip alle präsentiert worden und bekannt. Vergleichsweise diplomatisch blieb Ehlert beim Thema Energieversorgung. HANDWERK.NRW fordert von Bund wie Land, die Energieversorgung zu sichern, „indem wir Abhängigkeiten von unzuverlässigen Staaten reduzieren. Wir müssen dazu alle verfügbaren Energieträger, auch sogenannte Brückentechnologie nutzen“. Das ‘böse’ Wort Atomkraft fiel nicht, aber es fällt wohl ebenso unter die zitierte Brückentechnologie wie das Werben für „Technologieoffenheit“.

Pflichtgemäß ist man geneigt zu sagen, forderte Ehlert auch steuerliche Entlastungen für kleinere und mittlere Unternehmen und deren Beschäftigte. Dass dies, was die Unternehmen betrifft, bei der Zusammensetzung der Ampel eher nicht funktionieren wird, ist natürlich auch Ehlert bewusst. Ziemlich realistisch ist dagegen wohl seine Sorge, „die Belastungen durch die Grundsteuer und die Gewerbesteuer“ könnten künftig stark steigen. Dies ergibt sich aus den zunehmenden finanziellen Problemen vieler Kommunen aufgrund der gestiegenen Flüchtlings- und Asylbewerberzahlen. Zudem monierte Ehlert, das Handwerk warte „seit Jahren“ auf eine Reduzierung der Grunderwerbsteuer in NRW. Eine derartige Senkung wäre für die so wichtige Baukonjunktur „ein Signal zur Stabilisierung“, lautete sein Appell. Wäre es, aber wir wagen die Prognose: Sie wird nicht kommen.

Ansonsten drehte sich viel um die seit Jahren bekannten Themen, wie es gelingen kann, mehr junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk statt an der Universität zu gewinnen, und wie der Frauenanteil der im Handwerk Beschäftigten über die bisher erreichten 20 bis 25 Prozent hinaus gesteigert werden kann. Eine Patentlösung gibt es dafür leider nicht. Denn ansonsten würden diese Fragen nicht seit Jahren diskutiert. An ihrer Berechtigung zweifeln jedenfalls nur wenige.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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