Mittwoch, 21. September 2022

Präsidentin der IHK zu Köln biegt sich Wahrheit zur Beitragsstruktur zurecht

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Das Kapitel Beitragserhebung der IHKn in Deutschland ist reich an Kuriositäten, Halbwahrheiten und prozessualen Niederlagen für die IHKn. Wir haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Beiträge dazu veröffentlicht. Und doch scheint es immer wieder neue Kuriositäten zu geben. Aktuell findet sich ein ärgerliches Beispiel dafür in einem Interview des Kölner Stadtanzeigers (Regionalausgabe Leverkusener Anzeiger) mit der Präsidentin der IHK zu Köln, Dr. Nicole Grünewald, und dem Vizepräsidenten Bernhard Graner-Sommer. Wobei Kuriosität in diesem Fall eher der falsche Ausdruck ist. Richtiger wäre von Frechheit oder vielleicht auch Lüge zu sprechen.

Warum geht es? Die Redaktion selbst überschreibt den Anlass des Interviews damit, Grünewald und Graner-Sommer zögen nach zweieinhalb Jahren Bilanz und sprächen über die Energiekrise, den Ausbildungsmarkt und Gewerbeflächen im Rheinisch-Bergischen Kreis. Fragen und Aussagen dazu können wir an dieser Stelle getrost unterschlagen. Der entscheidende Punkt kommt ziemlich zum Ende des Gesprächs. Dort stellt Interviewerin Doris Richter vor dem aktuellen wirtschaftlichen Hintergrund vieler Zwangsmitglieder der IHK die entscheidende Frage: „Sollten nicht für die rund 150.000 Mitgliedsunternehmen die Beiträge sinken?“

Wer sich mit den Gepflogenheiten der IHKn nicht so auskennt, würde als Antwort wohl vermuten, sie sollten nicht, sie müssen sinken. Doch die Wirklichkeit in den Spitzengremien der IHKn sieht deutlich anders aus. Grünwald erdreistet sich so zu antworten: „Wir werden die Beiträge dann senken, wenn wir es verantwortlich tun können. Das war in den vergangenen zweieinhalb Jahren im Dauerkrisenmodus mit Corona, Flut und jetzt dem Ukrainekrieg nicht möglich, weil wir für unsere Unternehmen handlungsfähig bleiben müssen.“ Das ist schon einmal ziemlich verlogen. Dazu gleich mehr.

Vorab aber noch ein Punkt, der an die Hybris öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten erinnert. Grünwald entblödet sich nicht, zu behaupten: „Wir haben allerdings von Seiten des Präsidiums von Anfang an sehr auf die Kosten geachtet und unnötige Ausgaben, wie zum Beispiel interne Beraterkosten, signifikant gesenkt.“ Das sagt eine Präsidentin, die ein Gebäude, das die IHK nach jahrelanger Diskussion als neuen Hauptsitz erworben hatte, nach nur zwei Jahren gegen Entschädigung wieder verkauft hat, weil der ganze Prozess neu aufgerollt wurde. Eine Mi-Anfrage nach der jeweiligen Höhe der internen Beraterkosten vor Amtsbeginn Grünewalds und danach beantwortet die IHK so: Als IHK Köln haben wir den fortlaufenden Aufwand für externe Beratung um 250.000 € p.a. reduziert.“ Zum Beleg verweist sie auf die Geschäftsberichte, denen allerdings zu diesem Punkt nichts zu entnehmen ist. Der Bundesverband für freien Kammern (bffk) erklärt gegenüber Mi, dass nach ihm vorliegenden internen Unterlagen das neue Domizil der IHK zu Köln am Ende eher 100 Millionen Euro kosten dürfte.

Kommen wir zurück zu der Frage, ob die IHK zu Köln die Beiträge senken könnte. Grünewald hat dies verneint und dafür den Dauerkrisenmodus herangezogen. Zunächst einmal ist die IHK selbst von diesen Krisen gar nicht betroffen, weil ihre Einnahmen zwangsweise bei den Mitgliedern erhoben werden, größtenteils unabhängig davon, wie es denen wirtschaftlich geht. Die Folgen dieser überhöhten Beiträge zeigen sich dann in den Gewinnen der IHK. So hat die Präsidentin vergessen mitzuteilen, dass die IHK allein zwischen 2007 und 2013 Gewinne über insgesamt knapp 40 Millionen Euro gemacht hat.

Was die Präsidentin den Lesern des Interviews ebenfalls nicht mitteilt, ist die Tatsache, dass während dieser Zeit Mitglieder des bffk erhebliche Beitragserstattungen gegenüber der IHK zu Köln durchgesetzt haben. Erst Ende Mai hatte der bffk zuletzt mitgeteilt, die IHK zu Köln habe nach eigenen Angaben rechtswidrig einen fünfstelligen Betrag von einem Mitglied verlangt. Konkret hatte die IHK mit Datum vom 18.02.2022 sowohl für das Jahr 2019 als auch für das Jahr 2022 jeweils 12.746 Euro an Beiträgen verlangt. Dabei hatte die IHK Köln nach entsprechenden Klagen und noch deutlicheren Hinweisen des Verwaltungsgerichtes Köln noch im letzten Jahr Beitragsbescheide aufgehoben, weil sie in rechtswidriger Weise Vermögen angehäuft hat. Nachdem das bffk-Mitglied mit Unterstützung des Verbandes eine Klage erhoben hatte, verzichtet die IHK plötzlich auf die Geltendmachung. Die Beitragsveranlagung für 2019 sei „versehentlich“ erfolgt, hieß es.

Ein weiteres Versehen, so der bffk, war dann offenbar, dass die IHK zu Köln mit dem Beitragsbescheid vom Februar 2022 vermeintlich offene Beitragsforderungen aus ihrem Bescheid aus dem Jahr zuvor in Höhe von knapp 25.000 Euro zur Zahlung angemahnt hat. Tatsächlich war dieser Bescheid nach erfolgreicher Klage im Juni 2021 von den Anwälten der IHK zu Köln gegenüber dem Gericht als aufgehoben erklärt worden. An sich müsste die Kammer diese Beitragssenkungen auch gegenüber allen Mitglieder umsetzen, den die zu hohen Beiträge beruhen auf rechtswidrigen Bescheiden. Allerdings wehren sich nur die wenigsten Unternehmen dagegen, weshalb die Kammer formaljuristisch nicht verpflichtet ist, gegenüber den anderen Mitgliedern, deren Bescheide bestandskräftig wurden, zu handeln.

Nun ist es eine Sache, ob man rechtlich zu einem Verhalten gezwungen ist. Die entscheidende andere Frage ist, was aus Fairnessgründen gegenüber den zwangsverpflichteten Mitgliedern geboten wäre. Und die Antwort ist im Fall der IHK zu Köln eindeutig: Sie müsste die Beiträge senken!

Noch dreister ist allerdings, dass Grünewald das zynische Verhalten der IHK zu Köln gegenüber den eigenen Mitgliedern auch noch durch eine Irreführung rechtfertigt. Sie behauptet in dem Interview nämlich: „In der Pandemie sind andere Kammern durch Rückzahlungen und geringere Einnahmen in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Das wollen wir vermeiden.“ Von derartigen Schwierigkeiten war dem bffk bisher nichts bekannt. Der Antwort auf die Mi-Nachfrage, welche Kammern denn wegen Beitragsrückerstattungen in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, weicht die IHK in ihrer Antwort aus: „Zur wirtschaftlichen Lage anderer IHKs möchte ich Sie bitten, diese selbst zu kontaktieren bzw. den DIHK, der das Portal ‘IHK-transparent’ betreibt. Warum?

bffk-Bundesgeschäftsführer Kai Boeddinghaus beurteilt gegenüber Mi das Agieren der aktuellen IHK-Präsidentin Grünewald so: „Da spricht eine Präsidentin, die bei ihrer Wahl jede Menge Reformversprechen gemacht hat. Jetzt im Amt zeigt sich, dass sie das von den Zwangsmitgliedern finanzierte Fass nur von der anderen Seite anschlägt.“


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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