Dienstag, 06. September 2022

Bundesgerichtshof schwächt Position der Mieter bei behördlicher Schließung oder Beschränkung der Geschäftsräume wegen Corona

Blogeintrag | Kommentare (0)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Urteil die Position der Mieter im Falle der wegen Corona angeordneten Schließung des Betriebes hinsichtlich der Mietzahlung weiter verschlechtert. Bereits im Januar hatte der BGH entschieden, die hoheitlich verfügte Schließung eines Betriebes wegen Corona stelle keinen Mangel der Mietsache dar. Immerhin hatte er seinerzeit aber darin einen Wegfall der Geschäftsgrundlage gesehen. Allerdings auch schon damals betont, dies führe nicht zu einer generellen Minderung der Mietzinsen, sondern es bedürfe jeweils einer ganz konkreten Abwägung aller Faktoren im Einzelfall. Insbesondere komme es entscheidend darauf an, ob der Mieter staatliche Leitungen zur Kompensation der erlittenen Umsatzeinbußen erlitten habe.

Diese Auffassung hat der BGH in seinem jüngsten Urteil bestätigt, gleichzeitig aber auch noch die Kriterien zu den Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage verschärft. Zwar seien in den Fällen einer pandemiebedingten Betriebsschließung oder -beeinträchtigung die sogenannten realen und hypothetischen Elemente des § 313 Abs. 1 BGB regelmäßig erfüllt, ein Anspruch des Mieters gewerblich genutzter Räume auf Vertragsanpassung komme jedoch „nur in Betracht, sofern dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden“ könne.

Eine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters sei zwar nicht erforderlich. Ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar sei, bedürfe jedoch einer umfassenden Abwägung nach § 313 Abs. 1 BGB, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen seien. Dabei sei zunächst von Bedeutung, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung oder -einschränkung und deren Dauer entstanden seien. Diese würden bei einem gewerblichen Mieter primär in einem konkreten Umsatzrückgang für die fragliche Zeit der Schließung oder Nutzungseinschränkung bestehen.

Die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen müssten auf pandemiebedingten hoheitlichen Maßnahmen beruhen, wie etwa der Schließung oder der Beschränkung des Zugangs auf Personen mit einem bestimmten Impfstatus (2G oder 2G+). Ausgenommen seien hingegen Entwicklungen, die eine anderweitige Ursache hätten und damit keine unmittelbare Folge der pandemiebedingten Beschränkungen darstellten. „Dies gilt etwa für eine im Zuge der Pandemie zu beobachtende - möglicherweise auch durch eine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes beeinflusste - allgemeine Kaufzurückhaltung der Kunden, sofern diese nicht durch die die Geschäftsräume betreffenden Maßnahmen der Schließung oder Einschränkung verursacht ist. Insoweit geht es nämlich um dem Verwendungsrisiko des Mieters zuzuordnende Umstände der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung.“

Wer sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage berufe, habe nachzuweisen, dass ihm ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar sei. Im Falle einer pandemiebedingten Geschäftsschließung oder -einschränkung müsse deshalb der Mieter darlegen und gegebenenfalls beweisen, welche Nachteile, die eine vollständige Mietzahlung für diesen Zeitraum unzumutbar machten, ihm durch die Maßnahme entstanden seien, und welche zumutbaren Anstrengungen er unternommen habe, um drohende Verluste auszugleichen. Behaupte der Mieter, keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten zu haben, müsse er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er sich um mögliche Hilfeleistungen vergeblich bemüht habe. „Gelingt ihm dies nicht, muss er sich so behandeln lassen, als hätte er die staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten. Wendet hingegen der Vermieter ein, dass die vom Mieter behaupteten Verluste auf von der COVID-19-Pandemie (vollständig) unabhängigen Umständen beruhen, trifft ihn hierfür die Darlegungs- und Beweislast.“

Im konkreten Fall habe das Filialunternehmen die Unzumutbarkeit der vollständigen Zahlung der geschuldeten Miete im Wesentlichen nur damit begründet, in der betroffenen Filiale sei im Mai 2020 ein Umsatzrückgang von 20 Prozent zu verzeichnen gewesen. Dies habe das Berufungsgericht zutreffend als nicht ausreichenden Vortrag für die Unzumutbarkeit an einem Festhalten an dem unveränderten Vertrag angesehen. Die Annahme des Berufungsgerichts, aus dem behaupteten Umsatzrückgang von 20 Prozent im Mai 2020 könne für sich genommen noch nicht geschlossen werden, dem Unternehmen sei die vollständige Zahlung der vertraglich geschuldeten Miete unzumutbar, sei rechtlich nicht zu beanstanden. „Denn daraus allein ergibt sich nicht, dass die vollständige Zahlung der für Mai 2020 geschuldeten Miete für die Beklagte zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Die Beklagte hat schon nicht substantiiert dargelegt, dass dieser Umsatzrückgang tatsächlich auf der pandemiebedingten Verringerung der Anzahl der Plätze in ihrem Stehcafé beruht und nicht auf eine allgemeine Zurückhaltung der Kunden während der ersten Zeit der COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist, die in das Verwendungsrisiko der Beklagten fiele.“

Zudem habe das Berufungsgericht zu Recht auch substantiierten Vortrag des Unternehmens vermisst, inwieweit es infolge der in seinem Betrieb unstreitig geleisteten Kurzarbeit Lohnkosten erspart habe. Um beurteilen zu können, ob dem Mieter das Festhalten am Vertrag zumutbar sei, müsse eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Situation des Mieters erfolgen, „bei der auch die Vorteile zu berücksichtigen sind, die der betroffenen Partei aus der eingetretenen Veränderung erwachsen sind und insgesamt zu einer Entlastung von Kosten führen. Dazu zählen auch ersparte Lohnkosten, etwa im Fall von Kurzarbeit.“


Verfasst von: markt-intern Verlag | Kommentare (0)

Zurück zum Blog

Kommentar verfassen

Bitte beachten Sie bei Ihren Kommentaren unsere Netiquette