Dienstag, 23. August 2022

rbb-Verwaltungsrat kündigt Schlesinger fristlos

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In der für den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) sehr unappetitlichen und an die Grundfeste rührenden Affäre rund um die frühere Intendantin Patricia Schlesinger jagt eine Top-Meldung die nächste. War schon die Abberufung Schlesingers am 15. August ein einmaliger Vorgang innerhalb der ARD (und des ÖRR insgesamt) hat der Verwaltungsrat des rbb dies gestern noch einmal getoppt. Er hat Schlesinger fristlos entlassen!

Im trockenen Juristendeutsch heißt es in der Pressemitteilung dazu: „Der rbb-Verwaltungsrat hat in seiner heutigen Sondersitzung beschlossen, den Dienstvertrag vom 25.02.2021 mit der vom rbb-Rundfunkrat am 15.08.2022 als Intendantin abberufenen Patricia Schlesinger vorsorglich außerordentlich fristlos zu kündigen. Die Kündigung erfolgt auf der Grundlage wichtiger Gründe im Sinne des § 626 BGB. Ihre Ansprüche auf die Zahlung von nachvertraglichem Ruhegeld sowie Hinterbliebenenversorgung werden damit widerrufen.“

Wann hat es das im Universum des ÖRR, dessen Gebühren WDR-Fernsehdirektor Jörg Schoenenborn 2012 mal als „Demokratie-Abgabe“ bezeichnet hat, weil der ÖRR demokratiestiftend sei, je gegeben, dass ein Spitzengremium den Chef feuert, weil es diese Maßnahme „als erforderlich“ ansieht, „um die Rechte des rbb gegenüber Patricia Schlesinger auch im Interesse der Beitragszahler bestmöglich zu wahren“, weil „auch der Verwaltungsrat das Vertrauensverhältnis zu Frau Schlesinger durch ihr Verhalten als nachhaltig zerstört“ ansieht. Dass die amtierende rbb-Verwaltungsratsvorsitzende Dorette König sich mit der Aussage zitieren lässt, „ausdrücklich möchte ich klarstellen, dass eine Abfindung für Frau Schlesinger im Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung ihres Dienstverhältnisses auf der Grundlage der vorliegenden Fakten nicht in Betracht kommt“, muss sich am Ende eines voraussichtlich längeren Rechtsweges nicht bewahrheiten, klingt aber erst einmal sehr gut.

Man weiß gar nicht, worüber man sich beim rbb inzwischen mehr wundern soll: Über die Zustände, die dort geherrscht haben oder die Empörung, mit der darauf seitens derjenigen reagiert wird, die das alles zu überwachen hatten und denen entweder nichts aufgefallen ist oder die lieber geschwiegen haben. So wird die rbb-Geschäftsleitung derzeit von einem Ehepaar gebildet, das sich aber nach eigenen Angaben zwischenzeitlich getrennt hat. Kurios ist auch, dass der vorübergehende Nachfolger Schlesingers, Verwaltungsdirektor Hagen Brandstäter, inzwischen auch abgelöst werden soll und derzeit nach Angaben des rbb arbeitsunfähig ist. Er hatte die Frechheit besessen, im Landtag zu erklären, es habe keine Bonuszahlungen beim rbb gegeben, obwohl sie tatsächlich stattfanden. Ebenso staunend kann man nunmehr lesen, der rbb habe offenbar ausgeschiedenen Mitarbeitern weiter Gehalt gezahlt, um deren Ausscheiden zu vernebeln (bzw. die Gründe dafür).

Die Maßnahme der übrigen Intendanten der ARD, erstmals eine Schaltung ohne den rbb durchgeführt zu haben, gehört zu den Reaktionen, die verdeutlichen, wie existenziell die Krise nicht nur für die ARD ist (für die allerdings an vorderster Front), sondern den gesamten ÖRR. Das belegt auch ein weiteres Ereignis. Die ARD und ihre Vermarktungstochter ARD Media haben ihr für den 1. September geplantes jährliches exklusive Abendessen mit Angeboten der Vermarktungsmöglichkeiten (‘ARD Medienlese’) im Schlosshotel Bensberg abgesagt, wie der Mediendienst DWDL berichtet. Sinnigerweise hätte dort Schlesinger als ARD-Vorsitzende einen Vortrag halten sollen. Abgesagt wurde die Veranstaltung aber nicht, weil Schlesinger nun nicht mehr referieren kann bzw. soll, sondern weil, so DWDL, eine Location, die man in der Einladung bewirbt mit „Früher ein fürstliches Jagdschloss, heute eines der führenden Hotels der Welt“ nunmehr unpassend wirke. Norbert Rüdell, Sprecher des Vermarkters ARD Media, formuliert es gegenüber DWDL kürzer: „Die aktuelle Lage hat uns dazu bewogen, die Medienlese für dieses Jahr abzusagen.“ Schon ganz unabhängig vom Fall Schlesinger, so DWDL, habe der ARD und ARD Media viel daran gelegen, den Charakter der Kunden-Veranstaltung der kommerziellen Tochter trotz luxuriösem Ambiente klarzustellen. Abbinder der Einladung, so DWDL, sei dieser Hinweis gewesen: „Die ARD Medienlese ist eine reine Fachveranstaltung mit überwiegendem Geschäfts- und Informationscharakter. Der Unterhaltungsteil ist untergeordneter Natur.“

Dass sich im Übrigen nun ausgerechnet der wieder amtierende ARD-Vorsitzende und WDR-Intendant Tom Buhrow an die Spitze der Aufklärer-Fraktion stellt, ist auch nicht ganz so glaubhaft. Auch beim WDR lag und liegt vieles im Argen 


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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