Mittwoch, 29. Juni 2022

Mit Klauen und Zähnen aus der Löwengrube? Robert Habecks Irrweg

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Wie Daniel aus der Löwengrube kam, wissen wir: Gott schickte einen Engel, der den Löwen das Maul verschloss. Daniel überlebte, der König behielt seinen besten Berater. Robert Habeck will es anders machen. Um aus der Energie-Krise herauszukommen, in die Deutschland geschlittert ist, möchte der Wirtschaftsminister ein Kartellrecht "mit Klauen und Zähnen" schaffen. Warum ist das eine schlechte Idee? Dazu 10 Thesen:

  1. Mit einer guten Wirtschaftspolitik lassen sich Märkte domestizieren. Von einer schlechten werden sie entfesselt – und sind dann kaum zu bändigen. Besser, als mit hungrigen Löwen zu kämpfen, wäre es, sich zu deren Dompteur zu machen.
  2. Habeck ließ die Nachfrage durch den Tankrabatt ankurbeln, statt sie zu drosseln. Als die Unternehmen schulmäßig auf die gestiegene Nachfrage reagierten, regte er sich darüber auf.  Trotzdem will er die Idee von Anfang an für schlecht gehalten haben. Beobachter schütteln über das Hin und Her den Kopf.
  3. Für eine gute Idee hält Habeck die Übergewinnsteuer. Zum Glück ist diese Position in der Koalition nicht durchsetzbar. Eine solche Steuer triebe die Löwen zwar aus der Grube. Aber nur, um den Palast anzugreifen. Dann müsste der Staat sich zum Schiedsrichter über Preise und Gewinne aufschwingen. Ein aussichtsloses Unterfangen (gut erklärt von Christian Reiermann).
  4. Eine Grundregel schlechter Wirtschaftspolitik ist: Aus Fehlern lernt man nicht. Dem ersten Fehler folgt ein zweiter. Bei Habeck heißt das: "Ich möchte Verantwortung übernehmen, den Schlamassel nicht ganz so groß werden zu lassen." Dazu möchte er die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform des Kartellrechts vorziehen. Sein Plan ist, das Bundeskartellamt zu stärken, damit es künftig noch früher eingreifen kann. Nicht erst, wenn die Kartellanten sich im Hinterzimmer besprechen. Sondern schon, wenn es bei der Preisgestaltung "eine Wirkung wie ein Kartell" gibt. Die Idee ist nicht neu. Sie steht schon seit Jahrzehnten im Gesetz, das Habeck reformieren will. Verboten sind nach dessen § 1  "…aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken [kursiv gesetzt durch den Verf.]". Habeck spricht von einer Beweislastumkehr. Das klingt nach hart und fair. Ist es aber nicht. Hart und fair ist, dass Unternehmen schon jetzt bestraft werden können, wenn ihr Verhalten den Wettbewerb einschränkt, selbst wenn sie das nicht abgesprochen haben. Kommt noch eine Beweislastumkehr dazu, wird die Rechtsanwendung weich und uferlos. Anders gesagt: willkürlich.
  5. Warum zitiert Habeck nicht § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, auf dem das gesamte Kartellrecht aufbaut? Die Antwort: Er befolgt eine weitere Grundregel für schlechte Wirtschaftspolitik – politische Rosinenpickerei. Geleitet von der Idee einer Übergewinnbesteuerung, berief er sich in seinem Interview gegenüber dem Deutschlandfunk auf § 34. Danach kann das Bundeskartellamt Gewinne von Unternehmen abschöpfen, die gegen das Kartellrecht verstoßen und sich dadurch bereichert haben. Diese Form der Gewinnabschöpfung wurde vom Bundeskartellamt noch nie angewendet. Habeck bedauert das. Was er nicht sagt: Das Bundeskartellamt preist die Gewinnabschöpfung in Bußgelder ein, die es gegen Unternehmen bei (echten oder angeblichen) Kartellverstößen verhängt. Die Höhe der Bußgelder ist schon jetzt oft existenzbedrohend. Auch ohne spezielle Gewinnabschöpfung gelingt es vielen Unternehmen nur mühsam, manchen gar nicht, eine Bebußung wirtschaftlich zu überleben. Eine isolierte Gewinnabschöpfung wäre bei organisierter oder staatlicher Kriminalität sinnvoll, z.B. gegen Mafia-Mitglieder oder Oligarchen. Für Habeck reicht es schon aus, wenn Märkte irgendwie "vermachtet" sind. Das ist eine Kampfansage an alle Unternehmen. Denn gänzlich unvermachtete Märkte gibt es nur in ökonomischen Modellen. 
  6. Geht es nach Habeck, soll das Bundeskartellamt zukünftig tiefergehende Sektorenuntersuchungen durchführen. Auch in die Bücher der Unternehmen soll es dabei schauen dürfen. Wieder ein Zeichen für schlechte Wirtschaftspolitik. Warum? Damit wird die Grenze zwischen einem Ermittlungsverfahren und einer Marktuntersuchung eingerissen. Das Bundeskartellamt würde zum neuen Betriebsprüfer in Sachen Wettbewerbs- und Verbraucherschutz. So beseitigt man effektives Wirtschaften und fördert Wasserköpfe. 
  7. Was könnte Robert Habeck tun, um die Märkte zu domestizieren und den Wettbewerb zu stärken? Das wäre nicht schwer: Er müsste die Behörde, die ihm untersteht, anweisen, ihre Rolle auszufüllen. Indem sie nachschaut, wie, wo und wodurch der Wettbewerb verfälscht wird. Das Bundeskartellamt sollte schließlich der Hüter eines fairen Wettbewerbs sein. Ist der Wettbewerb unfair, hat der Hüter versagt. So einfach ist das. Auch das Gesetz müsste dafür nicht geändert werden. In § 52 steht alles drin, was der Wirtschaftsminister braucht, um dem Kartellamt Vorgaben zu machen. Ja, und warum tut Robert Habeck das nicht? Kämpft er vielleicht lieber öffentlichkeitswirksam gegen Löwen als mit einer ineffektiven Bundesbehörde? Wir wissen es nicht.
  8. Habeck hat ein weiteres Instrument für seinen Kampf entdeckt: Die Zerschlagung. Sie ist schon nach dem geltenden Kartellrecht möglich. Allerdings nur als Sanktion gegen Marktmissbrauch. Habeck will nun draufsatteln: Auch missbrauchsunabhängig soll ein Unternehmen künftig zerschlagen werden können. Manche Experten halten das für Populismus. Andere für eine gute Idee, allerdings nur für extrem seltene Fälle, die sich anders nicht lösen lassen (so z.B. Kühling). Möglicherweise trifft beides zu – der Punkt ist aber ein anderer: Marktmacht entsteht durch Fusionen. Das Bundeskartellamt kontrolliert Fusionen. Wäre die Behörde bei der Fusionskontrolle erfolgreich, bräuchten wir keine Zerschlagung. Jedenfalls nicht im Bereich von Tankstellen. Es wäre besser, Habeck würde der Behörde helfen, sich auf ihre Aufgaben zu besinnen. Aber das hatten wir schon.
  9. Im gleichen Interview sprach Habeck davon, er wolle zur "Uridee der sozialen Marktwirtschaft" zurück. Nämlich: Der Wettbewerb sorgt für günstige Preise. Klar ist: Wer gewählt werden will, braucht Wohlwollen. Mit niedrigen Preisen lassen sich in Deutschland Wahlen gewinnen. Aber klar ist auch: Eine Marktwirtschaft ist nur sozial, wenn Preise für Verbraucher bezahlbar und für Unternehmen auskömmlich sind. Wer nur auf niedrige Preise schielt, denkt wie ein Polit-Technokrat, nicht wie ein Ökonom. Im Umkreis ökologischer Politik würde man gerne noch hinzufügen, dass Preise ein nachhaltiges Wirtschaften ermöglichen sollten. Das könnte man mit der Uridee der sozialen Marktwirtschaft zusammenbringen. Aber nur, wenn man letztere nicht als Hauen und Stechen, sondern als kooperatives Miteinander begreift. 
  10. Fazit: Ein Mensch, der in der Misere steckt, sollte seinen Kopf anstrengen. Die vorschnelle Bewaffnung mit neuen Klauen und schärferen Zähnen löst das Problem nicht. Robert Habeck macht da keine Ausnahme. Immerhin sagt er von sich, dass er den christlichen Glauben sehr ernst nimmt. Vielleicht sollte er nochmal die Bibel lesen? Ich empfehle das Buch Daniel, 6.3. Eine Schlussfolgerung könnte sein: Dem Gläubigen helfen die Engel. Wenn sie kommen. Dem Ungläubigen hilft der Sachverstand. Wenn er ihn hat.

Gregor Kuntze-Kaufhold ist Justiziar der markt intern-Verlag GmbH


Verfasst von: Gregor Kuntze-Kaufhold | Kommentare (0)

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