Dienstag, 28. Juni 2022

Schwarz/Grüne-Koalition in NRW reicht für Finanzen eine Seite im Koalitionsvertrag

Blogeintrag | Kommentare (0)

Während die schwarz/grünen Brüder und Schwestern in Schleswig-Holstein sagenhafte 244 Seiten für ihren Koalitionsvertrag benötigten, kommen die gleichen Partner in NRW mit 146 Seiten aus. Das ist schon einmal leserfreundlicher. Dafür scheinen es beide Parteien aber an einer Stelle doch etwas übertrieben zu haben: Gerade einmal eine Seite benötigen CDU und Bündnis 90/Die Grünen für das Thema Finanzen.

Zwar betonen die Koalitionäre schon auf Seite 3 des Vertrages, beide stünden für „solide Finanzen“, aber wie diese Ziel erreicht werden soll, dafür reicht im Kapitel ‘V. Generationenverantwortung: Finanzen und Haushalt’ faktisch eine Seite (137). Die weiteren Seiten des Kapitels tragen Überschriften wie Nachhaltigkeit, NRW:BANK, Kommunale Landesverwaltung, Bankensystem, Bundesangelegenheiten, worunter wiederum die Überschriften Steuerpolitische Initiativen über den Bundesrat sowie Steuern und Einnahmen gehören, Investitionsfinanzierung, Effizienzgewinne, Landesliegenschaften und Dienstrecht gehören.

Das Finanzkonzept wird kurz und bündig so beschreiben: „Unsere Haushalts- und Finanzpolitik dient dem nachhaltigen Umgang mit unseren natürlichen, sachlichen, personellen und finanziellen Ressourcen und der Ermöglichung von Zukunftsinvestitionen. Wir werden Haushalte ohne neue Schulden aufstellen, wie es die grundgesetzliche Schuldenbremse samt Ausnahmen für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen als Voraussetzung einer nachhaltigen und generationengerechten Haushaltspolitik vorsieht. Dies erfordert eine strikte Ausgabendisziplin und eine entschlossene Priorisierung und stellt alle bestehenden und zusätzlichen finanzwirksamen Ausgaben unter Haushaltsvorbehalt. Priorität haben für uns Ausgaben für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Hierzu gehören u. a. Infrastruktur, Bildung, sozialer Zusammenhalt und Sicherheit, Klimaschutz und Klimafolgenanpassung. Spätestens im Jahr 2024 werden wir mit dem Einstieg in die konjunkturgerechte Tilgung der für den Corona-Rettungsschirm aufgenommenen Kredite beginnen.“ Mehrausgaben bräuchten eine solide Gegenfinanzierung. Mögliche Handlungsspielräume sollen genutzt werden, „um unsere vereinbarten Zukunftsprioritäten zu finanzieren“.

Wer ruhig schlafen will, sollte wohl besser nicht so genau hinschauen, wie das eigentlich in der gegenwärtigen Lage funktionieren soll. Das Thema ‘Steuern und Einnahmen’ lässt immerhin ahnen, wohin die Reise gehen könnte. „Wir bekennen uns zu einer bürgerfreundlichen und leistungsfähigen Finanzverwaltung, damit alle nicht mehr, aber auch nicht weniger Steuern zahlen, als der Gemeinschaft zustehen. Das bedeutet auch, dass der Staat alle ihm zustehenden Steuern erlangen muss. Dafür ist unerlässlich, jede Form von Steuerkriminalität entschieden zu bekämpfen. Nordrhein-Westfalen wird seine Vorreiterrolle bei der Bekämpfung von Steuerkriminalität, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung weiter ausbauen. Wir werden die Geldwäsche-Aufsicht im Nicht-Finanzsektor in Verantwortung des Landes umfassend stärken.“

Das klingt natürlich gut. Wer könnte schon etwas dagegen haben, Geldwäsche und Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Die Frage ist halt wie immer, wo fängt Steuerhinterziehung an und wo endet Steuergestaltung. In NRW, die Prognose wagen wir, wird die Grenze zugunsten der Finanzverwaltung deutlich in Richtung Steuerhinterziehung verschoben werden. So betonen die Parteien, sie würden „die internationale Zusammenarbeit mit europäischen Ermittlungsbehörden stärken. Delikte wie Cum-Ex/Cum-Cum, Umsatzsteuerbetrug und Organisierte Kriminalität werden wir entschlossen bekämpfen und aufarbeiten sowie inkriminierte Vermögenswerte abschöpfen. Bei dem Cum-Ex-Skandal werden wir die Rolle der früheren WestLB aufklären.“

Darüber hinaus sollen „Ermittler und Führungskräfte in der Steuerfahndung konsequent kriminalistisch fortgebildet und bestehende Personalentwicklungskonzepte entsprechend angepasst“ werden. „Hemmnisse bei der Zusammenarbeit und bei interdisziplinären Ermittlerteams zwischen unserer Steuerfahndung, Polizei, Zollfahndung, Finanzkontrolle Schwarzarbeit und ‘Financial Intelligence Unit’ (FIU) sowie Polizei und Bundeskriminalamt (BKA)“ sollen konsequent beseitigt werden“.

Irgendwelche Hinweise auf bürokratische Erleichterungen oder gar ein einfacheres Steuerrecht finden sich dagegen nur rudimentär. Zur Entbürokratisierung heißte es lediglich: „Die bürgerfreundliche Modernisierung der Finanzverwaltung werden wir über den landesweiten Ausbau unterschiedlicher barrierefreier Bürgerservice-Angebote fortsetzen. Wir werden weitere Verbesserungen des digitalen Workflows insbesondere im Rahmen des Projekts ‘Konsens’ erreichen sowie den Ausbau zukunftsorientierter Organisationsstrukturen unter Ausnutzung der digitalen Möglichkeiten vorantreiben.“

Was von derartigen Ankündigungen quer durch die Republik zu halten ist, wissen die Bürger nur zu gut. Als steuerliche Entlastung bieten die Koalitionäre den Bürgern an: „Wir wollen in Zeiten steigender Immobilienpreise gerade für junge Menschen und Familien die Bildung von Wohneigentum vereinfachen. Daher unterstützt Nordrhein-Westfalen die auf Bundesebene vereinbarte Möglichkeit einer flexibleren Gestaltung der Grunderwerbsteuer zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger sowie die Initiative zur Schließung von steuerumgehenden Gestaltungsmodellen (Share-Deals) beim Immobilienerwerb. Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen auf Bundesebene geschaffen worden sind, werden wir Spielräume zur gezielten Entlastung beim Ersterwerb selbst genutzter Wohnimmobilien bis zu einem angemessenen Kaufpreis nutzen.“

Unternehmer in NRW sollten sich schließlich darauf gefasst machen, dass Kommunen mit niedrigen Gewerbesteuersätzen nunmehr droht, sie zur Steuererhöhung zu verpflichten: „Wir werden den bestehenden Gewerbesteueroasen der Kommunen in Nordrhein-Westfalen entgegentreten. Im Gemeindefinanzierungsgesetz werden wir Regelungen verankern, die solche Gewerbesteueroasen unattraktiv machen und negative Schlüsselzuweisungen für solche Kommunen vorsehen, deren tatsächliche Gewerbesteuerhebesätze sehr deutlich unter den fiktiven Hebesätzen des Landes liegen. Die Finanzverwaltung des Landes wird Kommunen darin unterstützen, die tatsächlichen Standorte von Betrieben zu erkennen (Betriebsstättenprüfung).“

So sieht er also aus, der ‘Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen’. Ein Bundesland, in dem einmal ein Sauerländer aus der CDU eine Steuererklärung auf einem Bierdeckel erfinden wollte!


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

Zurück zum Blog

Kommentar verfassen

Bitte beachten Sie bei Ihren Kommentaren unsere Netiquette