Dienstag, 19. April 2022

WDR lässt SPD-Funktionärin Wahlaussichten der CDU analysieren

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Dass gerade auch öffentlich-rechtliche Sender Schwierigkeiten damit haben, die vollständige Identität ihrer Interviewpartner den Zuschauern oder Zuhörern offenzulegen, haben wir in der Vergangenheit schon öfter problematisiert. So hatte beispielsweise der RBB einen Landtagsabgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen bei einer zufälligen Passantenbefragung zur Gefährlichkeit auf Berliner Straßen interviewt. Der MDR hatte am 22. August 2017 einen Beitrag über angeblich zu hohe Mieten in Leipzig ausgestrahlt, bei der eine verheiratete junge Mutter zu Wort kam, die beklagte, der vierköpfigen Familie sei der Umzug aus ihrer 90 qm großen Wohnung in eine Vierraumwohnung wegen der zu hohen Mieten nicht möglich. Eingeblendet wurde als Name der jungen Mutter Anja Riekewald. In Wahrheit war es Franziska Riekewald, Bundestagskandidaten für Die Linken im Wahlkreis Leipzig I und stellvertretenden Fraktionsvorsitzende der Linken im Leipziger Stadtrat.

Auch die journalistisch teilweise zweifelhafte Qualität mancher WDR-Beiträge war schon häufiger Gegenstand unserer Betrachtungen. Am Wochenende hat der WDR ein weiteres Beispiel für intransparente Arbeit geliefert, wie Bild berichtet: Am Ostersamstag strahlte die Radiowelle WDR 5 im Morgenecho einen Beitrag aus, in dem es um die jüngste Umfrage zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ging. Das Pikante daran: Ausgerechnet die dort interviewte Expertin Julia Schwanholz, die den Einfluss der Mallorca-Affäre auf die Wahlchancen der CDU analysierte, ist selbst SPD-Funktionärin. Die Affäre bietet reichlich Anlass für Kritik, aber in der Form ist es unprofessionell.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer reagierte gegenüber der Bild entsprechend sauer: „Der WDR lässt erneut die Neutralität in seiner Berichterstattung in der heißen Wahlkampfphase vermissen und unter dem Titel ‘NRW vor einem Machtwechsel?’ eine Politologin die CDU/FDP-Koalition negativ bewerten – ohne zu erwähnen, dass sie selbst SPD-Funktionsträgerin ist. Von Transparenz keine Spur – hier wird dem Publikum eine SPD-Funktionärin als neutrale Kritikerin der Landesregierung untergejubelt.“

Das Problem liegt für Hauer dabei nicht in der Parteizugehörigkeit der Expertin, sondern in deren Nicht-Erwähnung. „Jeder kann zu Wort kommen – aber bitte transparent. Transparenz sollte gerade in der heißesten Briefwahlphase selbstverständlich sein – das gilt erst recht für das Parteibuch von zum Wahlkampf interviewten Experten.“ Laut Bild hat sich der WDR anschließend via Twitter dafür entschuldigt, diese Information zur Expertin nicht mitgeliefert zu haben. Das ist allerdings ein schwacher Trost für die CDU. Denn die Hörer von WDR 5 gehören nicht unbedingt zu den aktivsten Twitter-Nutzern.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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