Freitag, 25. Februar 2022

Digitale Marktplätze als Chance für den stationären Einzelhandel?

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Das Thema regionaler digitaler Marktplätze ist nicht neu. Bundesweite Aufmerksamkeit erregte es wohl erstmals durch die Online-City-Wuppertal, die 2014 mit hohen Fördergeldern ausgestattet und vom öffentlich-rechtlichen WDR ins Bild gesetzt den Siegeszug gegen Amazon antreten sollte. Für uns nicht sonderlich überraschend ist es nach Auslaufen der Fördergelder recht still um die Online-City-Wuppertal geworden.

Dann hat eBbay versucht, das Thema in Kooperation mit dem Handelsverband Deutschland (HDE)zu kapern. Aufhänger war das Projekt Mönchengladbach bei eBay (vgl. Mi 08/16). Auch um dieses Projekt ist es eher ruhig geworden, obwohl es inzwischen weitere Städte gibt, die sich eigene eBay-Seiten gesichert haben. Daneben gibt es bundesweite Anbieter wie KIEZKAUFHAUS oder atalanda, die auch die Online-City-Wuppertal managen, die örtlichen Händlern anbieten, regionale Marktplätze für sie abzuwickeln.

Das Problem aller dieser Lösung besteht für uns darin, dass versucht wird, dem ultimativen Marktführer im Marktplatzgeschäft, Amazon, Paroli zu bieten, indem versucht wird, sein Konzept mehr schlecht als recht auf örtliche Gegebenheiten runterzubrechen. Die Hoffnung dahinter: Die örtliche Bevölkerung erkenne den Wert ortsnaher Geschäfte für die eigene Kommune und kaufe deshalb nicht mehr über Amazon, sondern über die regionale Plattform. Nun gibt es tatsächlich Verbraucher, die sich so verhalten, nur macht es die Mehrheit leider nicht so. Sie wird zwar einerseits sicher gerne bei Umfragen die Bedeutung der örtlichen Geschäfte und Dienstleister betonen, im Zweifel aber bei der Erfüllung eines konkreten Kaufwunsches dann doch die größere Auswahl und den besseren Abwicklungsservice bei Amazon nutzen.

Wer dies alles berücksichtigt, der könnte als Händler oder Kommune zu dem Ergebnis kommen, dann lieber gar nicht erst das Wagnis eines regionalen Marktplatzes einzugehen. Das Niedersächsische Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung hat dennoch heute eine Veranstaltung mit dem Titel ‘Digitale Marktplätze als Chance für den stationären Einzelhandel?’ im Rahmen seiner Veranstaltungsreihe zur Zukunft der Innenstadt durchgeführt, weil man sich im Ministerium die Förderung der Innenstädte insgesamt zur Aufgabe gemacht hat. Referenten waren Prof. Dr. Andreas Hesse, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing an der Hochschule Koblenz, und Johanna Höger, Leiterin des Stabsbereichs Bürgermeister/Wirtschaftsförderung der Stadt Bad Honnef. Die im Speckgürtel Bonns gelegene Kommune hat rund 80 Geschäfte, ganz überwiegend inhabergeführt, aufzuweisen und sich vor sechs Jahren unter der Ägide des seit Juni 2014 agierenden Bürgermeisters Otto Neuhoff neue Projekte vorgenommen. Eines davon ist der regionale Online-Marktplatz, der als KIEZKAUFHAUS Bad Honnef betrieben wird.

Hesse machte in seinem sehr informativen und anschaulichen Vortrag klar, welche Voraussetzungen zunächst einmal von den mitmachenden Unternehmen erfüllt werden müsse, um überhaupt ein solches Projekt in Angriff zu nehmen. Er wies auch eindringlich darauf hin, niemand solle die Erwartung hegen, mit einem regionalen Marktlatz lasse sich einfach so der Umsatz oder der Gewinn des eigenen Unternehmens steigern. Dafür bedürfe es erheblicher Anstrengungen, insbesondere auch hinsichtlich der Erzeugung eines gewissen Bekanntheitsgrades. Ziel eines regionalen Marktplatzes müsse sein, „den Rückgang der Kundenfrequenz aufzuhalten“. Dass diese ebenso richtige wie schwer zu verdauende Aussage bei den Initiatoren und Teilnehmern regionaler Online-Marktplätze nicht gerne gehört wird, versteht sich von selbst. Aber Hesse fügte sodann hinzu, es deshalb nicht zu machen, laufe im Ergebnis darauf hinaus, mittelfristig vom Markt zu verschwinden, Nischenanbieter mal ausgenommen. Sein eindringlicher Appell: „Es ist unsinnig, durch Verweigerung des e-Commerce Jugendliche davon abhalten zu wollen, das Internet für den privaten Einkauf zu nutzen. Das findet so oder so statt.“ Allerdings müssten alle, die sich an einem regionalen Marktplatz beteiligen und ihn erfolgreich gestalten wollen, eines immer beherzigen: „Es braucht einen dauerhaften Mehrwert für den Kunden, den regionalen Marktplatz zu besuchen und ihn zu nutzen.“

Wie dies und mit welchem Aufwand das in Bad Honnef betrieben wird, war Gegenstand der Ausführung von Höger. Unsere kurze Zusammenfassung dazu lautet: Es lohnt sich, aber es ist ein zähes zeitaufwendiges Geschäft. Sie können sich die gesamte virtuelle Veranstaltung bei Interesse auf der entsprechenden Seite des Ministeriums anschauen.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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