Mittwoch, 16. Februar 2022

bffk-Kammerbericht 2021: Licht am Horizont

Blogeintrag | Kommentare (1)

„Licht am Horizont“, das wünschen sich derzeit wohl alle, die auf ein vollständiges Ende der Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie warten. ‘Licht am Horizont’ ist aber auch der Titel des aktuellen Kammerberichts des bffk (Bund für freie Kammern). Sein inhaltlicher Mittelpunkt sind die Bewertung der Perspektiven, die sich aus der Promotionsarbeit von Dr. Jessica Kempen ergeben. Sie hat in ihrer Arbeit (‘Zur Europarechtskonformität der Pflichtmitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern’) deutliche Widersprüche zwischen dem deutschen Kammerrecht und dem Europäischen Recht herausgearbeitet.

Autorin Kempen erläutert diese in ihrem Grußwort zum Jahresbericht so: Die Europäische Menschenrechtskonvention enthält unter anderem das Recht, einer Vereinigung nicht beizutreten (sog. negative Vereinigungsfreiheit), der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union statuiert beispielsweise mit der Niederlassungsfreiheit ein Verbot, die unternehmerische Niederlassung in einem Mitgliedstaat durch staatliche Maßnahmen zu beschränken, und auch die Grundrechtecharta der Europäischen Union verbietet unter anderem Eingriffe in die unternehmerische Freiheit und in die Vereinigungsfreiheit. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die gesetzlich angeordnete Pflichtmitgliedschaft sowohl gegen die Europäische Menschenrechtskonvention als auch gegen das Vertragsrecht der Europäischen Union verstößt. Die juristische Auseinandersetzung um die Rechtmäßigkeit der IHK-Pflichtmitgliedschaft ist nicht vorbei, sondern steht im europäischen Rahmen erst an ihrem Anfang.

Mit den Erkenntnissen dieser Arbeit entwickelt der bffk, so teilt er im Zuge der Veröffentlichung seines Kammerberichts 2021 mit, aktuell insbesondere mit den österreichischen Partnern eine Strategie, um das Thema der Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft auch wieder ganz grundsätzlich in den Vordergrund zu rücken. „Die Arbeit von Frau Dr. Kempen belegt einmal mehr, dass die Zwangsmitgliedschaft ein Relikt aus der Vergangenheit ist, das den Anforderungen an eine moderne demokratische Gesellschaft nicht gerecht wird“, betont der bffk-Vorsitzender Frank Lasinski.

Frustrierend ist, dass der bffk wiederum zu den Ergebnissen des Kammerberichts feststellt, die Industrie- und Handelskammern versuchten weiterhin, sich der klaren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) zur rechtswidrigen Vermögensbildung zu entziehen. Der vom bffk prognostizierte und notwendige Rücklagenabbau (vgl. unseren Bericht zum Kammerbericht 2020) sei zunächst ausgeblieben. Stattdessen sei ein Trend zur Bilanzverschleierung erkennbar, indem etliche Industrie- und Handelskammern dazu übergegangen seien, ihr Eigenkapital auf der Passivseite in einer Sammelposition zu bilanzieren. „Die Kammern konterkarieren damit den Grundgedanken des Bilanzrechts, Transparenz über die tatsächlichen finanziellen Verhältnisse zu erreichen“, kritisiert dies bffk-Geschäftsführer Kai Boeddinghaus. Wie hartnäckig sie sich verweigern, zeigt auch der Kammerbericht 2018 des bffk, der dies auch schon zum Thema hatte.

Warum angesichts von fünf Verfahren beim BVerwG, in denen Mitglieder des bffk in dieser Sache obsiegt haben, nicht endlich die Rechtsaufsicht gegen die Kammern einschreitet, bleibt deren Geheimnis. Mehrfach haben wir seitens markt intern alle zuständigen Landesministerien danach befragt (s. Mi 04/20 u. Mi 17/20). Außer wachsweichen Antworten, man rede mit den Kammern, ist nichts passiert. Ein Armutszeugnis sondergleichen! Auch Boeddinghaus fragt sich, wie lange sich die Kammern gegen die weitere und notwendige Rücklagenreduzierung werden stemmen können. Sicher ist seiner Meinung nach, dass die Unbelehrbarkeit dazu führt wird, in fast allen IHK-Bezirken auch im Jahr 2022 mit hohen Erfolgsaussichten gegen die Beitragsveranlagung als Mitglied vorgehen zu können. Geradezu dreist ist vor diesem Hintergrund die Anfang letzten Jahres erfolgte Gesetzesänderung durch den Ex-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) auch noch in eine Körperschaft mit gesetzlicher Pflichtmitgliedschaft aller IHKn umwandelte. Beschlossen wurde die Gesetzesänderung auf den letzten Drücker der Großen Koalition am 11. Juni 2021.

Angesicht der im Zuge der Corona-Pandemie so im Fokus stehenden Pflegeberufe ist nicht nur für uns völlig unverständlich, warum der Gesetzgeber in einigen Bundesländern glaubt, eine Pflichtmitgliedschaft in gesetzlichen Pflegekammern könne hier Abhilfe schaffen. Der Kammerbericht belegt durch die Darstellung der massiven Verweigerung der Beitragszahlung in der Pflegekammer Rheinland-Pfalz auch die mangelnde Akzeptanz dieser Kammer bei den Pflegekräften. Die dortige Kammer weist aktuell Außenstände wegen nicht gezahlter Beiträge in Höhe von 5,5 Millionen Euro aus. Das ist weit mehr als die Pflegekammer im gesamten Jahr 2022 an Beitragseinnahmen erwartet (4,3 Millionen Euro). „Wer die Pflege stärken will, schafft Stellen und sorgt für bessere Bezahlung und nicht eine neue Behörde“, meint bffk-Vorstandsmitglied Daniel Buechner, der selbst als Pflegekraft arbeitet. Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben eingesehen, dass dies der falsche Weg ist und ihre Pflegekammer inzwischen wieder aufgelöst. NRW versucht dagegen gerade, eine solche zu errichten.

Der bundesweite Vergleich der Beitragsbelastung durch Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern, den der bffk mit hohem Aufwand erstellt, wird in diesem Jahr auch wieder vollständig im Internet veröffentlicht werden. Zunächst zeigt der Kammerbericht an einigen Beispielen, wie absurd sich die Kleinstaaterei der Kammern auf die Kammermitglieder auswirkt. Besonders drastisch sind solche Unterschiede in den Handwerkskammern. Besonders teuer ist dabei die HWK Frankfurt/M, die zuletzt dadurch von sich reden machte, dass sie erst gar keine Beiträge gegenüber renitenten Klägern erhoben hat. Einerseits fallen die erheblichen Unterschiede zwischen den Handwerkskammern und den Industrie- und Handelskammern ins Auge. „Wenn ein handwerklicher Kleinbetrieb in Frankfurt/M im Jahr 2021 satte 1.145 € an die Handwerkskammer abführen musste und sein Kollege am Kiosk nebenan nur 38 € an die IHK, dann stimmen die Verhältnisse nicht“, mahnt der bffk-Vorsitzender Lasinski.

Den aktuellen Kammerbericht 2021 des bffk finden Sie hier.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (1)

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#1 Leserkommentar
von Laurenz, 06.02.2023 10:42

<p>Ich danke sehr für den Bericht;)<br /> <br /> Alles Liebe<br /> <br /> Laurenz</p>

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