Mittwoch, 27. Oktober 2021

Europäischer Rechnungshof verweigert Ausgaben der EU sein Testat

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Gestern hat der Europäische Rechnungshof seinen Jahresbericht 2020 vorgelegt, der am 15. Juli abgeschlossen wurde. Das 378-seitige Dokument beschäftigt sich mit der konsolidierten Jahresrechnung der EU sowie der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Vorgänge. Positiv an dem Bericht ist, dass nach seiner Prüfung „die der Jahresrechnung für das am 31. Dezember 2020 endende Haushaltsjahr zugrunde liegenden Einnahmen in allen wesentlichen Belangen rechtmäßig und ordnungsgemäß“ waren.

Negativ ist dagegen, dass dies für die Ausgaben (insgesamt 173 Milliarden Euro) nicht gilt. Der Rechnungshof begründet die Versagung seines Testats hinsichtlich der Ausgaben der EU damit, diese wiesen eine „wesentliche Fehlerquote“ auf. Seine geschätzte Gesamtfehlerquote für „die akzeptierten Ausgaben“ betrage 2,7 Prozent. „Ein erheblicher Teil dieser Ausgaben – mehr als die Hälfte – ist in wesentlichem Ausmaß mit Fehlern behaftet. Dies betrifft hauptsächlich erstattungsbasierte Ausgaben, bei denen sich die Fehlerquote auf 4,0 % beläuft. Der Anstieg dieser Ausgaben auf 87,2 Milliarden Euro im Jahr 2020 – dies entspricht 59,0 % unserer Prüfungspopulation – ist in erster Linie auf einen weiteren Anstieg der Kohäsionsausgaben zurückzuführen. Insgesamt wurden 728 Vorgänge als „repräsentative Stichprobe“ bei den Ausgaben geprüft. Diese umfassen Mitteltransfers aus dem Unionshaushalt an die Endempfänger von EU-Mitteln.

Wenig überraschend kommt der Rechnungshof zu der Erkenntnis, die Fehleranfälligkeit der Ausgaben steige mit der Komplexität der Vorschriften: Für Ausgaben, die komplexen Vorschriften unterliegen, ist das Fehlerrisiko hoch.“ Dies treffe in erster Linie auf erstattungsbasierte Zahlungen zu, bei denen die Begünstigten „Anträge auf Erstattung der ihnen entstandenen förderfähigen Kosten einreichen müssen. Dazu müssen sie nachweisen, dass sie an einer förderfähigen Maßnahme teilnehmen, und Belege für die ihnen entstandenen erstattungsfähigen Kosten vorlegen. Zu diesem Zweck müssen sie hinsichtlich dessen, was beantragt werden kann (Förderfähigkeit), sowie dazu, wie Kosten ordnungsgemäß entstehen (Vergabevorschriften oder Vorschriften über staatliche Beihilfen), oft komplexe Vorschriften beachten.

Verantwortlich für die Ordnungsmäßigkeit der Ausgaben ist die EU-Kommission, die in der fraglichen Zeit von Ursula von der Leyen geleitet wurde. Die Kommission selbst hat die Fehleranfälligkeit der Ausgaben im Übrigen mit 1,9 Prozent geschätzt, während der Rechnungshof sie mit 2,7 Prozent bewertet, also deutlich höher. Einen Hinweis, woran dies liegen könnte, liefern folgende Feststellungen des Rechnungshofs: Im Einklang mit der Haushaltsordnung legt die Kommission in der jährlichen Management- und Leistungsbilanz Informationen über Präventiv- und Korrekturmaßnahmen zum Schutz des Haushalts vor rechts- und vorschriftswidrigen Ausgaben vor. Zwar wird in der jährlichen Management- und Leistungsbilanz die Bedeutung dieser Maßnahmen hervorgehoben, doch stellte der Hof fest, dass die Art und Weise, wie die tatsächlichen Finanzkorrekturen und Einziehungen dargestellt werden, komplex und nicht immer klar ist.

Wiederum erfreulich ist, dass der Rechnungshof wenig Anhaltspunkte gefunden, wonach Ausgaben durch Betrug unrechtmäßig erlangt wurden. Im Rahmen seiner Prüfung hat er lediglich sechs Fälle an das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) weitergeleitet (2019 waren es noch neuen Fälle).

Um den Neidfaktor der deutschen Rentnerinnen und Rentner noch ein wenig zu bedienen, hier noch ein Hinweis auf die Feststellung zu den „Verbindlichkeiten für Ruhestandsbezüge und sonstige Leistungen an Arbeitnehmer“. Sie belaufen sich auf 116 Milliarden Euro und entsprechen damit „mehr als einem Drittel aller Verbindlichkeiten des Jahres 2020 in Höhe von 313,5 Milliarden Euro“. Als deutscher Steuerzahler ist man geneigt zu sagen: Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten lassen grüßen. Leider gilt auch für die EU, dass sie keinen eigenen Pensionsfonds zur Deckung der Kosten künftiger Pensionsverpflichtungen eingerichtet hat. Die Versorgungsleistungen werden vielmehr aus dem Haushalt der Union gezahlt. Die Mitgliedstaaten garantieren „diese Zahlungen gemeinsam und die Beamten tragen zu einem Drittel zur Finanzierung dieser Versorgung bei.

Abschließen wollen wir unsere Analyse des Berichts mit einem Hinweis auf eine mögliche Spätfolge des Brexits. Seinetwegen weist die Jahresrechnung der EU zum 31.12.2020 eine Nettoforderung in Höhe von 47,5 Milliarden Euro gegenüber dem Vereinigten Königreich aus. Inwieweit die werthaltig ist, wird die Zukunft zeigen. Die Gesamtverbindlichkeiten betrugen übrigens 313,4 Milliarden Euro, das Gesamtvermögen 280,0 Milliarden Euro.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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