Montag, 11. Oktober 2021

VGH München erklärt Teile der bayerischen Corona-Schutzmaßnahmen des Jahres 2020 für rechtswidrig

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Dr. Markus Söder bezog einen großen Teil der von ihm ständig selbst behaupteten persönlichen  Zustimmungswerte aus seiner Corona-Politik. Kaum ein Tag verging im letzten Jahr, an dem Söder nicht von seinem ‘Team Vorsicht’ schwärmte und den aus seiner Sicht offenkundig unfähigen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet als verantwortungslosen Öffnungsfanatiker darstellte. Wir haben schon damals Söders Rigorismus kritisiert und Laschet für seinen verantwortungsvolleren Umgang mit den Freiheitsrechten der Bürger gelobt. Genutzt hat es wenig.

Allerdings hat letzte Woche der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München einen denkwürdigen Beschluss veröffentlicht, nach dem die Södersche Selbstbeweihräucherung offenbar ein wenig anders zu beurteilen ist. Im besten Juristendeutsch heißt es dort: „Es wird festgestellt, dass § 4 Abs. 2 und 3 der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmeverordnung vom 27. März 2020, zuletzt geändert durch § 1 der Verordnung zur Änderung der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 31. März 2020 unwirksam war.“

Worum geht es konkret? Was hatte Söder rechtswidrig eingeschränkt? Es geht in dem Verfahren um das damalige bayerische Verbot, die eigene Wohnung ohne „triftige Gründe“ zu verlassen. Die Entscheidung enthält sogar eine doppelte „Klatsche“ für Söder. Denn das Gericht stellt zunächst einmal fest, schon formal habe das Verbot, obwohl vermeintlich ab Ende März gültig, erst ab dem 7. April 2020 gegolten, weil es erst an diesem Tag ordnungsgemäß verkündet worden sei. Wenn ein solcher Fehler Armin Laschet unterlaufen wäre! Ab dem 7. April war die Verordnung dann zwar formal gültig, aber rechtlich unwirksam, weil sie hinsichtlich des Ausgangsverbots gegen „das Übermaßverbot als besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verstieß“. Alle diejenigen, die dies seinerzeit auch schon so gesehen haben, dürfen sich heute bestätigt fühlen. Bringt aber die verlorene Zeit auch nicht mehr zurück!

Konkret rügen die Münchner Verwaltungsrichter, die Bayerische Staatsregierung habe für die Corona-Bekämpfung nicht das mildeste Mittel gewählt. „Im vorliegenden Fall kämen als mildere Maßnahme Kontaktbeschränkungen im öffentlichen und privaten Raum in Betracht, da diese den Aufenthalt von Einzelpersonen im öffentlichen Raum unberührt lassen. Nach § 4 Abs. 3 Nr. 7 1. BayIfSMV stellte u.a. >>Sport und Bewegung an der frischen Luft, allerdings ausschließlich alleine oder mit Angehörigen des eigenen Hausstandes und ohne jede sonstige Gruppenbildung<<, einen triftigen Grund für das Verlassen der Wohnung dar. Vom Wortlaut her ist daher nur das Verlassen der Wohnung zur Sportausübung und Bewegung und kein Verlassen, um an einem Ort außerhalb der eigenen Wohnung zu verweilen, zulässig. Zwar handelte es sich bei den triftigen Gründen um Regelbeispiele, so dass auch ungeschriebene triftige Gründe in Betracht gekommen sind. Als Ausnahmetatbestand ist jedoch § 4 Abs. 3 1. BayIfSMV eng auszulegen. Eine über den Wortlaut des § 4 Abs. 3 1. BayIfSMV hinausgehende Auslegung, der die Vorschrift auf eine Kontaktbeschränkung im öffentlichen und privaten Raum reduziert, verstieße gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 20 Abs. 3, 103 Abs. 2 GG, so dass das kontaktlose Verweilen im Freien außerhalb der Wohnung keinen triftigen Grund zum Verlassen der Wohnung darstellte.“

Und falls der bayerische Ministerpräsident noch die Hoffnung hegen sollte, das Bundesverwaltungsgericht könne diese Entscheidung in der möglichen Revisionsinstanz kippen, sollte er erst noch lesen, was die Münchner Richter zur weiteren Begründung ihrer Entscheidung formuliert haben: „Offen bleibt im Vortrag des Antragsgegners (die Bayerische Staatsregierung, Anm. d. Red.) dagegen, warum ein Verhalten, welches für sich gesehen infektiologisch unbedeutend ist, nämlich das Verweilen alleine oder mit den Personen seines Haushalts im Freien außerhalb der eigenen Wohnung, ebenso der Ausgangsbeschränkung unterworfen wurde. Sollte in dem Verweilen in der Öffentlichkeit eine Gefahr für die Bildung von Ansammlungen gesehen worden sein, weil sich um den Verweilenden sozusagen als Kristallisationspunkt Ansammlungen von Menschen bilden könnten, so unterstellt diese Sichtweise ein rechtswidriges Verhalten der Bürger und setzt dieses sogar voraus. Dass ein solches zu diesem Zeitpunkt in relevanter Anzahl anzunehmen gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.“

Exakt diese Sichtweise entsprach der Haltung des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten, der deshalb auch von vielen Medien als „Hallodri“ gegeißelt wurde. Jetzt hat Armin Laschet schriftlich, dass er recht hatte. Nutzt ihm aber auch nichts mehr. Sollte aber jedem in der Union klarmachen, was auf die Union zukäme, sollte weiter Markus Söder die CDU vor sich hertreiben.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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