Mittwoch, 15. September 2021

Stolpert Olaf Scholz auf dem Weg ins Kanzleramt über die FIU?

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Wir hatten letzte Woche über die Durchsuchungen im Bundesfinanzministerium  (BMF) und im Bundesjustizministerium berichtet. Dabei hatten wir noch gefragt, ob an Olaf Scholz alles abpralle. Dies bezog sich darauf, dass in den öffentlich-rechtlichen Medien allenfalls recht reserviert über diesen Vorgang berichtet wurde und Scholz schnippisch erklärte, die Staatsanwaltschaft hätte nicht das BMF durchsuchen müssen, sie hätte einfach Fragen an das Ministerium stellen können, die dann beantwortet worden wären.

Inzwischen hat die Sache eine weitere, jetzt sehr unangenehme Wendung für Scholz genommen. Schuld daran ist sein Spiritus Rector und langjährige Begleiter, Staatssekretär Wolfgang Schmidt. Der glaubte am 12. September via Twitter das Ministerium, und damit den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, reinwaschen zu können, indem er feststellte, er sei zuversichtlich, die Vorwürfe würden schnell ausgeräumt. Das wäre an sich schon ungeschickt. Geradezu dämlich war aber, dass Schmidt glaubte, Passagen des Durchsuchungsbeschlusses veröffentlichen zu müssen, damit jeder sich ein Bild machen könne, worum es bei der Durchsuchung ging.

Davor ist allerdings § 353d des Strafgesetzbuches (StGB). Dort heißt es in Nr. 3: Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe werde bestraft, wer „die Anklageschrift oder andere amtliche Dokumente eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist“. Die Vorschrift sollte ein Staatssekretär der Bundesregierung kennen. Gegen Schmidt ermittelt deshalb jetzt die Staatsanwaltschaft Osnabrück wegen Verstoßes gegen eben jenen § 353d StGB. Schmidt hat inzwischen auch getwittert, „ich formuliere meine Tweets selber und binde dabei niemanden ein…“ Ziel der Übung: Angriffe auf Scholz abzuwehren, der müsse dieses Vorgehen Schmidts im Vorfeld gekannt haben.

Merkwürdig, man könnte auch sagen frech ist zudem, warum sowohl Scholz wie auch Schmidt permanent versuchen, einen Eindruck zu zerstreuen, der angeblich falsch entstanden sei. Sie behaupten, es werde gar nicht gegen Verantwortliche des BMF ermittelt, sondern gegen Mitarbeiter der Financial Intelligence Unit (FIU). Das ist einerseits völlig unstreitig, weil es die Staatsanwaltschaft Osnabrück selbst so dargestellt hat. Die Staatsanwaltschaft hatte  von Anfang an mitgeteilt, die Durchsuchung habe das Ziel, „den Straftatverdacht (wegen Strafvereitelung im Amt gegen Verantwortliche der FIU, Anm. Red.) und insbesondere individuelle Verantwortlichkeiten weiter aufzuklären. Es soll unter anderem untersucht werden, ob und gegebenenfalls inwieweit die Leitung sowie Verantwortliche der Ministerien sowie vorgesetzte Dienststellen in Entscheidungen der FIU eingebunden waren.“

Schmidt hat am 14. September in einer neuen Tweet-Serie zwar auch genau jene Passage der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft zitiert, dann aber hinzugefügt, „in der Nachfolge ist es zu einer öffentlichen Diskussion über die Frage, wie der Wortlaut des Beschlusses des Amtsgerichts Osnabrück vom 10. August 2021 tatsächlich laute und gegen wen sich die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft richteten, gekommen.“ Deshalb habe er die Passage des Durchsuchungsbeschlusses veröffentlicht. Welche Öffentlichkeit dies diskutiert hat, wissen wir nicht. Schmidt wie Scholz hätten einfach abwarten sollen, was die Auswertung der Unterlagen ergeben wird. Schmidt hat seinem Chef mit seinem dreisten Tweet einen Bärendienst erwiesen. Die Sache wäre wahrscheinlich an Scholz wie vieles andere abgeprallt, aber mit diesem Tweet hat sich die Nachrichtenlage eindeutig zulasten von Scholz verschoben.

Inzwischen fordert die Opposition eine Sondersitzung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages noch vor der Wahl. Zudem verlangen sie, dass Scholz an der Sitzung persönlich teilnehmen muss. Der wird sich wahrscheinlich dagegen wehren. Sollte er dennoch erscheinen müssen, wird er voraussichtlich das tun, was er immer tut, wenn es eng wird: Er wird sich darauf berufen, sich nicht erinnern zu können oder nichts gewusst zu haben. Nur diesmal könnte es ihn auf den letzten Metern den Sieg kosten.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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