Montag, 06. September 2021

RBB befragt Grünen-Landtagsabgeordneten bei einer ‘zufälligen’ Passantenbefragung

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Erst vor Kurzem hatten wir über den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts berichtet, das den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine Beitragserhöhung ermöglicht. Dabei hatten wir kritisiert, dass die Verfassungshüter ausgerechnet den öffentlich-rechtlichen Sendern eine besonders hohe journalistische Arbeit zugesprochen hatten. Da kann man aus vielerlei Gründen ganz anderer Meinung sein. Ein besonders krasses Beispiel, wie ‘hoch’ die journalistischen Standards sind, hat aktuell der ‘Tagesspiegel’ beim RBB aufgedeckt. Der RBB interviewte im Rahmen einer Straßenumfrage den Bündnis 90/Die Grünen-Abgeordneten des Berliner Abgeordnetenhauses Georg Kössler zur Gefahrenlage auf Berlins Straßen, ohne bei der Ausstrahlung seines Statements in der Abendschau auf dessen Funktion hinzuweisen.

Nun ist Kössler nicht irgendein Abgeordneter, er ist Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus für Klima und Umweltschutz, für Eine-Welt-Politik und für Clubkultur. Er ist seit 2016 Abgeordneter und tritt auch zur Wiederwahl an. Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass keiner der Sendeverantwortlichen im RBB ihn erkannt haben will. Immerhin, der RBB bezeichnete diese Vorgehensweise als „handwerklichen Fehler“ und löschte den Beitrag nach entsprechenden Hinweisen.

Klar, Fehler können passieren. Auffällig ist nur, dass sich bestimmte Fehler bei öffentlich-rechtlichen Anstalten wiederholen. Erst 2017 hatte der MDR eine noch drastischer Informationsunterschlagung geliefert (vgl. Mi 20/17). Er strahlte am 22. August 2017 einen Beitrag über angeblich zu hohe Mieten in Leipzig aus, bei der eine verheirate junge Mutter zu Wort kam, die beklagte, der vierköpfigen Familie sei der Umzug aus ihrer 90 qm großen Wohnung in eine Vierraumwohnung wegen der zu hohen Mieten nicht möglich. Eingeblendet wurde als Name der jungen Mutter Anja Riekewald. In Wahrheit war es Franziska Riekewald, Bundestagskandidaten für Die Linken im Wahlkreis Leipzig I und stellvertretenden Fraktionsvorsitzende der Linken im Leipziger Stadtrat. Erst am 4. September räumte der MDR damals ein, der Beitrag habe „die journalistischen Standards nicht eingehalten“.

Auch das ZDF tummelte sich bereits auf diesem Feld. Am 26. Juli 2018 berichtete das 'heute journal' über die Schwierigkeiten Alleinerziehender in Deutschland. Zu Wort kam als eine von zwei Betroffenen die 29-jährige Anke Pöhlmann. Die schilderte eindrucksvoll ihre persönliche Situation und politischen Forderungen, ohne dass den Zuschauern mitgeteilt wurde, wer Anke Pöhlmann ist. Sie kandidierte seinerzeit für die FDP im Wahlkreis München-Mitte bei der Bayerischen Landtagswahl. Zwar räumte auch das ZDF im Nachgang einen Fehler ein, es bleibt allerdings der Verdacht, diese Fehler könnten kein Zufall sein. Wie gut also, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk beim Bundesverfassungsgericht einen derart hohen Stellenwert genießt. Er müsste sich sonst Sorgen um seine Zukunft machen.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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