Montag, 14. Juni 2021

Das grüne Wahlprogramm bleibt ein Programm für Deutschland

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Bündnis 90/Die Grünen haben es geschafft: Ihr Wahlprogramm bleibt ein Wahlprogramm für Deutschland. Wer uns an der Stelle nicht ganz folgen kann, dem sei gesagt, dass es zum Bundesparteitag der Grünen u.a. auch den Antrag gab, den Namen Deutschland aus dem Titel des Wahlprogramms („Deutschland: Alles ist drin“) zu streichen. Der Antragskommission ist es aber gelungen, diesen Antrag erst gar nicht mehr zur Abstimmung kommen zu lassen.

Es wäre in der Tat auch den potenziellen Wähler kaum zu vermitteln gewesen, das Wort Deutschland aus dem Titel des Wahlprogramms zu streichen. Auch andere Anträge, die in der Mitte der Gesellschaft weniger Zustimmung finden könnten als bei Parteitagsdelegierten der Grünen sind von der Parteiführung souverän abgewehrt worden. In diese Rubrik gehörten beispielsweise Forderungen nach einem deutlich höheren CO2-Preis, Verschärfungen beim Tempolimit auf Landstraßen oder beim Verbot von Verbrennungsmotoren.

Insoweit haben die Grünen geliefert. Aber ist deshalb ihr nunmehr beschlossenes Wahlprogramm nicht mehr der Fliegenpilz, von dem die Union gerne spricht? Schön anzusehen, aber ungenießbar? Die Grünen selbst charakterisieren ihr in sechs Kapiteln unterteiltes Wahlprogramm so: „Das Land, die Menschen und auch die Wirtschaft sind bereit für Veränderung. Bereit, die Dinge anders zu denken, anders zu machen, so dass am Ende alle profitieren. Wir sind die Kraft, die dieses Land mutig, entschlossen und mit neuem Schwung aus der Krise in dieses entscheidende Jahrzehnt führt. Mit unserem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 ‘Deutschland. Alles ist drin’ und unserem Spitzenteam Annalena Baerbock und Robert Habeck bieten wir konkrete Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit und machen ein Angebot für die ganze Gesellschaft.“

Schwerpunkte des Wahlprogramms sind nach eigener Einschätzung der Grünen, einen klimagerechten Wohlstand zu schaffen, für ein gutes Leben auf dem Land und in der Stadt zu sorgen sowie die soziale Sicherung „auf die Höhe der Zeit“ zu bringen. Das Problem dieser Programmsätze ist: Sie wird in dieser Allgemeinheit jeder für richtig halten. Entscheidend wäre allerdings das Kleingedruckte, wie beispielsweise die soziale Sicherheit, die auf der Höhe der Zeit gehoben werden soll, finanziert werden soll? Die Vorhaben der Grünen dazu lauten beispielsweise: Kindergrundsicherung, Mindestlohn von zwölf Euro, Umbau der Arbeitslosenversicherung zur Arbeitsversicherung, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und Überwindung von Hartz IV.

Wie teuer wird die von den Grünen gewollte Verschärfung der Energiewende? Sie bleiben die ehrliche Antworten schuldig. So liest es ich zwar schön, wenn es im Programm heißt: „Damit Klimaschutz sozial gerecht ist, wollen wir die Einnahmen aus dem CO2-Preis direkt an die Bürger*innen zurückgeben. Dazu streben wir ein Energiegeld an, das jede*r Bürger*in erhält. Über das Energiegeld geben wir die CO2-Einnahmen an die Menschen zurück, und zwar als Pauschale pro Kopf. So wird klimafreundliches Verhalten belohnt und es findet ein sozialer Ausgleich im System statt. Unterm Strich werden damit vor allem Geringverdiener*innen und Familien entlastet. Bezieher*innen von Transferleistungen wie Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe profitieren ebenfalls, da das Energiegeld nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden soll. Zusätzlich legen wir für besonders Betroffene einen Klimabonus-Fonds auf, der mit großzügigen Hilfen unterstützt, z.B. beim Kauf eines emissionsfreien Fahrzeugs.“

Wer die Abwicklung der Bazooka-Hilfen des Duos Scholz/Altmaier verfolgt hat, ahnt, wie schnell und unkompliziert dies erfolgen kann. Was diese ganze Umverteilung der Gelder am Ende kostet, wissen die Grünen wahrscheinlich selbst auch nicht. Aber sie erwecken den Eindruck, der Betrag sei zu vernachlässigen. Zu Recht kritisieren die Grünen Andreas Scheuer für den Aufbau einer neuen völlig überflüssigen Behörde, der Mobilfunkbehörde, weil dies unnötig Kosten produziere. Richtig, aber zugleich soll eine gigantische Umverteilung von Mitteln im Energiesektor quasi kostenfrei ablaufen?

Anderer Punkt: Für Zukunftsinvestitionen sollen in den nächsten zehn Jahren jährlich 50 Milliarden Euro öffentlich investiert werden. Zudem solle es einen Neustart nach der Corona-Krise geben. Daher müsse gezielt den besonders betroffenen Branchen geholfen werden. „Damit sichern wir Existenzen, erhalten Arbeitsplätze und setzen zielgenaue konjunkturelle Impulse. Hierfür dehnen wir den steuerlichen Verlustrücktrag aus, führen attraktive und zeitlich begrenzte Abschreibungsbedingungen ein und helfen kleinen und mittleren Unternehmen, sich mit vereinfachten Restrukturierungsverfahren leichter neu aufzustellen, ohne Insolvenz anmelden zu müssen. Falls Corona-Soforthilfen zurückgezahlt werden müssen, benötigen die Unternehmen großzügige Stundungen. Für Selbständige braucht es vor allem sichere Aufträge durch handlungsfähige Kommunen, die wir unter anderem durch eine abgestimmte Kulturförderpolitik stärken wollen.“

Auch dies klingt alles wunderbar. Es fragt sich halt nur, woher das ganze Geld kommen soll, dass da in unzähligen Programmen an die Bevölkerung gebracht werden soll, der es dafür im Prinzip zunächst einmal abgenommen wird.

Ein letztes Beispiel an dieser Stelle: Auch für den Automobilsektor haben die Grünen viel zu bieten. Ausgangspunkt ist für sie dabei: „Der fossile Verbrennungsmotor hat keine Zukunft. Wir wollen ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos neu zulassen.“ Klare Ansage. Doch dann wird es wieder blumig: „Wir unterstützen bei Forschung und Innovation und sichern einen schnellen Aufbau der Ladesäuleninfrastruktur und eine weitere Förderung des Markthochlaufs von emissionsfreien Fahrzeugen zu. Wir wollen Europa zum Weltmarktführer einer ökologischen Batteriezellenproduktion machen, zu der ein wirksames Recyclingsystem gehört sowie die Forschung und Entwicklung der nächsten Batteriegeneration. Dazu setzen wir auf klare Vorgaben bei den Ökostandards und ein umfassendes Forschungs- und Förderprogramm. Wir wollen zudem die besonders betroffenen Autoregionen mit regionalen Transformationsdialogen und -fonds unterstützen.“ Womit, wie, in welcher Höhe?

So geht es an den meisten Stellen des Programms. Es wird viel versprochen, ohne dass konkretisiert würde, was das genau kosten und wie die Vorhaben finanziert werden sollen. Mag sein, dass dies vielen Wählern der Grünen tatsächlich egal ist. Unternehmerinnen und Unternehmern sollte es nicht egal sein. Es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass sie am Ende diese Rechnung bezahlen.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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