Donnerstag, 10. Juni 2021

Handwerklich unsauberer Beitrag der Tagesthemen zum Gendern

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Wer am 9. Juli die ARD-Tagesthemen verfolgt hat, konnte gleich anhand des ersten Themas erleben, wie Nachrichtenjournalismus nicht arbeiten sollte. Thema war aufgrund der Vorstellung des Gleichstellungsberichtes der Bundesregierung das Gendern. Wobei, genauer müsste es heißen, Thema war, warum Kritiker sich darüber so echauffieren. O-Ton Moderator Ingo Zamperoni„Warum ist die Debatte um das Gendern immer gleich so hitzig und emotional aufgeladen?“

Und damit war schon das Fundament gelegt, sich nicht wirklich mit dem massiven Vordringen des Genderns insbesondere bei öffentlichen Einrichtungen zu beschäftigen, sondern mit den Kritikern. Zwar kamen auch die zu Wort, der Duktus blieb aber eindeutig: Die Kritiker sollen ruhig bleiben und doch einfach mal das Experiment der Gender-Gemeinde abwarten. Dass nun aber gerade diejenigen, die das Gendern befürworten, dies nicht einfach nur für sich in Anspruch nehmen, sondern es insbesondere in öffentlichen Einrichtungen bundesweit durchzusetzen versuchen, davon war während der mehr als zwölf Minuten, in denen sich die Tagesthemen damit beschäftigten, nicht die Rede.

Auch nicht in dem Interview mit Prof. Dr. Carolin Müller-Spitzer vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache, deren Forschungsschwerpunkt, laut Zamperoni, eine geschlechtergerechte Sprache ist. Sie ließ die Zuschauer wissen: „Im Grunde wird niemand gezwungen, eine bestimmte Sprache zu verwenden.“ Das ist einerseits richtig, andererseits aber grundfalsch. Auch Müller-Spitzer dürfte nur zu gut wissen, dass in Universitäten Arbeiten inzwischen in gegenderter Sprache abzuliefern sind, dass beispielsweise Städte wie Hannover oder Berlin längst Verwaltungsanweisungen erlassen haben, wonach alle Kommunikation in geschlechtergerechter Sprache zu erfolgen hat (und zwar inklusiver Genderstern oder Binnen-I).

Für Müller-Spitzer wird die Debatte dabei von denen „angeheizt“, die gegen das Gendern sind. Dass dies aber vor dem Hintergrund geschieht, dass über die staatlichen Institutionen massiver Druck zum Gendern aufgebaut wird, war Zamperoni weder eine Nachfrage wert, noch kam dies irgendwo sonst in den mehr als zwölf Minuten vor. Wer dies nicht vorher wusste, der konnte nur den Eindruck gewinnen, alles sei halb so wild. Sprache habe sich schon immer weiterentwickelt. Keiner müsse gendern, es sei doch alles nur ein Versuch. O-Ton Müller-Spritzer: Statt ein Verbot des Genderns zu fordern, könne man doch „andere einfach entspannt experimentieren lassen“. Man solle das Thema mehr „sachlich, mehr entspannt sehen“. Als ob dies gerade die Vertreter der geschlechtergerechten Sprache täten!

Niemand kann von den Tagesthemen verlangen, sich gegen das Gendern auszusprechen, aber von einer Nachrichtensendung muss man erwarten, dass sie zumindest die Fakten der Themen, über die sie berichtet, halbwegs repräsentativ darstellt. Daran ist die Redaktion in Hamburg bei diesem Thema wie auch schon bei anderen Themen gründlich gescheitert!


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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