Standortschließung in Sigmaringen kostet 100 Mio. €
In unserer 1. Juni-Ausgabe hatten wir Sie erstmals aufgefordert, uns Beispiele für Steuerverschwendung vor Ort mitzuteilen. Anlass dazu war die Weigerung der Bundeskanzlerin und des Bundesfinanzministers, in der laufenden Legislaturperiode die Kalte Progression abzumildern. Angeblich, so Merkel, gebe es dafür keine „Spielräume“ (vgl. Fh 12/14). Wir sind, wie viele andere auch, der Meinung, die Spielräume gibt es sehr wohl, wenn endlich einmal das Thema Steuerverschwendung ernsthaft angepackt wird. Aus den uns bisher zugesandten Fällen haben wir nunmehr einen ersten Fall zum 'Steuerprasser des Monats' gewählt. Bei dem geht es immerhin um rund 100 Mio. €, die auf dem Altar einer in Teilenabsurden Bundeswehrreform zum Fenster rausgeworfen werden. Ausgerechnet von jener Bundeswehr, die seit Wochen wegen Materialmängeln, Verzögerungen bei der Auslieferung neuen Militärgeräts, Kostensteigerungen und Pannen im Kreuzfeuer der Kritik steht. Im 1.500 Seiten starken Bericht der KPMG-Prüfer finden sich haarsträubende Details über Pannen, die sich bei der Entwicklung neuer Waffensysteme ereignet haben. Eine ganze Fernsehstaffel ‘Pleiten, Pech und Pannen’ ließe sich mit dem Bericht füllen. So wurde beim Milliardenprojekt des Schützenpanzers Puma mit einem Investitionsvolumen von knapp vier Milliarden Euro seitens der Bundeswehr ein Mustervertrag verwendet, der so ausgefeilt ist, dass er auch für die Beschaffung von Toilettenpapier geeignet wäre. Aktuell will das Planungsamt der Bundeswehr gleichwohl jährlich 200 Mio. € mehr für den Verteidigungsetat, damit die Bundeswehr ihre Aufgaben erfüllen könne. Geld, das sie an anderer Stelle geradezu zum Fenster hinauswirft.
Und damit kommen wir zum Fall Sigmaringen. Unter der Ägide Thomas de Maizières wurde Ende 2011 der Beschluss gefasst, die ‘Graf-Stauffenberg-Kaserne’ der Bundeswehr in Sigmaringen/Baden-Württemberg – übrigens die damals einzige Kaserne, die den Namen dieses Widerstandskämpfers trägt – mit dem dort stationierten Stab der 10. Panzerdivision zugunsten des 250 km nord-östlich gelegenen Standortes Veitshöchheim (Bayern) „wegen veränderter sicherheitspolitischer Rahmenbedingungen“ komplett zu schließen. Was heißt das für den Steuerzahler? In Sigmaringen wurde im 2. Quartal 2013 das modernste von drei Versorgungs- und Instandhaltungszentren der Sanitätstruppe in Betrieb genommen – Kosten ca. 30 Mio. €. Geld, das mit der Aufgabe des Standortes Anfang 2015 verbrannt sein wird. Das Kasernengelände, auf dem knapp 1.500 Bundeswehrsoldaten stationiert sind, umfasst rund 215 Hektar und wurde in der Vergangenheit laufend auf den neuesten Stand der Technik gebracht, einschließlich der Errichtung eines hochmodernen IT-Knotenpunkts. Alle Gebäude für Offiziere und Truppe entsprechen dem aktuellen Stand der Technik bei Wärmedämmung und Sanitäreinrichtungen. Es gibt ausschließlich moderne Werkstattgebäude. Der Standort verfügt über einen ausreichenden Übungsplatz und eine entsprechende Schießanlage. Ganz anders stellt sich die Situation in Veitshöchheim dar. Bauzustand und Infrastruktur befi nden sich noch auf dem Niveau Ende der 1960er Jahre, als die Kaserne in Betrieb genommen wurde. Der Schießplatz liegt weit entfernt. Für die in die Jahre gekommenen Büro- und Unterkunftsgebäude, die Erneuerung der Stromversorgung, den Umbau des Standortsanitätsbereichs bzw. Abriss und Neubau einer Sporthalle sowie für den Neubau eines Unterkunftsgebäudes mit 126 Wohneinheiten werden laut Angaben der Stadt Veitshöchheim ca. 85 Mio. Euro veranschlagt. Es kann aber auch mehr werden, wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat, um künftig drei statt zwei Stäbe dort räumlich unterzubringen. Andere Schätzungen sprechen daher von 130 Mio. Euro Baukosten, um auf den Stand von Sigmaringen zu kommen. Ganz zu schweigen von den Kosten für die Computervernetzung des Stabes, die laut Aussage des CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Bareiß nochmals mit einem zweistelligen Millionenbetrag zu Buche schlagen dürften.
In einem ‘mi’ vorliegenden Schreiben des damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Ernst-Reinhard Beck heißt es zu dieser Verlegung, das Stationierungskonzept sei Ergebnis einer umfassenden und gründlichen Analyse, in der alle relevanten Faktoren in einer ganzheitlichen Betrachtung gegeneinander abgewogen worden seien. Gegen Sigmaringen sprächen die dezentrale Lage und eine schlechte Verkehrsanbindung. Der schwäbische CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Barthle versteigt sich in einem ‘mi’ vorliegenden Schreiben zur bemerkenswerten Aussage, die von de Maizière geplante und begonnene Strukturreform der Streitkräfte sei ein “schlüssiges Gebilde“. De Maizières Planung berücksichtige im Gegensatz zu den vorangegangenen Reformen seiner Vorgänger „ökonomische Faktoren nur sekundär“. Das könne durchaus zur Folge haben, dass Standorte geschlossen oder reduziert würden, obwohl im Vorfeld Investitionen getätigt wurden. Warum auch ökonomisch denken, der Steuerzahler hat’s ja!
Und was sagt die neue Speerspitze der Bundeswehr, Frau Ministerin Ursula von der Leyen, zu dem Vorgang? In einem 'mi' vorliegenden Schreiben ihres Ministeriums heißt es ebenfalls, die Stationierungsentscheidung vom 26. Oktober 2011 sei das Ergebnis einer umfassenden und gründlichen Analyse. Die losgelöste Betrachtung einer bestimmten Dienststelle und einzelner Faktoren, ohne alle Bundeswehrstandorte insgesamt zu berücksichtigen, sei nicht zielführend. Die Kosten rechnet das Ministerium in ‘guter’ Tradition offenbar bewusst klein. Für die Unterbringung des neu hinzukommenden Stabes seien Baumaßnahmen von rund 3,4 Mio. € geplant. Für darüber hinaus gehende langfristige Baumaßnahmen rechne man mit Infrastrukturinvestitionen von weiteren 52 Mio. €. Dabei wird die Tatsache, dass in Sigmaringen Investitionen beim Sanitätsmaterial-Versorgungs-/Instandsetzungs-Zentrum und beim IT-Knoten zum Fenster herausgeschmissen worden sind, off enbar ausgeblendet, was den Schaden für den Steuerzahler nochmals erhöht. Deshalb ist dieses Beispiel für uns der erste ‘Steuerprasser des Monats’. Wenn Sie weitere Beispiele für Steuerverschwendung kennen, nennen Sie sie uns (www.steuerprasser.de oder nutzen Sie den QR-Code). Wir werden demnächst auch kleinere Fälle vorstellen, denn es geht ums Prinzip!
Chefredakteur