Kammerbericht 2020 des bffk belegt Ignoranz der Politik bei der Reform der Kammern
Aktuell ist der Kammerbericht 2020 des Bundesverbands für freie Kammern (bffk) mit dem Titel 'Rechtsprechung bestärkt Kammerkritiker' erschienen. Eigentlich war 2020 ein sehr erfolgreiches Jahr für den bffk. So kann der Vorsitzende Frank Lasinski erfreut in seinem Vorwort feststellen, das Jahr habe „mit drei weiteren Grundsatzurteilen des Bundesverwaltungsgerichts zur unangemessenen Vermögensbildung durch die IHKn“ begonnen (vgl. Mi 03, 04, 14 u. 17/20). „Allein zu diesem Sachverhalt waren das die Urteile Nummer drei, vier und fünf vor dem Bundesverwaltungsgericht, weil sich die IHKn im Umgang mit den Beiträgen ihrer Zwangsmitglieder fortgesetzt uneinsichtig zeigten. Die Grundsatzentscheidungen sind ein weiterer erstaunlicher und erfreulicher Erfolg angesichts der Kräfteverhältnisse mit Blick auf die IHKn, die unter bedenkenloser Ver(sch)wendung der Zwangsbeiträge mit dem Einsatz teuerster Anwaltskanzleien Widerstand leisteten.“
So weit, so gut. Aber leider führen auch fünf Urteile des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) nicht dazu, dass wirklich alle Kammern ihre Beiträge auf ein rechtlich zulässiges Maß senken. So heißt es im Jahresbericht etwa: „Die Beachtung des Kostendeckungsprinzip wird in den Kammern weiter sträflich vernachlässigt. Zwar sinken die Rücklagen. Vielerorts wird aber auch nur »kreativ« umgeschichtet.“ So kann es nicht mehr überraschen, dass der bffk zwar einerseits feststellt, „der Abbau rechtswidriger Rücklagen ist nicht aufzuhalten. Die Kammerberichte des bffk und die zahlreichen – meist erfolgreichen – Widerspruchs- und Klageverfahren zeigen Wirkung.“ Aber leider wird von etlichen Kammern andererseits immer noch viel bei den Rücklagen verschleiert.
Besonders dreist ist dabei nach Angaben des bffk die „neueste Masche. Sie besteht darin, dass viele IHKn die verschiedenen Rücklagenpositionen überhaupt nicht mehr differenziert angeben, sondern in der Bilanz als 'Sonstiges Eigenkapital' zusammenfassen. Dies ist deswegen absurd, weil damit die Idee einer besseren Verständlichkeit, die mit der Anwendung der kaufmännischen Buchführung erreicht werden sollte, mit Füßen getreten wird. Auch das HGB kennt den Begriff des 'Sonstigen Eigenkapitals' nicht. Die IHKn schaffen sich hier einmal mehr ein Sonderrecht, um Mitgliedern und Öffentlichkeit einen klaren Blick auf die tatsächliche Vermögenslage zu verwehren.“
Und wie reagiert die Politik darauf? Mit einem Gesetzentwurf aus dem Hause des Bundeswirtschaftsministers, mit dem die Pflichtmitgliedschaft auch noch ausgeweitet wird (vgl. Mi 02 , 03/21 u. 05/21)! Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, der baden-württembergische CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß, erklärt dies in seinem Grußwort zum Kammerbericht 2020 des bffk so: „Die Bundesregierung trägt für die Kammerorganisation und ihre Mitglieder Verantwortung. Aufgabe der Politik ist es, von Gerichten und vor allem von den Pflichtmitgliedern und ihren Verbänden aufgezeigte Probleme aufzugreifen und einer adäquaten Lösung zuzuführen.“ Ja, Bareiß kommt sogar zu dem Ergebnis, das Urteil des BVerwG, wonach die IHK Nord Westfalen aus dem DIHK austreten muss (vgl. Mi 22/20), sei „eine Zäsur, damit aber zugleich ein Neubeginn. Es macht deutlich, dass gerade auch in struktureller Hinsicht dringend Veränderungen erforderlich sind.“ Doch wie verträgt sich dies mit dem Gesetzentwurf aus dem Hause Altmaier, in dem Bareiß tätig ist? „Wir wollen daher auf Bundesebene Strukturen zur Verfügung stellen“, schreibt er dazu in seinem Grußwort, „die auf Dauer mögliche Kompetenzüberschreitungen verhindern und gleichzeitig die Aufgabenerfüllung im Interesse der mittelständischen Wirtschaft ermöglichen.“ Dass Bareiß dann für das Gelingen „dieses Neubeginns“ einen Diskurs mit den Pflichtmitgliedern und deren Unterstützung einfordert ( „Dafür möchte ich werben und Sie gewinnen“ ), wirkt wie der blanke Hohn.
Kommen wir zum Abschluss noch zu einem in Teilen durchaus erfreulichen Aspekt des Kammerberichts, der Entwicklung der Rücklagen der Kammern. Während die Pensionsrückstellungen steigen und steigen (nach Berechnungen des bffk aktuell auf 1.244,9 Millionen Euro), sind die Gesamtrücklagen insgesamt dank der Aktivitäten und Gerichtsverfahren des bffk nach dessen Berechnungen seit 2013 kontinuierlich von 2.044,3 Millionen Euro auf (2019) 1.432,2 Millionen Euro gesunken. Unschwer lässt sich an der Entwicklung ablesen, dass inzwischen 87 Prozent der Rücklagen für Pensionsforderungen gebildet werden. Absurd! Und nach wie vor kritisiert der bffk, die Kammern wiesen in Teilen schwer nachzuvollziehende Beitragsunterschiede für an sich vergleichbare Leistungen auf. Abhilfe ist hier aber kaum zu erwarten, da die Mitglieder ihre Kammer nicht wechseln oder aus ihr austreten können.
Chefredakteur