Rechtsanwalt Dr. Jochen Heide: Wer meckert, der muss auch machen!

Wahlen zum Vorstand einer Rechtsanwaltskammer sind meist kein Ereignis, das öffentlichen Wirbel verursacht. Für die vom 11. bis zum 25. März 2021 laufenden Wahlen zum Vorstand der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf ist das anders. Kein geringerer als der Bundesgerichtshof hatte im Dezember 2020 die vorausgegangene Wahl von 2017 für ungültig erklärt. Betroffen waren 13 der 15 damals neu gewählten Mitglieder des Vorstands, darunter der langjährige Präsident. Letzterer hatte gegen das Neutralitätsgebot verstoßen, indem er als Versammlungsleiter der Wahlversammlung zu seiner eigenen Wiederwahl aufgerufen hatte. Die Entscheidung des BGH, die 47 (aufschlussreiche) Seiten umfasst, kann hier (juris.bundesgerichtshof.de/rechtsprechung) nachgelesen werden. Mit einer Mehrheit der verbliebenen 17 Mitglieder wählte der Vorstand noch im Dezember eine Präsidentin, deren Amtszeit je nach Ausgang der Wahl recht kurz ausfallen könnte.

'mi' nutzte die Neuwahl, um einen der Initiatoren der Anfechtung, Rechtsanwalt Dr. Jochen Heide, nach den Gründen für seine erneute Kandidatur zu fragen. Dr. Heide ist Partner der Düsseldorfer Rechtsanwaltskanzlei Patt-Feuring-Heide (www.patt-rae.de). Er ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht sowie für Vergaberecht.

Mi: Herr Dr. Heide, seit gestern laufen die Wahlen zum Vorstand der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf. Sie kandidieren erneut. Wie gut sind Ihre Aussichten, es diesmal in den Vorstand zu schaffen?

Dr. Heide: Das weiß ich nicht. Ich fürchte mich jedenfalls nicht vor der Aufgabe. Wer meckert, der muss auch machen.

Mi: Sie haben die Vorstandswahl 2017 erfolgreich angegriffen. Das Verfahren hat bundesweit beträchtliche Wellen geschlagen. Worum ging es Ihnen?

Dr. Heide: Für mich als Spezialist im öffentlichen Recht war es wichtig, eine Entwicklung einzubremsen, die ich für bedenklich hielt. Wenn jemand Funktionen in einer öffentlichen Institution bekleidet, darf er deren Ressourcen nicht für eigene Zwecke verwenden, sonst wird es eng. Mein Eindruck war, dass das, was auf der Versammlung damals passierte, mehr als nur ein Missgeschick war.

Mi: Wie kamen Sie zu diesem Eindruck?

Dr. Heide: Da gibt es einen einfachen Test: Die Funktion muss wichtiger sein als die Person, die gerade da sitzt. Es ist falsch, wenn ich die Position in einem Vorstand als etwas Eigenes, mir Gehörendes  verstehe. Genau diesen Eindruck konnte man immer wieder haben.

Mi: Das dürfte ja spätestens mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs anders geworden sein.

Dr. Heide: Ist es aber nicht.

Mi: Wie kommen Sie darauf?

Dr. Heide: Es war ja nicht nur der Bundesgerichtshof. Auch beim Anwaltsgerichtshof zieht man sich die Hosen nicht mit der Kneifzange an. Die Meinung der Gerichte war einhellig. Aber bis heute gibt es von der damaligen Behördenleitung kein Wort der Einsicht. Ich sehe das Problem im Bereich der ehrenamtlichen Besetzung von Ämtern und Positionen. Im Bereich der Geschäftsführung ist die Kammer nach meinem Kenntnisstand dagegen professionell aufgestellt.

Mi: Kommen wir zu Ihrer persönlichen Agenda. Was würden Sie im Vorstand tun, worauf würden Sie Wert legen?

Dr. Heide: Mein Hauptanliegen ist, dass die Anwaltschaft vernünftig nach außen vertreten wird. Es wirft ein schlechtes Licht auf die Profession, wenn Arbeitsgerichtsprozesse gegen das eigene Personal geführt werden, die horrend teuer und von vorne herein aussichtslos sind [siehe dazu Anm. am Ende des Interviews]. Auch die Art und Weise, wie das besondere elektronische Anwaltspostfach an die Wand gefahren wurde, sollte sich nicht wiederholen. 

Mi: Sie sprechen das Bild der Anwaltschaft in der Öffentlichkeit an – setzen Sie auch auf die Leitbildfunktion, also darauf, dass Anwälte selber ein Beispiel für die Werte abgeben, für die sie eintreten?

Dr. Heide: Ja, auf alle Fälle. Es gibt nichts Schlimmeres als Anwälte, die nach außen einen unfairen Eindruck hinterlassen. Ich weiß, dass das keine einfache Forderung ist. Der Anwaltsmarkt verändert sich immer mehr durch Internet-Angebote. Die technischen Veränderungen und eine wachsende Kommerzialisierung erzeugen starken Druck. Ich denke aber, dass Anwälte in Deutschland sich vom anglo-amerikanischen Modell abgrenzen sollten. Es klingt altmodisch, aber der Anwalt als Organ der Rechtspflege hat nicht ausgedient. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Anwaltskammer das Bild vorlebt.

Mi: Wie stellen Sie sich das vor?

Dr. Heide: Die Werte müssen gepflegt werden, sonst wird die Anwaltschaft über kurz oder lang an Einfluss verlieren. Die Kammer muss ihre Funktion als Berufsaufsicht wahrnehmen und die Anständigkeit, um die es geht, kontinuierlich vorleben.

Mi: Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Rolle und Funktion der Syndikusanwälte?

Dr. Heide: Es ist gut, dass es Syndikusanwälte gibt. Sie sind zwar nicht der typische unabhängige Rechtsvertreter. Die Idee, jemanden im Unternehmen zu haben, der fachlich unabhängig ist, halte ich aber für richtig. Es gibt ja auch Betriebsärzte. Allerdings kommt es sehr darauf an, wie die Rolle gelebt wird. Ein Syndikusanwalt ist nicht der Handlanger der Geschäftsführung, sondern muss seine Aufgabe als Rechtsanwalt ernst nehmen. Deshalb fände ich es gut, wenn sich Syndikusanwälte stärker als bislang in der anwaltlichen Selbstverwaltung engagieren würden.


Anmerkung: Die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf macht nicht zum ersten Mal mit gescheiterten Gerichtsverfahren von sich reden. Der Arbeitsgerichtsprozess, auf den RA Dr. Heide hinweist, ging auf eine Verdachtskündigung zurück, die im Jahr 2015 gegenüber der damaligen Hauptgeschäftsführerin ausgesprochen worden war. Die Anwaltskammer unterlag, der Rechtsstreit wurde durch einen kostspieligen Vergleich beendet. Die von der Kammer – und damit letztlich von der Anwaltschaft – zu tragenden Kosten waren auch deshalb so hoch, weil der Vorstand eine Honorarvereinbarung mit dem Anwalt einer Kanzlei, die üblicherweise Großkonzerne berät, abgeschlossen hatte.   

Die Fragen wurden gestellt von RA Dr. Gregor Kuntze-Kaufhold

Das Interview wurde am 12.03.21 telefonisch geführt und anschließend von 'mi' verschriftlicht.